1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Ernsthafte Krise für Präsident Obrador

19. Juni 2019

López Obradors Regierungsstil stößt an erste Grenzen. Das mit den USA ausgehandelte Migrationsabkommen führt in den eigenen Reihen zu deutlicher Kritik und bringt ihm einen Verlust an Popularität ein.

https://p.dw.com/p/3Kdh7
Mexiko-Stadt: Mexikos Präsident Andres Manuel Lopez Obrador im National Palace
Bild: Reuters/H. Romeo

Kritik aus den eigenen Reihen, Rücktritte, außenpolitischer Autonomieverlust und innenpolitische Popularitätseinbußen: Die erste ernsthafte Krise für Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador. Anfang Juni hatte Obrador einer Vereinbarung mit den USA zugestimmt, die vorsieht, Maßnahmen gegen illegale Migration zu ergreifen, um drohende Strafzölle abzuwenden. 

"Er hat US-Präsident Donald Trump einen Propagandasieg geschenkt. Trump kann jetzt mit Fug und Recht seinen Wählern erzählen, er habe Mexiko niedergerungen und in eine Mauer gegen Migranten verwandelt", sagt Max Kaiser, Politologe und Gründer des Zentrums für Wirtschaftsethik und Integrität (CIEN) der DW. Es sei nicht einfach, mit Trump zu verhandeln, der sich nicht mal an seine eigenen Regeln halte, räumt der Experte ein. Dennoch hätte Mexiko ihm zufolge anders auftreten können, statt von vorneherein die angedrohten Strafzölle panisch für bare Münze zu nehmen. Zumal nicht einmal die Republikaner Trump in diesem Zoll-Kreuzzug begleiten wollten und ein 5-Prozent-Zolltarif nach Auffassung der meisten Wirtschaftsexperten zu verkraften gewesen wäre.

Schwachstelle Wirtschaft

"Mexikos Konjunktur kränkelt, das ist López Obradors Schwachstelle, und Trumps Team hat das messerscharf erkannt und ausgenutzt", so Kaiser. Die Konjunktur hat sich angesichts der nationalen und internationalen Ungewissheit deutlich abgekühlt; Wirtschaftsexperten gehen für 2019 von einem Wachstum von höchstens 1 Prozent aus. Vom Einlenken Mexikos erwartet Kaiser jedoch keinerlei Entspannung: "Trump hat nun das Heft in der Hand und wird darauf genüsslich herumreiten bis zu den US-Wahlen." 

Das Abkommen sieht vor, dass die USA innerhalb von 45 Tagen überprüfen, ob Mexiko genug tut, um die Migration zu bekämpfen, und behält sich andernfalls Sanktionen vor. Rubén Aguilar von der politischen Beraterfirma Afan spricht deshalb von einem "historischen Rückschritt": "Mexikos Diplomatie lehnte bislang gegenüber den USA stets ab, Wirtschaft, Sicherheit und Migration im Paket zu verhandeln", sagt Aguilar. "Durch den Pakt erreichen die USA, worauf sie vor über einem halben Jahrhundert verzichtet haben - nämlich über außenpolitische Abkommen direkt Einfluss zu nehmen auf Mexikos Innenpolitik."

Gewinner des Streits sind Aguilar zufolge die Unternehmer, für deren Waren die Grenzen offen bleiben. Mexiko schickt 80 Prozent seiner Exporte in die USA. Doch selbst das könnte sich als kurzfristiger Scheinsieg erweisen, wie der aktuelle Zwist um mexikanische Tomaten verdeutlicht. Die US-Grenzschützer wollen fortan 100 Prozent der Fracht kontrollieren - was mexikanischen Exporteuren zufolge zu tagelangen Warteschlangen führen würde.

Heftige Kritik und Reaktionen

Der Pakt, in dem sich Mexiko verpflichtet, Asylsteller für die Dauer des Verfahrens zu beherbergen und seine Südgrenze zu militarisieren, löste innenpolitisch ein Erdbeben aus. Nach seinem Bekanntwerden trat der Leiter der Migrationsbehörde, der Universitätsprofessor Tonatiuh Guillén zurück. Außenminister Marcelo Ebrard, der das Abkommen ausgehandelt hatte, wurde im Parlament in die Zange genommen - auch von Parteigenossen aus den Reihen der linksgerichteten Regierungspartei Morena (Bewegung der Nationalen Erneuerung). Die Nationalgarde sei nicht dazu da, Migranten zu jagen, sondern um sich um die innere Sicherheit zu kümmern, erinnerte Parlamentspräsident Porfirio Muñoz Ledo. Gleichzeitig verwies er den Außenminister in seine Schranken. Er habe innenpolitische Funktionen an sich gerissen, das sei unangemessen. "Wenn die USA von uns verlangen, den Migrantenstrom an der Südgrenze einzudämmen, warum verlangen wir von ihnen nicht, dass sie den Waffenhandel an der Nordgrenze stoppen?" wollte die Senatorin des linken Koalitionspartners der Arbeitspartei, Nancy de la Sierra, von Ebrard wissen.

Immer noch hohe Popularität

Von einer Rebellion ist die Regierungspartei Morena Aguilar zufolge jedoch noch entfernt. "Morena ist keine strukturierte Partei, sondern eine Bewegung, die von López Obrador vertikal kontrolliert wird, und jeder Abweichler muss damit rechnen, als Verräter ausgestoßen zu werden", so Aguilar. Die Krise um die Strafzölle hat den beiden Analysten zufolge aber interne Schwächen der Regierung offengelegt. Es gäbe kein Kabinett und keine klare Strategie. López Obrador misstraue Fachleuten und entscheide alleine, beraten von Freunden und Familie. Gradmesser des Erfolgs seien soziale Netzwerke und Umfragen.

Die haben bereits den ersten Warnschuss abgegeben. Zwar ist seine Popularität laut der jüngsten Umfrage der Zeitung "El Universal" mit 72 Prozent weiter hoch - aber um sieben Punkte niedriger als noch im März. Kaiser zufolge spiegeln die Umfragen eher eine hoffnungsvolle Erwartung wieder als eine Realität. "Weder in der Sicherheit noch in der Wirtschaftspolitik hat die Regierung bislang Erfolge vorzuweisen. Hinzu kommen Fehlentscheidungen bei der Infrastruktur, etwa der Streit um den Flughafen, die Krise im Gesundheitssystem und die Rücknahme der populären Bildungsreform", sagt er. Bislang messen die Mexikaner ihren Präsidenten aber an etwas anderem: 60 Prozent schätzt seinen Kampf gegen die Korruption, jeder fünfte lobt die Sozialprogramme als großen Erfolg.