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Erdogan treibt tausende Kritiker auf die Straßen

17. März 2012

Mehr als 20.000 Menschen protestierten in Bochum gegen eine Ehrung des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan. Dieser hatte seine Teilnahme an der Verleihung des "Steiger Award" bereits abgesagt.

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Mitglieder der Alevitischen Gemeinde Deutschlands protestieren in Bochum gegen die geplante Verleihung des Steiger Awards an den Türkischen Ministerpräsidenten Erdogan (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Die Demonstranten wandten sich dagegen, dass der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit dem "Steiger Award", einer Auszeichnung für Menschlichkeit und Toleranz, geehrt werden sollte. Armenier, Kurden und Aleviten hatten zu den Protesten aufgerufen. Sie sahen in der geplanten Ehrung einen "Schlag ins Gesicht aller Minderheiten in der Türkei", wie es in einer Mitteilung der Alevitischen Gemeinde Deutschlands hieß. In der Türkei würden Minderheiten unterdrückt.

Erdogan wurde am Samstagabend von der Liste der Preisträger gestrichen, weil er seine Teilnahme an der Verleihung abgesagt hatte. Als offizieller Grund wurde der Absturz eines türkischen Militärhubschraubers in Afghanistan mit 16 Toten genannt.

Dem Aufruf der Alevitischen Gemeinde Deutschland folgten dennoch tausende Menschen. Die Kundgebung begann im Stadion des Fußball-Zweitligisten VfL Bochum. Die Aleviten werfen Erdogan vor, ihren Glauben zu unterdrücken. Auch Armenier und Kurden hatten zu Demonstrationen gegen Unterdrückung in der Türkei aufgerufen, ihnen folgten nach Polizeiangaben deutlich weniger Menschen. Insgesamt ging die Polizei am Nachmittag von etwa 22.000 Demonstranten aus.

Scharfe Kritik an Auszeichnung für Erdogan

Stellvertretend für das türkische Volk sollte Erdogan den Bochumer "Steiger Award" für 50 Jahre deutsch-türkische Freundschaft entgegennehmen. Für die Laudatio war Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vorgesehen.

Die geplante Preisverleihung hatte heftige Reaktionen ausgelöst. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt kritisierte am Freitag in München: "Einen Toleranz-Preis ausgerechnet an Erdogan zu vergeben, ist eine bizarre und geschmacklose Fehlleistung. Erdogan hätte einen Preis für Intoleranz verdient." In der Türkei herrsche Unterdrückung von religiösen und ethnischen Minderheiten, mangelnde Pressefreiheit und fehlende Gleichberechtigung von Frauen.

Der Publizist Ralph Giordano erklärte in einem Offenen Brief, Schröders Laudatio könne nur verlogen ausfallen. Erdogan leugne immer noch, dass es 1915/16 einen Völkermord an den Armeniern gegeben habe. Der Deutsche Journalisten-Verband verwies auf Repressalien gegen Journalisten in der Türkei.

Veranstalter: Kritik zum Teil berechtigt

Auf der Internetseite des Veranstalters heißt es dazu, "manche Kritik an Premierminister Erdogan ist berechtigt". Veränderung könne aber nur durch Dialog erfolgen. Die Idee der Preisvergabe sei deshalb auch mit der Hoffnung auf weitere demokratische Entwicklungen in der Türkei verbunden gewesen.

Seit 2005 wird der undotierte "Steiger Award", dessen Name aus dem Bergbau stammt, jährlich an Personen vergeben, die sich für Menschlichkeit und Toleranz einsetzen. Zu den weiteren Preisträgern zählen in diesem Jahr unter anderem Königin Silvia von Schweden, Ex-Bundespräsident Horst Köhler, Modedesigner Wolfgang Joop sowie die Schauspieler Hannes Jaenicke und Christine Neubauer.

In der Vergangenheit ging der "Steiger Award" bereits an Israels Präsident Schimon Peres, den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, Ex-Bundesaußenminister Dietrich Genscher und an Prominente wie Franz Beckenbauer, Boris Becker oder die Band Tokio Hotel. Auch der einstige CSU-Chef Edmund Stoiber erhielt die Auszeichnung.

kis/wl (dpa, afp, rtr, epd)