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Ernst Middendorp

8. November 2007

Ernst Middendorp: Ein Mann von Welt. Trainer in Südafrika, Ghana und im Iran. Seit März zum dritten Mal Trainer in Bielefeld. Zuletzt nur zwei Punkte aus den letzen sieben Spielen. Absturz von Platz 2 auf Platz 14.

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Meine Kollegen haben mich ja vor Ihnen gewarnt. Was glauben Sie denn warum?

Ernst Middendorp:

Keine Ahnung. Ich würde da sicherlich etwas vermuten können. Aber, aus meiner Sicht heraus, viel Story viel Boha. Ich muss mittlerweile sagen, ich bewundere das schon, was dann doch einer Person, vielleicht gerade mir, zugedacht wird.

Man macht das ganz gerne, das gehört zum Klischee dazu. Wenn man über Middendorp spricht und über Middendorp diskutiert, ist das gerne gesehen und wird gerne genommen, dann wird das Rezept schön zusammengemischt, dann hat man eben die Torte und die Figur.

Ja gut, ich kann mich dagegen nicht wehren. Ich weiß, wie ich arbeite, und das ist für mich das Entscheidende.

Sie können sich doch dagegen wehren. Sie können doch sagen, wie es wirklich ist…

Ernst Middendorp:

Das hab ich über Jahre versucht, über Jahre versucht… Mich in der Form, dann halt eben verbal. Vergessen Sie es. Sie haben keine Chance.

Das hört sich schon ein bisschen so an, als würde es Sie nerven…

Ernst Middendorp:

Dieses Denken, “being everybodys darling”, “to please everybody”, das ist das Kinderdenken halt eben, wenn Sie das beobachten, Kinder die aufwachsen, die wollen gut mit der Mama, die wollen gut mit dem Papa, die wollen gut mit den Freunden, die wollen überall Freude versprühen und wollen gut zufrieden sein. Das versuchen wir ja irgendwie auch, größer werdend, erwachsen werdend, möglicherweise auch reinzubringen.

Und das ist auch das, wenn sie Trainer sind und werden, dann versuchen Sie das in den Clubs auch immer und irgendwann schlägt das um, dass Sie hinter jedem Busch einen Feind und einen Enemy sehen.

Das sind Dinge, die müssen Sie irgendwann mal für sich bereinigen. Das habe ich vor vielen, vielen Jahren gemacht in meinem Job. Und wenn sie da die Akzeptanz, sich mit den eigenen Fähigkeiten, Möglichkeiten identifiziert haben, dann kommen Sie sehr gut klar.

Ernst Middendorp:

Wir stehen immer vor der Entlassung in diesem Job, speziell wenn man mit einer Mannschaft unterwegs ist, die es jetzt so nicht unbedingt so wahrhaben will, dass sie

eigentlich generell 34 Endspiele hat.

Das ist auch eine klare Gewissheit, die wir haben müssen: Spieler gewinnen Spiele, holen Punkte und Trainer verlieren Spiele und verlieren Punkte, das ist nun mal so.

Als ich das letzte Mal hier war, das war am fünften Spieltag, haben Sie gegen Rostock gewonnen und standen auf dem zweiten Tabellenplatz. Was ist denn in der Zwischenzeit passiert?

Ernst Middendorp:

Na, das ist ganz normal. Wir haben zu dem Zeitpunkt 46 % der Chancen genutzt, das ist außerirdisch, das ist exorbitant, damit kann man normalerweise, wenn man das weiterführt, dann wirst du Deutscher Meister, gleichzeitig Champions League Sieger und in der gleichen Saison auch noch Pokal Sieger.

Dass das natürlich nicht so weitergehen konnte, nach dem Motto: Jeder Schuss ein Treffer, das konnte nicht weitergehen.

Dann sind Spieler ausgefallen. Wir können diese Zahl, diese Qualität von Spielern, in der Zahl schon gar nicht, können wir nicht kompensieren.

Nichtsdestotrotz sind Sie ja hier in Bielefeld ein Held.

