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"Erfolg der liberalen Opposition Russlands ist unwahrscheinlich"

14. Dezember 2006

Vier Parteien wollen bei den Wahlen zur Moskauer Gebiets-Duma gemeinsam antreten. Michail Winogradow, stellvertretender Leiter des Zentrums für politische Konjunktur Russlands, beurteilt die Chancen der Opposition.

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Bild: DW

DW-RADIO/Russisch: Die Union rechter Kräfte (SPS), die Partei "Jabloko", die Demokratische Partei Russlands und die Partei "Freies Russland" wollen bei den Wahlen zur Moskauer Gebiets-Duma am 11. März 2007 mit einer gemeinsamen Liste antreten. Das teilten die Vertreter der Oppositionskräfte am 7. Dezember auf eine Pressekonferenz in Moskau mit. Die Liberalen gehen davon aus, dass sie mit vereinten Kräften 20 Prozent der Stimmen gewinnen können. Ist es wahrscheinlich, dass die so genannte liberale Opposition bei den Regionalwahlen erfolgreich sein wird?

Michail Winogradow: "Ein großer Erfolg der liberalen Opposition ist unwahrscheinlich. Die liberale Opposition nahm praktisch weder im Frühjahr noch im Herbst an Wahlen zu Regional-Parlamenten teil. Es entsteht nicht der Eindruck, dass sie Lehren aus den Niederlagen gezogen haben, die sie bei Wahlen erleiden mussten. Außerdem gelingt es ihnen nicht, die Partei "Einiges Russland" aus der Mitte-Rechts-Nische herauszudrängen. Nicht alle rechten Wähler sind von der Partei "Einiges Russland" begeistert, aber dennoch stimmen sie oft pragmatisch für diese Partei. Es gibt noch ein Problem: das ist die allgemeine Enttäuschung unter den rechten Wählern über die Politik insgesamt, über konkrete Kämpfer für rechte Ideen, was die rechten Wähler, die es objektiv gesehen im Lande gibt, dazu veranlasst, nicht zu den Wahlurnen zu gehen."

Nicht nur im Gebiet Moskaus, sondern auch in anderen Gebieten wollen die Liberalen mit einer gemeinsamen Wahlliste kandidieren. Wird dies dazu führen, dass sie sich vor den Wahlen zur Staatsduma vereinigen, und wenn ja, werden sie dann die Sieben-Prozent-Hürde überwinden?

Ich denke, die Chance besteht, aber der Erfolg eines solchen Bündnisses hängt nicht allein von der Vereinigung selbst ab. Es ist nicht garantiert, dass dies allein Stimmen bringen wird, denn Stimmen werden eher neue Figuren und neue Initiativen bringen, die sowohl dem politikinteressierten als auch apolitischen Wähler interessant erscheinen. Dann ist es nicht so wichtig, ob es ein gemeinsamer Block aus SPS und "Jabloko" oder völlig neue Figuren sein werden, die rechte Ideen vorantreiben. Ein Teil der rechten Politiker, ein Teil der Gouverneure sind bereits der Partei "Einiges Russland" beigetreten, aber man kann noch beliebte, charismatische und ambitionierte Politiker finden, die keinen Platz in den Reihen der Partei "Einiges Russland" eingenommen haben.

Unter welchen Bedingungen werden die demokratischen Kräfte größere Erfolgschancen haben, wenn sie eine strickte Gegenposition zum Kreml einnehmen oder konstruktive Kritik bevorzugen?

Bei den Wählern besteht keine ernsthafte Nachfrage nach einer konstruktiven Opposition. Der russische Wähler versteht kaum, welche Funktionen eine Opposition ausüben sollte. Ich denke, die Rechten müssen ihr Programm so aufbauen, dass die Frage, ob ihr Verhältnis zum Kreml positiv oder negativ ist, zweitrangig wird. Sie müssen freie Hand haben, damit sie die oppositionelle Wählerschaft an sich reißen können, für den Fall, dass sich bis zum Frühling wegen der ungelösten Erbenfrage die Kreml-feindlichen Stimmungen verschärfen. Und wenn die regierungsfreundlichen Stimmungen die Gesellschaft beherrschen sollten, dann sollte die Möglichkeit bestehen, das Szenario von 1999 umzusetzen, als das Treffen zwischen Putin und Kirijenko der SPS einen Stimmenzuwachs von mehreren Prozent brachte und der SPS den Einzug in die Duma ermöglichte.

Sie haben erwähnt, dass die liberalen Kräfte nicht über genügend Finanzressourcen verfügen. Der Kreml versucht, die wichtigsten Geldflüsse zu kontrollieren. Haben die Liberalen unter diesen Bedingungen überhaupt die Chance, mächtige Sponsoren für sich zu gewinnen?

Bis heute ist unklar, ob die Staatsmacht die Schirmherrschaft über das Projekt SPS übernehmen oder eher versuchen wird, eine neue rechte Kraft zu schaffen, die der Staatsmacht nahe steht. In diesem Zusammenhang werden Finanzminister Aleksej Kudrin und der Rechtsanwalt Borschtschewskij erwähnt – als mögliche Führer einer potentiellen rechten Opposition. Insgesamt glaube ich, dass es auf föderaler Ebene schwierig ist, Finanzierungsquellen zu finden. Aber in den Regionen hat sich eine Schicht von Geschäftsleuten entwickelt, die sehr erfolgreich sind und die nicht nur Geschäftsleute bleiben wollen – sie würden gerne Politik machen, zumindest auf regionaler Ebene.

Das Gespräch führte Viacheslav Yurin
DW-RADIO/Russisch, 7.12.2006, Fokus Ost-Südost