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Mangelhafte Pflege

31. August 2007

Trotz einiger Fortschritte werden viele Pflegebedürftige in Deutschland immer noch gefährlich schlecht versorgt. Jeder zehnte Heimbewohner ist einem neuen Bericht zufolge in einem "akut unzureichenden Pflegezustand".

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Ein Drittel Heimbewohner wird zu selten umgebettet
Ein Drittel der Heimbewohner wird zu selten umgebettetBild: AP

Angesichts der Missstände in Pflegeheimen und bei den ambulanten Diensten dringt der deutsche Pflegeverband auf grundlegende Reformen. Die Rahmenbedingungen in der Pflege hätten sich verschlechtert, sagte der Präsident des Deutschen Pflegeverbandes, Rolf Höfert, am Freitag im RBB. Es gebe auf der einen Seite seit 1995 gedeckelte Pflegesätze und auf der anderen Seite eine steigende Zahl von Pflegebedürftigen. Pfleger seien an den Grenzen ihrer Möglichkeiten. Die Erhöhung der Pflegebeiträge sei nicht ausreichend. "Die grundlegende Frage ist, was ist uns die Würde, die pflegerische Versorgung der Menschen in Deutschland wert?", fragte Höfert.

Verbesserung auf niedrigem Niveau

Dem aktuellen Prüfbericht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen der Krankenkassen zufolge bekommen 34,4 Prozent der Pflegeheimbewohner und 29,6 Prozent der zu Hause Gepflegten nicht genug zu essen und zu trinken. Rund 35 Prozent der Heimbewohner und 42 Prozent der ambulant Versorgten werden nicht oft genug umgebettet und laufen Gefahr, sich wund zu liegen. Nach dem Bericht, der am Freitag in Berlin vorgestellt wurde, haben die Kontrolleure bei insgesamt zehn Prozent der Hilfsbedürftigen in Heimen und 5,7 Prozent der ambulant Versorgten einen "akut unzureichenden Pflegezustand" festgestellt.

Die Qualität der Pflege hängt nicht vom Geld ab, Quelle: AP
Die Qualität der Pflege hängt nicht vom Geld abBild: AP

Die Experten warnten dennoch davor, die Zahlen zu skandalisieren: Seit dem letzten Bericht 2003 habe sich die Pflege alter und kranker Menschen verbessert - wenn auch auf niedrigem Niveau, wie Vorstandschef Werner Gerdelmann vom Verband der Angestellten-Krankenkassen erläuterte. "Die Pflege hat nach wie vor ein Qualitätsproblem", räumte Gerdelmann ein. Dabei gebe es aber große Unterschiede. Neben guten Pflegeheimen gebe es auch sehr schlechte, in denen die Patienten Gesundheitsgefahren ausgesetzt seien. Erstaunlich: Die teueren Pflegeheime sind keineswegs die besten. Meist lasse sich kein Zusammenhang zwischen Kosten und Qualität feststellen, hieß es.

Teure Heime nicht besser als billige

Die festgestellten Mängel bei Ernährung und Flüssigkeitszufuhr seien in vielen Fällen darauf zurückzuführen, dass Standards wie Gewichtskontrolle oder Kalorienbedarf nicht berücksichtigt wurden. All dies bedeute nicht, dass es einen "Pflegeskandal" gebe. Im Gegenteil: "Die Untersuchung zeigt, dass gute Pflege in Deutschland möglich ist."

Bei allen untersuchten Aspekten habe es in den vergangenen dreieinhalb Jahren Verbesserungen gegeben. "Die Pflegeeinrichtungen haben erkennbare Anstrengungen unternommen", hieß es in dem Bericht. So habe die Quote der "akut unzureichenden Zustände" in Heimen 2003 noch 17,4 Prozent und in der ambulanten Pflege fast neun Prozent betragen.

Mitschuld an den Missständen?

Der Bericht fasst rund 8000 Qualitätsberichte des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen der Jahre 2004 bis 2006 zusammen. Dafür wurden über 40.000 Pflegebedürftige in Heimen und zu Hause untersucht. Allein 2006 kontrollierte der Medizinische Dienst 18,5 Prozent aller Pflegeeinrichtungen. In 56 Prozent der Fälle tauchten die Prüfer unangemeldet in Pflegeheimen auf. Gerdelmann forderte, diese Kontrollen auszubauen und die Prüfberichte ins Internet zu stellen. Außerdem müssten "schwarze Schafe" leichter aus dem Verkehr gezogen werden können.

Der Bund der Pflegeversicherten gab dem Medizinischen Dienst als Kontrolleur der Heime eine Mitschuld an den Missständen. Nötig sei eine bundeseinheitliche Aufsichtsbehörde, sagte der Vorsitzende Gerd Heming im Südwestrundfunk. Die Gewerkschaft ver.di verlangte ein Ende des "Sparwahns" in der Altenpflege. (stu)