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Erhard Busek: „Wir sind nicht auf die Dauer der Kindergartenonkel“

26. Oktober 2006

Erhard Busek, EU-Koordinator für den Südosteuropa-Stabilitätspakt, erklärt DW-RADIO, was der Pakt erreicht hat, was noch in der Region verbesserungswürdig ist und warum es Zeit ist für eine andere Form der Kooperation.

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Busek im GesprächBild: dw-tv

DW-RADIO: Welches Ziel will der Südosteuropa-Stabilitätspakt bis zu seinem Auslaufen erreichen?

Erhard Busek: Das eigentlich Ziel sind zwei. Nummer Eins: die Länder näher zur EU zu bringen, was mit dem Beitritt von Rumänien und Bulgarien gelungen ist. Kroatien verhandelt, Mazedonien ist ein Kandidat, und wird hoffentlich bald einmal verhandeln, währenddessen wir natürlich mit Albanien erst beim Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen gelandet sind. Serbien und Bosnien stehen noch aus, Montenegro wird aufschließen. Moldau ist eines unserer Sorgenkinder, weil es ein bisschen auf Distanz ist. Das zweite Ziel ist, eine regionale Kooperation zu erzeugen. Man kann die Probleme in vielen Bereichen nur gemeinsam lösen, wenn Sie etwa an Transport denken, wenn Sie an Infrastruktur denken, wenn Sie an die Donau denken, wenn Sie an die Verbrechensbekämpfung denken. Das eine Land hängt jeweils vom anderen ab – sie sind eben Nachbarn.

Inwiefern ist denn während dieses Projekts die Zusammenarbeit gewachsen?

Wir waren nach vier Kriegen in der Region, und naturgemäß ist es nicht so, dass, wenn Kriege beendet sind, alle freundlich an einem Tisch sitzen und einander mögen. Wir haben heute überhaupt keine Probleme mehr, in den verschiedenen Bereichen eine Zusammenarbeit herbeizuführen, den Dialog zu sichern – trotz der Tatsache, dass man sich der jüngsten Geschichte sehr bewusst ist. Das kann man als ein Erfolgsbeispiel ansehen. Wo sicher noch sehr viel fehlt, ist im gemeinsamen Verständnis der Konflikte und der Geschichte. Daran wird noch sehr lange zu arbeiten sein.

Sie haben einmal gesagt, Außenministertreffen hätten Sie genug gesehen, Sie möchten lieber die Energieminister zusammen sehen. Ihr Argument dafür war, dass Ihrer Meinung nach in den jeweiligen Ländern wenig Interesse an den Nachbarn herrscht. Wie könnte man das ändern?

Zunächst einmal ist nichts gegen Außenministertreffen einzuwenden, aber wo wir eine wirkliche Kooperation brauchen, ist im Bereich der Energie, im Bereich der Verbrechensbekämpfung und auch in den Fragen der Sicherheit und der Wirtschaftsinvestitionen. Da müssen sich die zuständigen Minister treffen. Manchmal gibt es da so ein Gefühl, dass ich, wenn ich allein gehe, erfolgreicher bin - was kümmert mich mein Nachbar? Es ist aber eines der Prinzipien der europäischen Integration, dass man gemeinsam geht. Wo das die EU nicht tut, gibt sie ein schlechtes Beispiel und ist auch nicht sehr erfolgreich.

Was erwarten Sie von der Nachfolgeorganisation des Stabilitätspakts, dem Rat für Regionale Zusammenarbeit?

Es gibt da einen Begriff, der in diesem Zusammenhang erwähnt wird: "regional ownership". Das heißt, dass die Länder in der Region für sich selber Verantwortung übernehmen. Es ist also ein Rollentausch. Im Moment sind wir über die EU, die internationale Gemeinschaft und Geberländer in vielen Fragen sehr stark präsent in den Ländern der Region. Später müssen aber die Länder das Zepter selber in die Hand nehmen. Aufgabe der internationalen Gemeinschaft und der EU wird es dann sein, ihre Arbeit zu unterstützen, sei es durch Assistenz oder finanziell.

Halten Sie das auch für Bosnien- Herzegowina für realistisch? Das Land wird doch praktisch von Christian Schwarz-Schilling als internationaler Bosnienbeauftragter vertreten. Seine Position wird zum gleichen Zeitpunkt in den Status eines EU-Beobachters umgewandelt. Wie handhabt man das im Fall des Kosovo, was unter der Verwaltung der UN-Mission UNMIK steht?

Sie haben völlig Recht, dass es da unterschiedliche Situationen gibt, aber man kann nicht auf den Letzten warten. Sondern man muss mit dieser regionalen Verantwortung erreichen, dass die Länder lernen, Eigenverantwortung zu übernehmen. Und dort, wo das noch nicht richtig gehandhabt wird, werden wir sie dabei unterstützen, das zu tun. Ich glaube, dass wir nicht – und ich verwende jetzt einen sehr saloppen Ausdruck – auf die Dauer "der Kindergartenonkel" sind, sondern dass der Weg in die Selbstständigkeit führen muss. Aber natürlich mit der entsprechenden Unterstützung.

Das Interview führte Mirjana Dikic
DW-RADIO, 20.10.2006, Fokus Ost-Südost