1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Erfahren, zuverlässlig, loyal und alt

14. Januar 2011

Ältere Arbeitnehmer sind aufgrund der demografischen Entwicklung gefragt wie nie in Deutschland. Eine Bäckerei in Nordrhein-Westfalen zeigt, wie man als Unternehmer Alt und Jung gut unter einen Hut kriegen kann.

https://p.dw.com/p/zwQ3
Teamleiterin Ursula Wagner bespricht sich mit Geschäftsführerin Sabine Newzella in der Bäckerei (Foto: DW)
Ein gutes Team: Ursula Wagner und Geschäftsführerin Sabine NewzellaBild: DW/Arne Lichtenberg

Es geht betriebsam zu in der Bäckerei Newzella am Busbahnhof in Leverkusen. Viele Kunden haben Hunger auf eine süße Kleinigkeit, ein Stück Kuchen oder einen Kaffee. Zwei Verkäuferinnen sorgen sich um die Wünsche der Kunden. Bei aller Hektik immer freundlich und zuvorkommend zu sein, ist gar nicht so einfach. Guter Service will gelernt sein, verkaufen kann nicht jeder.

Teamleiterin Ursula Wagner (Foto: DW)
Ursula Wagner schaffte es von der Aushilfe zur TeamleiterinBild: DW/Arne Lichtenberg

Ursula Wagner ist schon seit halb vier Uhr morgens auf den Beinen, denn ein Job bei einer Bäckerei ist nichts für Langschläfer. Sie ist 56 Jahre alt und fing vor sieben Jahren in der Bäckerei Newzella als Aushilfe auf 400-Euro-Basis an. "Nach einer gewissen Zeit kam unsere Chefin auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich nicht eine Weiterbildung machen möchte", erzählt die 56-Jährige. Sie war nicht abgeneigt, bildete sich weiter, machte ihre Ausbilder-Eignungsprüfung und arbeitet seither als Teamleiterin - Vollzeit.

"Viel Abwechslung durch die Arbeit"

Trotz seiner 73 Jahre arbeitet Artur Schwarzenberg noch zwei Mal die Woche als Fahrer für die Bäckerei. Für ihn ist der finanzielle Aspekt nicht der einzige Anreiz im Job. "Man wird nicht schlapp, hat Abwechslung und redet viel mit unterschiedlichen Menschen. "Das ist einfach was anderes, als wenn man sich immer zu Hause mit seiner Frau unterhält", erklärt der rüstige Senior.

Als er mit 60 Jahren in Rente ging, blieb Schwarzenberg erst einmal ein Jahr zu Hause. Das Jahr bekam ihm aber gar nicht gut - schnell wollte er zurück in den Beruf. Bei der Bäckerei spielte sein Alter bei der Bewerbung keine Rolle. "Es ging einzig darum, ob ich das kann oder nicht - und ich konnte es", berichtet Schwarzenberg stolz.

Bei den Jungen fehlt die Kontinuität

Die Chefin Sabine Newzella betreibt zusammen mit ihrem Mann sechs Filialen im Großraum Köln. Im Jahr 2010 wurden sie mit dem Preis "Vielfalt gewinnt" der Stadt Köln ausgezeichnet, da sie sich für die Beschäftigung älterer Menschen einsetzen.

Für sie hätten ältere Mitarbeiter viele Vorzüge, erzählt Sabine Newzella. Neben der hohen Zuverlässigkeit und Loyalität sei es auch einfach die Ruhe, die Ältere durch ihre Berufserfahrung in den Betrieb einbrächten. "Wir haben es auch teilweise mit Studenten probiert, aber da fehlt die Kontinuität, die waren meist bald wieder weg", berichtet die Geschäftsführerin.

Mit den Kräften haushalten

Der Arbeitgeber stehe gegenüber älteren Arbeitgebern allerdings auch in der Pflicht, sagt Sabine Newzella. "Nach fünf, sechs Tagen morgens um drei, halb vier Uhr aufstehen - da gibt es dann auch Situationen, in denen ich sage: Bitte fangen sie jetzt Mal eine Woche nur um sieben oder um acht Uhr an." Als Betrieb müsse man vor allem darauf achten, dass die Mitarbeiter mit ihren Kräften gut haushalten. Heute würden die Firmen die Menschen oft verheizen. Die menschlichen Bedürfnisse würden nicht richtig geachtet, sagt Sabine Newzella.

Bäckerei Newzella in Leverkusen (Foto: DW)
Arbeiten in einer Bäckerei verlangt frühes Aufstehen und guten Service dem Kunden gegenüberBild: DW/Arne Lichtenberg

Ein Ergebnis des vorausschauenden und fürsorglichen Umgangs ihres Unternehmens mit den Mitarbeitern sei der geringe Krankenstand der Beschäftigten. Auch der Wissenstransfer zwischen den Generationen funktioniere gut. "Die Jungen profitieren von den Erfahrungen der Älteren und umgekehrt."

Jeder Arbeitgeber müsse bei sich selbst schauen, ob er auch Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer schaffen könne. Die Menschen müssten vom Kopf her beweglich bleiben, sagt die Geschäftsführerin. "Es kann ja nicht sein, dass die Senioren unseren Studenten im Hörsaal die Plätze klauen und in den Unternehmen fehlt uns dann die Manpower. Da stimmt doch dann in unserem System was nicht."

Autor: Arne Lichtenberg
Redaktion: Kay-Alexander Scholz