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Eine Frage der Evaluation

19. Mai 2010

Wie wirksam ist eigentlich die deutsche Entwicklungspolitik? Gute Frage, aber schwer zu beantworten, auch deshalb, weil klare und einheitliche Maßstäbe fehlen.

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Computerunterricht im SOS Kinderdorf in Sambia (Foto: Bilderbox)
Bild: www.BilderBox.com
Buchcober "Evaluation in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit"
Buchcover "Evaluation in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit"

Eine halbe Stunde dauerte die computergestützte Präsentation. Sie stand unter der Überschrift "Evaluation in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit". "Evaluation" ist lateinisch und bedeutet so viel wie "Bewertung" oder "Beurteilung". Allerdings bewerteten beziehungsweise beurteilten die Studienleiter Axel Borrmann und Reinhard Stockmann nicht die Wirksamkeit deutscher Entwicklungszusammenarbeit, sondern die Methoden, mit denen staatliche wie private Organisationen ihre Arbeit überprüfen. Das sagten die beiden, sei die Voraussetzung dafür, um überhaupt vergleichen zu können, wie wirksam Entwicklungszusammenarbeit tatsächlich ist.

Hoher Nachholbedarf

Was nach Haarspalterei klingt, hat einen ernst zu nehmenden Hintergrund. Denn in Deutschland gibt es offenbar noch nicht einmal ansatzweise verbindliche Kriterien für eine Evaluation, also eine Überprüfbarkeit der konkreten Projektarbeit. Deshalb empfiehlt Stockmann vom Centrum für Evaluation an der Universität des Saarlandes dem deutschen Entwicklungsministerium einen Blick ins benachbarte Ausland: "In Schweden gibt es eine unabhängige Agentur zur Überprüfung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit: In Großbritannien gibt es einen Beirat, der die Regierung berät, mit welchen Methoden Programme und Projekte evaluiert werden sollen."

Essenverteilung in Indien (Quelle: AP)
Die Arbeit der Welthungerhilfe wurde unter die Lupe genommenBild: AP

In Deutschland hingegen überprüfen sich die meisten so genannten Durchführungsorganisationen selbst, wenn überhaupt. Staatssekretär Erich Stather aus dem Entwicklungsministerium, kurz BMZ, räumte in Berlin Nachholbedarf ein. In der Tat unterschieden sich die Methoden seines Hauses von denen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ): "Das heißt, wir kommen bei durchaus vergleichbaren Projekten zu unterschiedlichen Ergebnissen, weil wir unterschiedliche Ansätze haben oder andere Wirkungen untersuchen." Und das könne nicht Sinn einer Entwicklungspolitik aus einem Guss sein.

Überprüfung von außen

Evaluierung sei ein ganz zentraler Bereich für die Entwicklungspolitik. "Denn wenn sie nicht nachweisen kann, dass sie wirkt, dann verliert sie an Glaubwürdigkeit", sagt Stather. Der Staatssekretär, dessen Ministerium die Studie in Auftrag gegeben hat, ist deshalb auch offen für die Empfehlungen der Fachleute - insbesondere für die Forderung, das eigene Gebaren von Externen überprüfen zu lassen. Es spreche vieles dafür, die Evaluierung nach außen zu verlagern. "Das bringt auch größere Unabhängigkeit."

Geld wird in eine Spendenbüchse gesteckt (Quelle: AP)
Wer Geld spendet, sollte erfahren was damit passiertBild: AP

20 staatliche und private Organisationen wurden überprüft. Ob Caritas, Misereor oder Welthungerhilfe - sie alle sollten sich auf einheitliche Standards verpflichten, meinen die Autoren der Studie. Mitunter hätten sie zu hören bekommen, man habe kein Geld für die Evaluation. Das aber gehöre in jede Kalkulation, forderte Stockmann. Auch müssten die Partner in den Entwicklungsländern stärker eingebunden werden.

Derzeit sei das System hauptsächlich dazu ausgelegt, die Geber, also die Durchführungsorganisationen, erfahren zu lassen, inwieweit ihre Projekte wirkungsvoll und nützlich sind, ob die Ziele erreicht werden, erklärt Stockmann. "Die Partner in den Nehmerländern aber erfahren diese Evaluationsergebnisse nur sehr eingeschränkt." Und sie können folglich nur sehr eingeschränkt Nutzen aus diesen Ergebnissen erzielen.

Evaluationsforscher Stockmann erwartet auch mehr Transparenz von den Organisationen. Das gelte besonders für die privaten Spendensammler. Berichte müssten grundsätzlich veröffentlicht werden. Das Entwicklungsministerium sei in dieser Hinsicht vorbildlich. Steuerzahler und Spender hätten einen Anspruch darauf zu erfahren, was mit ihrem Geld passiere.

Autor: Marcel Fürstenau

Redaktion: Kay-Alexander Scholz