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Luftschutz gegen Terroristen

Wolfgang Dick26. Januar 2016

Mit Eurofightern sichert die Bundeswehr den deutschen Luftraum gegen Gefahren wie Flugzeugentführungen ab. Die Einsätze der sogenannten "Alarmrotten" häufen sich. Ein Bundestagsabgeordneter erfuhr die Gründe.

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ILA Berlin 2014 Airbus A310 wird von Eurofightern verfolgt.
Bild: imago

Sechs Mal in den vergangenen drei Jahren bestand der Verdacht, dass zivile Verkehrsflugzeuge von Terroristen entführt und als Waffe in Deutschland eingesetzt werden sollten. Die Funkverbindung zwischen den Piloten und der Flugsicherung war über 20 Minuten abgerissen und auf wiederholte Ansprache kam keine Reaktion aus den Cockpits. Umgehend gab es Alarm ("Quick Reaction Alert") für die Kampfjet-Crews der Luftwaffe, die in Deutschland an zwei Standorten stationiert sind, in Neuburg (Bayern) und in Wittmund (Niedersachsen).

Die Mannschaften der Abfangjäger sind in ständiger Bereitschaft. 24 Stunden am Tag, an 365 Tagen im Jahr. Wenn das Nationale Lage- und Führungszentrum für Sicherheit im Luftraum, das von Bundespolizei, Bundeswehr und Flugsicherung koordiniert wird, Alarm schlägt, kommt es zu "Alpha Scrambles", also echten Alarmstarts. Nach Auskunft des Staatssekretärs im Verteidigungsministerium in diesem Januar gab es im Jahr 2015 insgesamt 18 solcher Alarmstarts. Wenn die Einsätze verbündeter Geschwader im Grenzgebiet zu Deutschland mitgerechnet werden, dann waren es sogar 42 Alarmstarts. Im Jahr 2013 waren es nur 7 Einsätze. Die Nervosität und die Angst, einen Terrorakt womöglich nicht rechtzeitig entdeckt zu haben, steigt in diesen Zeiten. Im Ernstfall einer vermuteten Terroraktion liegt das Kommando nicht mehr bei der Nato, sondern in nationaler Verantwortung.

Adrenalin gegen Extremisten

Den Piloten der Luftwaffe bleibt im Alarmfall nur wenig Zeit bis zum Start. Höchstens 15 Minuten. Je nach Bereitschaftsstufe vergehen sogar nur zehn Minuten, bis die Piloten im Eurofighter sitzen und auf die Startbahn rollen. In spätestens 30 Minuten haben die insgesamt vier Kampfflugzeuge der Alarmrotten jeden Punkt in Deutschland erreicht, über dem sich verdächtige Flugzeuge bewegen können.

Bisher konnte der vom "Control und Reporting Center" der Luftwaffe begleitete Einsatz aber spätestens im Sichtkontakt für Klarheit sorgen. So entpuppten sich die vermeintlich gefährlichen Verdachtsfälle bis jetzt als Fehler der Piloten. Einige hatten sogar die Orientierung verloren. Oft ergaben sich auch technische Probleme in den Zivilfliegern. Diese Maschinen wurden dann von den Jets der Bundeswehr begleitet und in einigen Fällen auch noch zu einem geeigneten Flughafen geleitet.

Damit diese Aktionen so routiniert wie möglich ablaufen, gibt es in jedem Jahr rund 1000 "Tango Scrambles" – simulierte Abfangeinsätze.

Eurofighter und Learjet am 24.05.2011. Foto: Bernd Wüstneck/dpa
Versuch der Lage-Klärung durch SichtkontaktBild: picture-alliance/dpa/Bernd Wüstneck

Die Rechtslage

Für die zunehmenden Alarmstarts war zunächst der Inspekteur der Luftwaffe als Befehlshaber für die nationale Luftverteidigung zuständig. Wenn die Einsätze eskaliert wären, hätte die derzeit amtierende Bundesverteidigungsministerin von der Leyen die Befehls- und Kommandogewalt und müsste sich mit der Bundesregierung abstimmen. Während dies alles exakt in Vorschriften geregelt ist, hat das Bundesverfassungsgericht die Frage, ob im Ernstfall ein entführtes Zivilflugzeug abgeschossen werden darf, um eine Gefahr für die Bevölkerung am Boden abzuwenden, als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar bezeichnet. Das Luftsicherheitsgesetz wurde damit 2006 für nichtig erklärt.

Dass die erhöhte Anzahl von ernsten Alarmflügen jetzt öffentlich wurde, ist dem Haushaltsexperten der Grünen im Bundestag, dem Abgeordneten Tobias Lindner zu verdanken. Er hatte sich mit dem Umstand beschäftigt, dass die im türkischen Incirlik stationierten Bundeswehr-Jets bisher nur über Tag Aufklärungsflüge unternehmen konnten, weil die Armaturenbeleuchtung in den Cockpits der Jets nachts derart blendeten, dass die Maschinen über Syrien nicht sicher fliegen konnten. "Ich wollte nun von der Bundesregierung wissen, ob es ähnliche Einschränkungen auch bei Einsätzen in deutschem Luftraum gibt", sagt Lindner gegenüber der Deutschen Welle.

Antwort der Regierung

In der Antwort des Bundesverteidigungsministeriums vom 18. Januar dieses Jahres wurden die Aufklärungseinsätze besprochen. Für die Luftverteidigung der Alarmrotten sind Eurofighter im Einsatz, am türkischen Standort dagegen sind es Tornados, bei denen die Probleme bestehen, die bis März aber behoben sein sollen. Lindner ärgert sich dennoch: "Seit vielen Jahren, bereits seit dem Kosovo-Einsatz, ist das Problem bekannt und nicht behoben. Umso mehr wundert es mich, dass jetzt die Aussage ist, man will das binnen weniger Wochen beheben. Da frage ich mich, wenn es jetzt so schnell geht, warum hat man das nicht schon vorher geschafft?"

Beruhigend erscheint in dem Zusammenhang, dass in Deutschland in der Luftraumkontrolle ohne Nachtsichtbrillen geflogen werden kann - im Gegensatz zu den im syrischen Luftraum eingesetzten Jets.