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Aktionäre jubeln, Fachleute staunen

Klaus Ulrich
12. März 2018

Die angekündigte Übernahme der RWE-Tochter Innogy durch Eon sorgt für Wirbel. Anleger reagieren elektrisiert und stürzen sich auf die Papiere der beteiligten Unternehmen. Doch viele Fragen bleiben offen.

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Innogy Znetrale in Essen
Bild: Reuters/T. Schmuelgen

Milliarden-Deal auf dem deutschen Energiemarkt: Der Versorger Eon will zunächst die RWE-Ökostrom- und Netztochter Innogy komplett übernehmen und danach im Gegenzug den Konkurrenten RWE am eigenen Unternehmen beteiligen. Eon würde dabei das lukrative Netzgeschäft von Innogy erhalten. Die erneuerbaren Energien - von Innogy, aber auch von Eon - sollen unter dem Dach von RWE vereint werden, Innogy würde zerschlagen. Das Geschäftsvolumen des Übernahme-Geschachers würde geschätzt im zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich liegen - vorausgesetzt, die Konzerngremien und die Kartellbehörden stimmen zu.

Bei den Aktionären kommen die Pläne offenbar gut an. Die Aktien von RWE schossen am Montag an der Frankfurter Börse zu Handelseröffnung in die Höhe und waren mit Abstand größter Gewinner im Dax, der die 30 größten deutschen Konzerne auflistet. Eon-Papiere legten ebenfalls stark zu. Die Titel der RWE-Ökostromtochter Innogy, die zwischen den beiden großen Energieversorgern aufgeteilt werden soll, standen an der Spitze des MDax, der die Entwicklung der 50 größten Unternehmen widerspiegelt, die auf die Dax-Konzerne folgen.

Energieexperten sind skeptisch

Anders als bei den Aktionären überwiegt bei so manchem Energieexperten die Skepsis. "Es stellt sich die Frage nach der Rückwärtsrolle von RWE", sagte Manuel Frondel, Leiter des Kompetenzbereichs Umwelt und Ressourcen beim RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen, im DW-Gespräch. "Erst wurde Innogy unter dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Terium gegründet, um darin die für die schöne neue grüne Energiewelt nötigen Erneuerbaren-Anlagen und die Netze zu vereinen. Nun wird Innogy zerschlagen, die Erneuerbaren kommen wieder zur konventionellen Energiewelt von RWE. Und die derzeit größten Gewinnbringer, die Netze, gehen an Eon. Ist der Kapitalbedarf bei RWE derart hoch, dass der werthaltigste Teil verkauft werden muss?"

Noch deutlicher wird der Journalist und Energieexperte Jürgen Döschner vom Westdeutschen Rundfunk in einem Radiokommentar. Er meint, der Überraschungscoup von RWE und E.ON sei alles andere als ein Befreiungsschlag. Dass die erst vor zwei Jahren gegründete Öko-Tochter Innogy nach so kurzer Zeit zerschlagen werde, zeuge eher von Nervosität und Orientierungslosigkeit bei den beiden Energieriesen. "Und die Art des Deals sieht mehr nach Hütchenspiel als nach einem Zukunftskonzept aus", so Döschner.

Finanzsektor wägt ab

Naturgemäß ohne jede Polemik äußern sich Experten aus dem Finanzsektor. Die Einigung setze Werte frei, doch es gebe noch viele Hindernisse zu überwinden, schreibt der Analyst Christopher Laybutt von der US-Bank JP Morgan. Das Management von RWE scheine eine praktikable Lösung gefunden zu haben, was es mit dem Innogy-Anteil machen solle, vermutet Analyst Lüder Schumacher der französischen Bank Société Générale, die Liste möglicher Käufer dürfte nämlich kurz gewesen sein.

"Der Deal läuft auf eine interessante Neuordnung der Stromversorgerlandschaft hinaus", sagte Union Investment Portfolio-Manager, Thomas Deser der Nachrichtenagentur Reuters. Eine Konsolidierung sei logisch, um Größenvorteile auch im europäischen Maßstab zu erreichen. Auf den ersten Blick sehe es nach einem vorteilhaften strategischen Schritt für Eon aus. Aber auch RWE bekomme mit dem Ökostromanlagen eine Ergänzung zu dem rückläufigen Atom- und Braunkohlegeschäft. Ein beteiligter Banker sagte laut Reuters, Eon sehe bei dem Deal etwas besser aus. "Eon bekommt die stabilen Netze und RWE das etwas risikoreichere und wettbewerbsintensive Geschäft mit den Erneuerbaren." RWE habe sich mit den ebenfalls interessierten ausländischen Versorgern Enel, Engie und Iberdrola nicht einigen können und unter Druck gestanden.

Unruhe bei den Arbeitnehmern

Für die Mitarbeiter der drei Energiekonzerne dürften nun Fragen nach der Beschäftigungssicherung im Mittelpunkt stehen. "Die Zeiten werden unruhig", hieß es nach Agenturmeldungen im Lager der Arbeitnehmer. Eon sei aber berechenbarer als ein Versorger aus Südeuropa. Vor allem in dem künftig bei Eon gebündelten Vertriebsgeschäft könnten durch die Zusammenlegung mit Innogy Jobs auf der Strecke bleiben, sagte ein Branchenkenner. Den Experten der US-amerikanischen Investmentbank Bernstein zufolge könnten durch den Deal rund 500 Millionen Euro eingespart werden, insbesondere durch den Abbau von Arbeitsplätzen.

Umso erstaunlicher wirkt diese Reaktion wichtiger Arbeitnehmervertreter: Die Gewerkschaft Verdi will die geplante Neuordnung bei den Energieriesen Eon und RWE unterstützen. "Das ist in der Tat ein Mega-Deal in der Größenordnung von 43 Milliarden Euro, den wir als Gewerkschaften - und das gilt sowohl für Verdi als auch für die IG BCE - begrüßen", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske am Montag in Potsdam. Bsirske ist zugleich Vizechef des RWE-Aufsichtsrats. Am Montagabend werde es eine Aufsichtsratsentscheidung geben. "Wir werden aber zustimmen, weil wir das als eine Chance für alle Beteiligten sehen, hier starke und investitionskräftige Unternehmen aufzubauen, und auch Perspektiven zu erschließen für Wachstum und für die Arbeitsplätze", kündigte Bsirske an.

Bsirske sagte, der Deal sei für beide Unternehmen vorteilhaft und wertsteigernd. Er verbessere die Möglichkeiten, in Wachstum zu investieren, sowohl auf der RWE-Seite als auch auf der Eon-Seite. "Und das schließt Innogy im Grunde mit ein."