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Bank für Muslime

6. Dezember 2011

In Mannheim arbeitet das bundesweit erste Geldhaus nach dem Wertekanon des Islams. Die "Kuveyt Türk" verzichtet auf Zinsen und legt Wert auf den Bezug zur Realwirtschaft und ethisch vertretbare Geschäfte.

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Mitarbeiter vor "kuveyt Türk" Bank Copyrightangabe: © Kuveyt Türk
Bild: Kuveyt Türk Beteiligungsbank

Zinsen sind verboten, Spekulationen ein Tabu. Im Unterschied zum konventionellen Bankgeschäft richtet sich Deutschlands erste Bank für Muslime nach den Regeln des Islams. Dieses Konzept wird als "Islamic Banking" bezeichnet und ist in islamisch geprägten Ländern weit verbreitet. Danach ist es verboten, Zinsen einzunehmen oder zu bezahlen, weil das Geschäftsrisiko dadurch einseitig verteilt ist.

Wenn jemand für seinen neuen Imbiss einen konventionellen Kredit aufnimmt, trägt er das Geschäftsrisiko alleine: Kommen zu wenig Kunden und er macht Verluste, muss er der Bank nebst Tilgung des Darlehns auch die Zinsen dafür bezahlen. Während die Bank trotz des schlecht laufenden Imbisses durch die Zinsen Gewinne macht, trägt der Geschäftsinhaber die Verluste alleine. Das ist im Islam nicht gewollt. Geldgeschäfte verlangen hier eine gerechte Verteilung des Risikos.

Alkohol und Waffen sind tabu

Die Mannheimer "Kuveyt Türk" macht ihre Geschäfte nicht mit Zinsen, sondern über Beteiligungsfinanzierungen an Unternehmen. Macht das Unternehmen Gewinne oder Verluste, beteiligt sich die Bank auch an den Verlusten. Bestimmte Branchen jedoch sind ausgeschlossen: "An Geschäften, die mit Alkohol, Schweinefleisch, Pornographie oder der Rüstungsindustrie verbunden sind, beteiligen wir uns nicht", sagt Ugurlu Soylu, Geschäftsführer des Mannheimer Geldhauses. Das sei nach den Regeln des Korans und der Sunna verboten. Grundsätzlich dürften keine Geschäfte mit Gemeinwohl schädigendem Charakter getätigt werden.

Mitarbeiterbesprechung bei "Kuveyt Türk" Copyrightangabe: © Kuveyt Türk
Mitarbeiterbesprechung bei "Kuveyt Türk"Bild: Kuveyt Türk Beteiligungsbank

Ein weiteres Kriterium, das das "Islamic Banking" von herkömmlichen Bankgeschäften unterscheidet, ist der Bezug zur Realwirtschaft. Anleger, die sich nach den islamischen Regeln richten wollen, müssen in ein reales Produkt oder Unternehmen investieren. Jeder Zahlungsstrom muss in Bezug zu einem tatsächlichen Gut stehen. "Das hat volkswirtschaftlich die Bedeutung, dass der Kreditsektor im Einklang mit dem Realsektor wächst. Dadurch entstehen keine Kreditblasen", sagt der Banker.

Begrenzte Banklizenz

Doch das Angebot an Anlagemöglichkeiten bei Deutschlands erster islamischer Bank ist begrenzt: Interessierte Investoren können über die "Kuveyt Türk" in Mannheim eine Einlage tätigen, die dann über die Istanbuler Zentrale in türkische Unternehmensbeteiligungen fließt. Somit ist eine Investition in Deutschland ausgeschlossen. Das liegt daran, dass die islamische Beteiligungsbank derzeit noch eine begrenzte Banklizenz hat, eine so genannte Lizenz für die Drittstaateneinlagenvermittlung. "Um unseren Kunden ein breiteres Angebot zu ermöglichen, möchten wir jetzt eine Vollbanklizenz in Angriff nehmen", verrät Ugurlu Soylu.

Für Bankkunden, die Kredite benötigen, bietet das Mannheimer Haus zwei Möglichkeiten: Entweder es finanziert ein konkretes Geschäft - wie etwa einen Supermarkt - über eine Beteiligungsfinanzierung, das heißt mit Teilhabe sowohl an Gewinn als auch Verlust. Oder - im Falle einer Immobilienfinanzierung - kauft die Bank das gewünschte Haus und verkauft es dann zuzüglich eines Gewinnaufschlags dem Verbraucher wieder. Der Kaufpreis kann dann in Raten bezahlt werden.

Leila Momen, Expertin für Islamic Banking Foto: Ulrike Hummel
Leila Momen, Expertin für Islamic BankingBild: Ulrike Hummel

Soweit die Theorie. In der Praxis gibt es jedoch erhebliche Schwierigkeiten. "Wenn man für eine islamische Finanzierung, die sich als doppeltes Kauf- oder Verkaufsgeschäft gestaltet, die Grunderwerbssteuer zweimal bezahlen muss, dann ist das eine erheblich teurere Finanzierung", sagt Leila Momen, Steuerberaterin bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft "Ernst & Young". Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen sei eine islamkonforme Immobilienfinanzierung nicht umsetzbar“.

Eine weitere Verteuerung ergäbe sich dadurch, dass beim Gewinnaufschlag seitens der Bank zusätzlich Mehrwertsteuer zu entrichten wäre. Für den Verbraucher, der sich zum Beispiel seine Küche islamkonform finanzieren lassen möchte, wäre das eine recht teure Angelegenheit. Das Interesse dürfte sich diesbezüglich also in Grenzen halten.

Ethisches Bankwesen als Chance

Johannes Engels, Referent für Internationales bei der BaFin. Foto: Ulrike Hummel
Johannes Engels, Referent für Internationales bei der BaFin.Bild: Ulrike Hummel

Die Rahmenbedingungen für die Etablierung des "Islamic Banking" sind - im Gegensatz zu Großbritannien oder Frankreich - in Deutschland noch nicht gegeben. Dennoch: seitens der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ( BaFin) sieht man den Entwicklungen eines ethischen Bankwesens mit Wohlwollen entgegen. "Die BaFin beschäftigt sich intensiv mit dem 'Islamic Banking'. Das Thema ist uns sehr wichtig, zumal darin auch ein gewisses Antwortpotenzial auf die Finanzkrise liegen könnte", sagt Johannes Engels, Referent für Internationales bei der BaFin. Im kommenden Jahr wird es bei der Bundesbehörde eine Konferenz zum "Islamic Banking" geben.

Denn das derzeitige Finanzsystem, das die Welt fast an den Rand des Abgrunds brachte, stößt spätestens seit Beginn der Krisen im Jahr 2008 an seine Grenzen. Dass die Abkoppelung von der Realwirtschaft ein ganzes System ins Wanken bringen kann, regt auch Nicht-Muslime zum Nachdenken an. Junge Leute mit kapitalismuskritischer Haltung seien, ebenso wie Pensionäre, an Giro-Konten bei der "Kuveyt Türk" interessiert, sagt Urgulu Soylu und geht davon aus, künftig auch viele Nicht-Muslime als Kunden zu gewinnen.

Autorin: Ulrike Hummel
Redaktion: Christina Beyert