1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Erste freie Wahl in chinesischem Fischerdorf

3. März 2012

Die Abstimmung hat Symbolkraft. Nach hartnäckigen Protesten in dem chinesischen Fischerdorf Wukan setzten die Bewohner durch, dass sie ihr Dorfkomittee erstmals frei und geheim wählen dürfen. Macht das Experiment Schule?

https://p.dw.com/p/14Ebp
Viele Dorfbewohner sind zur Abstimmung in eine Schule gekommen (Foto: AP)
Viele Dorfbewohner sind zur Abstimmung in eine Schule gekommenBild: dapd

Der Vorgang ist für die Volksrepublik China außergewöhnlich. In einer freien Kommunalwahl konnten die Einwohner des Fischerdorfs Wukan im Süden Chinas die sieben Mitglieder ihres Dorfkomitees selbst bestimmen. Bisher wurden ihnen die Kandidaten von der Kommunistischen Partei vorgesetzt.

In gehobener Stimmung angesichts der ungewohnten Demokratieübung beteiligten sich viele Bürger an der Abstimmung. Die Beteiligung wird auf 80 Prozent geschätzt. Mütter mit Kindern in den Armen strömten ebenso in die Wahllokale wie ältere Dorfbewohner. "Sie ermöglichen uns eine demokratische Wahl, ich bin so glücklich", sagte ein Einwohner.

Wortführer des Protests gewählt

Mit großer Mehrheit wurde Lin Zuluan zum neuen Dorfvorsteher gewählt. Mit einer so hohen Zustimmung werde er "doppelt so hart wie bisher" für die Dorfbewohner arbeiten, sagte er nach der Abstimmung. Lin Zuluan gilt als einer der wichtigsten Organisatoren des erfolgreichen Bürgerprotests in Wukan. Nach dem überraschenden Einlenken der Provinzbehörden wurde er Mitte Januar zum neuen Vorsitzenden des dörflichen Parteikomitees ernannt. Der 67-Jährige spielte eine führende Rolle in den Verhandlungen zwischen Bewohnern und Provinzführern, die den Konflikt entschärften.

Lin Zuluan lächelt nach seinem Wahlsieg (Foto: AP)
Der Wahlsieger kann zufrieden seinBild: dapd

Die Ortschaft in der Provinz Guangdong war Ende 2011 weltbekannt geworden, als dort tausende Menschen tagelang gegen die örtlichen Behörden protestierten, denen sie Korruption und den illegalen Verkauf von Gemeindeland vorwarfen. Die Bewohner verjagten Polizisten und Beamte und bildeten selbst ein vorläufiges Verwaltungskomitee.

Massenproteste gegen Zwangsenteignung

Die Spannungen verschärften sich, nachdem ein Verhandlungsführer im Dezember in Polizeihaft zu Tode gekommen war. Die Dorfbewohner blockierten den Zugang zum Ort, die Polizei errichtete Kontrollposten an den Zufahrtsstraßen. Die Provinzregierung von Guangdong lenkte erst ein, als die Proteste weltweit Schlagzeilen machten. Das umstrittene Bauprojekt, das die Unruhen ausgelöst hatte, wurde auf Eis gelegt.

Die Parteiführung der wirtschaftlichen Boomprovinz schaltete sich vermittelnd ein und leitete eine Untersuchung ein. Das bisherige Dorfkomitee und der Parteichef wurden abgesetzt. Gegen ihn wird wegen Korruption ermittelt. Angesichts der boomenden Wirtschaft steigen vor allem im Süden Chinas die Bodenpreise. Streit um Bauland für Industrie- und Wohngebiete ist inzwischen eine der häufigsten Ursachen für Auseinandersetzungen zwischen Bevölkerung und Behörden.

China: Fischerdorf erprobt Demokratie

Ein Experiment in Demokratie?

Mitte Februar wählten die Bewohner von Wukan dann mehr als 100 Vertreter, die später 21 Kandidaten für das siebenköpfige Dorfkomitee vorschlugen, aus denen nun ausgewählt werden konnte. Über die erste Wahl berichtete auch die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua, was als Zeichen gewertet wurde, dass die Demokratieübung die Zustimmung der Behörden hatte.

In China wird die Regierung nicht vom Volk gewählt, sondern von der Spitze der Kommunistischen Partei bestimmt. Auf Gemeindeebene sind jedoch Wahlen möglich, allerdings unterstehen die Gemeinderäte letztlich der Kommunistischen Partei. In Wukan gab es nach Angaben von Dorfbewohnern bislang nie freie Wahlen, das Dorfkomitee wurde hinter verschlossenen Türen ernannt.

kle/pg (afp, rtr, dpa)