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Politik

Erdölgeschäfte aus iranischem Gefängnis?

Shabnam von Hein
7. Oktober 2020

Trotz Sanktionen gelingt es dem Iran, zumindest einen Teil seines Erdöls zu verkaufen. Dabei ist die Regierung auf die guten Kontakte von Geschäftsleuten angewiesen, sogar solchen, die zum Tode verurteilt wurden.

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Ölminister Bidschan Sangane
Ölminister Bidschan Sangane Bild: Reuters/Bader

Im September ist der iranische Ölexport deutlich gestiegen, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet. Die Daten des Onlinedienstes TankerTrackers deuteten darauf hin, dass die Exporte im September auf 1,5 Millionen Barrel pro Tag gestiegen sein könnten. Dies entspräche dem höchsten Niveau seit 18 Monaten und käme im Vergleich zum Vormonat August einer Verdoppelung gleich. Zwei weitere Trackingportale hätten im September ebenfalls einen Anstieg der iranischen Ölexporte verzeichnet, wenn auch nicht einen so starken, berichtete Reuters weiter. Die Daten von TankerTrackers zu Öllieferungen und Öllagern zeigten, dass fast die Hälfte der iranischen Exporte von ausländischen Käufern über Schiff-zu-Schiff-Transfers abgewickelt wurden.

Ölexporte im Nebel

Die endgültigen Zielorte der Ölexporte gehen aus den Daten nicht hervor. Reuters geht davon aus, dass der Iran neue Wege gefunden hat, um die US-Sanktionen zu umgehen. "Wie viel Öl das Land momentan wirklich exportiert und wie viel Geld es damit verdient, ist geheim", sagt Navid Dschamschidi, Wirtschaftsjournalist aus Teheran, im Gespräch mit der DW. "Das Ölministerium hat kein Interesse daran, Informationen dazu zu veröffentlichen."

Die USA drohen nicht nur allen Staaten, die dem Iran Öl abkaufen, mit Sanktionen. Sie bieten laut "Washington Post" auch auch Belohnungen von bis zu 15 Millionen US-Dollar für Informationen über illegale Ölverkäufe und Öllieferungen von Schiff zu Schiff. 

Als Folge der US-Sanktionen gingen die iranischen Ölexporte, die im Mai 2018 mit 2,7 Millionen Barrel täglich ihren höchsten Stand nach dem Atomabkommen von 2015 erreicht hatten, auf 400.000 Barrel im Januar 2020 zurück.

Venezuela Iranischer Öltanker Fortune in El Palito
Tanker aus dem Iran wurde im Mai 2020 in Venezuela gesichtetBild: picture-alliance/AP Photo/E. Vargas

Schlüsselfigur im Ölschmuggel

In einer ähnlichen Lage befand sich das Land bereits während der Regierungszeit von Präsident Mahmud Ahmadinedschad: Im Sommer 2012 verhängten USA und EU Wirtschaftssanktionen gegen den Iran, um dessen Handel mit Erdöl und Ölprodukten zu erschweren. Teheran sollte dadurch zu Verhandlungen über sein Atomprogramm gezwungen werden.

Trotzdem hatte der Iran sein Öl auf dem Schwarzmarkt verkauft, und zwar mit Hilfe eines Netzwerks, das im Auftrag der iranischen Revolutionsgarden in großem Umfang Öl schmuggelte. Eine Schlüsselfigur war der im Dezember 2013 verhaftete Geschäftsmann Babak Sandschani. Über ein Netz von mehr als 60 Firmen mit Sitzen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei und Malaysia soll Sandschani mehrere Millionen Barrel iranisches Öl auf dem Schwarzmarkt verkauft haben. Dabei soll er laut der iranischen Justiz auch in die eigene Tasche gewirtschaftet haben, die Rede war von umgerechnet 2,6 Milliarden Euro.

Verurteilt, aber nützlich

Nach dem Regierungswechsel von Ahmadinedschad zu Hassan Rohani 2013 schlug die iranische Außenpolitik einen neuen Kurs ein, der zum Atomabkommen vom Juli 2015 führte. Damit fiel Sandschanis Stern. Er wurde er verhaftet und im März 2016 wegen Korruption zum Tode verurteilt.  

Vollstreckt wurde das Urteil nicht. Sandschanis Vermögen im Iran im Wert von umgerechnet rund 600 Millionen Euro wurde beschlagnahmt. Er schuldet dem iranischen Ölministerium noch zwei Milliarden Euro. Seine Geschäfte und Kontakte außerhalb des Landes scheinen seine "Lebensversicherung" gewesen zu sein.

Als erfolgreicher Geschäftsmann war Sandschani ständig in iranischen Medien präsent
Als erfolgreicher Geschäftsmann war Sandschani (2.v.l.) ständig in iranischen Medien präsentBild: tnews

"Ich bin froh, dass er bis jetzt nicht hingerichtet wurde", sagt der Wirtschaftsjournalist Navid Dschamshidi im Gespräch mit der DW. Er kennt Sandschani aus alten Zeiten. Als erfolgreicher Geschäftsmann war er ständig in iranischen Medien präsent.

"Sein Fall war politisch motiviert. Nach dem Regierungswechsel ist er zwischen die Fronten geraten. Ich kann mir vorstellen, dass er nun gezwungen wird, seine Kontakte erneut zu nutzen, um der jetzigen Regierung zu helfen."

"Viele helfen uns"

Sandschani hatte im März wegen der Corona-Pandemie Hafturlaub bekommen. Eine Schutzmaßnahme der iranischen Justiz, die allerdings nicht für Menschenrechtsaktivisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft gilt. Seit Ende Juni befindet sich Sandschani laut einem Justizsprecher wieder im Gefängnis.

Iranische Journalisten messen der Tatsache Bedeutung bei, dass Sandschani seit mehreren Monaten auf diversen Kommunikationsplattformen aktiv ist und dass entweder er selbst oder Personen, die mit ihm in Kontakt stehen, seinen Instagram- und Facebook-Account pflegen. Auch dass er kürzlich dem Chatnetzwerk Imo, einer Gratis-App für kostenlose Videoanrufe, beigetreten sei, wird als Indiz für ein Wiederaufleben seiner alten Schmuggelkontakte gesehen.

"Die Methoden Sandschanis, die Sanktionen zu umgehen und auf dem Schwarzmarkt Öl zu verkaufen, sind den USA bekannt", sagte der Wirtschaftsexperte Aliresa Salavati aus London gegenüber der DW. "Ich glaube nicht, dass ihn der iranische Ölminister beauftragen würde. Unter dem Druck der Sanktionen sind es allerdings die Revolutionsgarden, die bestimmen, was zu tun ist."

Die Regierung in Teheran ist jedenfalls auf die Mitwirkung solch einflussreicher Personen angewiesen, wie Ölminister Bidschan Sangane zugab: "Ich werde jede Hilfe in Anspruch nehmen, um die Sanktionen zu umgehen", erklärte er am 15. September im Parlament. "Ich muss fairerweise gestehen, dass viele uns nun helfen, unser Öl auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen", fügte er vielsagend hinzu.