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Erdogan bezieht sich auf Hitler-Deutschland

1. Januar 2016

Der türkische Präsident kämpft für eine Verfassungsreform, die seine Machtfülle deutlich ausweiten soll. In einem Interview nennt er als Beispiel für ein Präsidialsystem Hitler-Deutschland. Alles nur ein Missverständnis?

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Recep tayyip Erdogan (Foto: Getty Images/AFP/J. Demarthon)
Bild: Getty Images/AFP/J. Demarthon

"In einem Einheitssystem (wie in der Türkei) kann ein Präsidialsystem sehr gut bestehen", erklärte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan laut Zeitungsberichten vor Journalisten, nachdem er von einer Reise aus Saudi-Arabien zurückgekehrt war. Es gebe aktuell Beispiele in der Welt und auch Beispiele in der Geschichte, so Erdogan. "Sie sehen das Beispiel dazu in Hitler-Deutschland."

Schnelles Dementi

Aus dem türkischen Präsidialamt hieß es kurz nach Bekanntwerden der Äußerungen, Erdogan sei missverstanden worden. Er habe nicht andeuten wollen, dass das Regierungssystem in Hitler-Deutschland ein Beispiel für ein effizientes Präsidialsystem gewesen sei. Erdogans Metapher über "Hitler-Deutschland" sei von einigen Nachrichtenquellen verzerrt und ins Gegenteil verdreht worden, hieß es aus Ankara. Er habe damit zeigen wollen, dass ein Präsidialsystem auch in einem Einheitsstaat existieren könne und nicht zwangsläufig ein föderales System brauche und dass weder ein präsidiales noch ein parlamentarisches System eine Garantie gegen Machtmissbrauch böten. "Wenn das System missbraucht wird, kann es zu einer schlechten Führung kommen, die in Katastrophen wie in Hitler-Deutschland enden." Wichtig sei eine gerechte Führung, die den Interessen der Nation diene.

Erdogan will eine umstrittene Verfassungsreform durchsetzen, um seine Position als Präsident zu stärken und die Türkei zu einem Präsidialsystem umzubauen. Ihm schwebt eine Rolle als Staatschef wie in den USA, Russland oder Frankreich vor.

Parlamentarische Hürden

Trotz der erreichten absoluten Mehrheit der islamisch-konservativen AKP, deren Chef Erdogan vor seiner Präsidentschaft war, fehlt der Partei aber die notwendige verfassungsändernde Mehrheit. Die Oppositionsparteien lehnen das vorgeschlagene Präsidialsystem geschlossen ab, sie werfen Erdogan schon jetzt ein Abgleiten in eine autoritäre Herrschaft vor.

Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte in der vergangenen Woche Verhandlungen mit verschiedenen politischen Parteien über die Verfassungsreform begonnen. Erdogan selbst kann sich ein Referendum zu dieser Frage vorstellen.

fab/cw (afp, rtre)