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Politik

Erdogan-Besuch: Polen als Vermittler?

Paul Flückiger Warschau
17. Oktober 2017

Polen ist ein diplomatischer Coup gelungen: Nach Donald Trump im Juli empfängt es jetzt Recep Tayyip Erdogan. Doch auch der Gastgeber wurde von Brüssel kritisiert - beim Thema Rechtsstaatlichkeit.

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Türkei Ankara - Erdogan hält Rede
Bild: picture-alliance/AA/Turkish Presidency/Handout/Y. Bulbul

Es ist Erdogans erster offizieller Besuch in einem EU-Mitgliedsstaat seit dem autoritären Staatsumbau der Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch im Sommer 2016. Zuvor war er nur beim G20-Gipfel in Hamburg. Nach einem Treffen mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda wird der türkische Staatschef nach der Eröffnung eines Polnisch-Türkischen Wirtschaftsforums auch von Regierungschefin Beata Szydlo sowie den Präsidenten beider Parlamentskammern empfangen. Nach einer Kranzniederlegung beim Grab des unbekannten Soldaten richtet Duda für die türkische Delegation ein Abendessen aus. Ein Treffen mit Jaroslaw Kaczynski, dem Vorsitzenden der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), der als Polens starker Mann gilt, ist nach offiziellen Angaben nicht geplant. Das genaue Besuchsprogramm war bis zuletzt unter Verschluss gehalten worden.  

Historisch gute und enge Beziehungen

Polen und die Türkei, die einst eine gemeinsame Grenze und eine tiefe Feindschaft gegenüber Russland teilten, unterhalten seit 603 Jahren diplomatische Beziehungen. Das Osmanische Reich erkannte Polens Teilung Ende des 18. Jahrhunderts nie an - das wird in Polen auch heute noch sehr positiv bewertet. So hielt sich die Regierung in Warschau auch jüngst mit Kritik an der Türkei und Erdogan zurück, selbst nachdem sich dieser in einen gefährlichen Clinch mit Berlin und auch Washington begeben hatte. Einzig die Annäherung der Türkei an Russland bereitet Warschau Bauchschmerzen.

Im Vorfeld des Erdogan-Besuchs wurden in polnischen Regierungskreisen vor allem die gemeinsamen Interessen als NATO-Mitglieder betont. Polen, das sich von Russland seit der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und der Gewalt im ostukrainischen Donbass bedroht fühlt, begrüßt deshalb die Verstärkung der NATO-Ostflanke mit je Tausend Soldaten in Polen und den drei Baltischen Staaten. 

Symbolbild Beziehungen Türkei und EU
Botschafter Lang: Polen hat sich "von Anfang an" für eine EU-Integration der Türkei eingesetzt Bild: picture-alliance/dpa/M. Schrader

Wirtschaftsfragen offiziell im Vordergrund

Im Zentrum des Staatsbesuchs steht nach türkischen Angaben der bilaterale Handel. Kemal Güleryüz, Vorsitzender der Türkisch-Polnischen Handelskammer, stellte gegenüber der staatlichen Presseagentur Anadolu eine massive Erhöhung des bilateralen Handelsvolumens von derzeit knapp 6 Milliarden US-Dollar auf 10 Milliarden in Aussicht. Die Türkei will künftig offenbar vermehrt in das polnische Bauwesen investieren, das auch EU-Zuschüsse bekommt.

Polnische Diplomaten allerdings haben im Vorfeld vor allem auch auf die politische Dimension des Staatsbesuchs hingewiesen. "Unsere enge Beziehung mit der Türkei und der Erdogan-Besuch sind uns sehr wichtig", sagte Maciej Lang, Polens Botschafter in Ankara, im Gespräch mit Anadolu. Lang erinnerte an die Aufnahme muslimischer Tataren in Polen vor 600 Jahren, Warschaus Unterstützung für eine türkische EU-Integration "von Anfang an" und die gemeinsamen Interessen als NATO-Mitglieder. Er stellte Polen als weiterhin weltoffenes Land dar, das allerdings den heutigen Kriegsflüchtlingen in ihren "heimatnahen" Erstaufnahmeländern helfe und deshalb das Flüchtlingsabkommen zwischen Brüssel und Ankara unterstütze.  

Bei einem nach offiziellen Angaben spontanen Treffen zwischen Erdogan und Szydlo Mitte Mai in Peking soll neben Handelsfragen vor allem die EU-Flüchtlingspolitik zur Sprache gekommen sein. Polen lehnt eine Umverteilung von in Griechenland und Italien gestrandeten Flüchtlingen hartnäckig ab, wofür die EU-Kommission mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg droht. Warschau ist deshalb besonders an einer effektiven Umsetzung des Flüchtlingsabkommens zwischen Brüssel und Ankara interessiert. Gleichzeitig steht Kaczynskis PiS - ähnlich wie Erdogans AKP - wegen Problemen mit der Rechtsstaatlichkeit im Kreuzfeuer der Brüsseler Kritik.

Manche Beobachter in Warschau schließen dank der guten polnisch-türkischen Beziehungen selbst eine Vermittlerrolle Polens in Streitfällen mit Ankara nicht aus. "Erst einmal ist es wichtig, miteinander zu sprechen, und die türkische Optik kennenzulernen", sagt Krzysztof Szczerski, Dudas Präsidialamtschef.