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Geiselnahme

Das Interview führte Jens Thurau6. August 2007

Während die Regierung um das Leben der deutschen Geisel in Afghanistan ringt, fürchtet der Staatsminister im Auswärtigen Amt Gernot Erler im Interview, derzeitige Debatten könnten auch Nachfolgetäter ermuntern.

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Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), Quelle: dpa
Sorgt sich um die Wirkung der Afghanistan-Debatte: Gernot ErlerBild: picture-alliance/ ZB

DEUTSCHE WELLE: Herr Staatsminister, wie ist der Stand der Dinge bei den Bemühungen um die Freilassung der deutschen Geisel in Afghanistan?

Gernot Erler: Leider kann ich Ihnen nichts erfreuliches Neues sagen: Die Bemühungen des Krisenstabes in Zusammenarbeit mit den afghanischen Behörden werden fortgesetzt. Wir hoffen auf ein baldiges gutes Ende.

Sie hatten in einem anderen Interview gesagt, dass der Kontakt mit den Geiselnehmern nicht direkt, sondern indirekt laufe. Wie soll man das verstehen?

Es ist seit einiger Zeit bekannt, dass die direkten Kontakte vor allem von der afghanischen Regierung wahrgenommen werden.

Man hatte in den letzten Wochen den Eindruck, als würde die deutsche Regierung ein wenig ihre Linie verlassen. In wieweit ist dieser Eindruck richtig?

Das ist eher eine Reaktion auf die Vorgehensweise der Taliban. Wir beobachten zunehmend, dass hier Versuche gemacht werden, mit regelrechten Desinformations-Kampagnen Einwirkungen auf die Diskussion in den westlichen Ländern zu nehmen, in Bezug auf den Afghanistan-Einsatz eben auch in Deutschland. Darauf musste man reagieren. Man muss zum Beispiel auch Falschmeldungen klarstellen.

In wieweit gibt es denn auch innerhalb der Bundesregierung eine Debatte über den Umgang mit den Entführungen?

Es gibt zwischen dem Kanzleramt und dem Auswärtigen Amt keine Unterschiede in den Auffassungen über die Vorgehensweisen. Wir befinden uns auf einer soliden Basis des Einverständnisses über die richtige Art. Die Irritationen sind dadurch entstanden, dass das Auswärtige Amt und der Außenminister auf diese Desinformations-Versuche seitens der Taliban reagieren mussten.

Inwieweit gibt es eine Debatte innerhalb der Koalition, wie man generell mit den Entführungen und Lösegeldforderungen umzugehen hat?

Diese Debatte in der Öffentlichkeit kann man nicht verhindern. Sie entsteht aber sie hilft uns nicht weiter. Jede Form von Erklärung, wie man das grundsätzlich macht, macht dann unter Umständen Nachfolgetäter erst richtig munter. Deswegen ist klar, dass man hier bei einer Fall-zu-Fall Behandlung bleiben muss. Deswegen beteiligt sich die Bundesregierung auch nicht an dieser öffentlichen Debatte über Lösegeldzahlungen.

Außenminister Steinmeier hat gesagt, dass man sich inzwischen vorstellen könnte, den Einsatz in Afghanistan auszuweiten. Ist das auch eine Reaktion auf den Vorfall in Afghanistan?

Ich finde wichtig, dass wir einen Wechsel in der Ausrichtung unserer öffentlichen Diskussion bekommen. Weg von der Frage, was denn vielleicht konsensfähig ist im deutschen Bundestag, hin zu der Frage: Wie kann man die Mission der westlichen Welt in Afghanistan wirklich zu einem Erfolg führen? Hier gibt es einige Besorgnis erregende Entwicklungen der letzten beiden Jahre. In diesem Kontext kommt man immer wieder darauf, dass es einen Nachholbedarf bei der Ausbildung der afghanischen Armee aber auch der Polizei gibt. Die EU hat schon mit ihrer neuen Polizeiausbildungs-Mission in Afghanistan reagiert. Wir überlegen uns jetzt, ob wir im Rahmen dessen, was machbar ist, nicht auch mehr für die Ausbildung der afghanischen Armee tun können. Das ist dann ein wirklicher Beitrag dazu, die Situation vor Ort zu verbessern, ohne irgendeinen taktischen Hintergedanken.

Man überlegt also, den Einsatz auszuweiten - auch wenn das nicht unbedingt bedeutet, dass dann mehr Kampftruppen entsandt werden, dass aber zumindest mehr Soldaten oder Polizisten in Afghanistan sein werden?

Zunächst einmal geht es um eine Erweiterung des Auftrages. Ob damit auch eine Veränderung der Obergrenzen einhergehen muss, das muss erst noch geprüft werden. Es ist auch denkbar, dass man durch eine andere Aufgabenverteilung mehr für die Ausbildung der afghanischen Armee im Rahmen der jetzigen Obergrenzen macht, aber dazu müssen erst noch abschließende Prüfungen angestellt werden.

Stark war die Debatte, ob die Deutschen auch im Süden des Landes aktiv werden sollen. Nun ist aus einigen Äußerungen herauszulesen: Man kann es sich zumindest vorstellen.

Es ist zumindest denkbar, dass man bei der Klärung der Frage, wie man die Ausbildung wirklich spürbar verbessern kann, solche geografischen Einschränkungen vielleicht als weniger wichtig erachten muss, als bisher. Aber auch das ist noch spekulativ, weil hierzu erst Einzelheiten geklärt werden müssen, auf welche Weise man am wirksamsten Ausbildungsleistungen verstärken kann.