Ich glaube kaum jemand in der Welt kennt Bielefeld… Vielleicht können Sie mal erklären, was ist denn Arminia Bielefeld für ein Verein?

Ernst Middendorp:

Bielefeld ist eine sehr…, das ist ja auch so ein bisschen der Slogan, das was da drinsteckt: Leidenschaft, große Träume, Visionen irgendwo, Tradition auf der anderen Seite.

Das sind alles so die Begriffe die man mit Arminia Bielefeld verbindet.

Dahinter steckt ne ganze Menge: Leidenschaft hat sicherlich damit zu tun, dass man viele Leiden ertragen muss in bestimmten Abläufen. Wie vielleicht jetzt gerade kürzlich, aber ab und zu träumt man dann doch und ist auch bereit dafür Leidenschaft an den Tag zu legen. Dann kommt man aber relativ schnell wieder zurück zum Alltag. Und sagt, gut, jetzt ja nicht zu viel, das bricht uns dann doch das Genick. Und das ist Arminia.

Sie haben ja auch noch eine eigene Firma, wo Sie Coaching anbieten und Referate… Haben Sie dafür überhaupt Zeit?

Ernst Middendorp:

Aktuell ist es sicherlich von der Zeit her sehr schwierig. Das, was mir vorschwebt, und ich werde dass dann sicher auch im “next step” einrichten, wenn Mannschaften, Vereine, egal wo in der Welt, ob sie um den Klassenerhalt, ob sie um den Aufstieg (kämpfen) oder wie auch immer, und sie sehen, es hakt im Moment, ein Konzept anzubieten und zu sagen, okay, ich komme für drei Monate, dass ist das Honorar, das ist das Erfolgshonorar, nach Abschluss bei Erreichen der Zielsetzung und fertig und ich bin verschwunden.

Und ich denke, dass das eigentlich Zukunft haben wird, denn Vereine werden heute, na klar,

einen Trainer da für drei Jahre am Arsch zu haben, mit einem Vertrag ausgestattet zu haben und dann darüber nachzudenken, dass das vielleicht vier, fünf Monate doch nicht mehr das Richtige sein sollte, dann können Sie natürlich darüber nachdenken, was das an

finanzielle Belastung für einen Verein bedeutet, weil Sie natürlich auch den anderen noch bezahlen müssen, der dann anschließend kommt.

Und wenn Sie jetzt hier nach Bielefeld kommen würden, jetzt in dieser Situation, mit Ihrer Firma, als sozusagen externer Kurzzeittrainer, könnten Sie da andere Sachen machen, als Sie jetzt machen können?

Ernst Middendorp:

Ja, nun gut, dass ist natürlich in dem Moment, mit Spielern, wo man letztendlich Einschätzungen, Positionen, andere Vorstellungen letztlich Spieler außer Form, und und und, die eigentlich Großes geleistet haben, die man im Moment als neu Hinzukommender ganz anders angeht .

Wenn ich von außen komme, interessiert mich das einen feuchten Scheiß.

Also man kann härter durchgreifen?

Ernst Middendorp:

Ganz andere Möglichkeiten. Man ist völlig unbeeinflusst. Man geht anders in dem Moment an die Sache ran. Das sind Dinge, die man natürlich von der Arbeitshaltung her, die kann man natürlich nur eine gewisse Phasen machen.

Hört sich an wie der globalisierte Kurzzeitfußballtrainer…

Ernst Middendorp:

Haben Sie sehr schön genannt, warum nicht.

Und Trainer eines Vereins als Lebensaufgabe, wie zum Beispiel Thomas Schaaf oder Volker Finke, das ist dann für Sie ein veraltetes Modell, das wäre jetzt nichts für Sie?

Ernst Middendorp:

Nein ich find das hervorragend, ich find das wahnsinnig in Ordnung. Das ist ne Alternative, das ist die andere Option.

Aber das sind Ausnahmen, das sind Oasen für das Trainerleben, die wir aber in der Welt nicht haben. Drei Jahre bei einem Club tätig zu sein, huh, das ist schon wie eine Ewigkeit.