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Erste Geldstrafen für Nikab-Trägerinnen

22. September 2011

Ein halbes Jahr seit Inkrafttreten des französischen Burka-Verbots sinkt die Zahl der vollverschleierten Frauen in der Öffentlichkeit. In einem ersten Gerichtsverfahren wurden zwei Frauen zu Geldstrafen verurteilt.

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Frau mit Nikab (Foto: dpa)
Vollverschleierte Frauen sind in Frankreich unerwünschtBild: dpa

Durch die Gitter des Gesichtsschleiers einer Burka verschwimmt die Welt zu undeutlichen Schemen, so als wüte vor den Augen ein schwarzer Schneesturm. In Frankreich verbergen nach Angaben des Innenministeriums schätzungsweise etwa 2000 Frauen ihr Gesicht hinter dem Gitterschleier der Burka oder hinter dem Nikab (Gesichtschleier mit einem schmalen Schlitz für die Augen). Seit April ist es in Frankreich verboten, sich in der Öffentlichkeit voll zu verschleiern. Seitdem wurden Dutzende Frauen von der Polizei angehalten. Bislang verzichteten die Behörden aber auf Bußgelder und Geldstrafen. Das hat sich nun geändert: Am Donnerstag (22.09.2011) verhängte ein französisches Gericht zum ersten Mal Geldstrafen gegen verschleierte Frauen. Die zwei Frauen wurden im Pariser Vorort Meaux zu Geldstrafe von 120 bzw. von 80 Euro verurteilt.

Das Gesetz sieht Strafen von bis zu 150 Euro vor. Alternativ oder zusätzlich können Frauen zu einem Kurs in Staatsbürgerkunde verpflichtet werden. Diesen müssen die beiden Frauen nicht belegen. Wer andere zum Tragen der Burka nötigt, kann mit einem Jahr Haft und bis zu 30.000 Euro Bußgeld bestraft werden. Das Gesetz gilt auch für ausländische Frauen, die in Frankreich Urlaub machen. Noch ist unklar, welcher wirtschaftliche Verlust entstehen könnte, sollten reiche, vollverschleierte Frauen, etwa aus Saudi Arabien oder den Emiraten, ihren Urlaub lieber woanders verbringen.

Weniger völlig verschleierte Frauen

Die zwei Frauen waren im Mai vollverschleiert bei einem konservativen Politiker erschienen, um ihm provokativ einen Geburtstagskuchen zu überreichen. Der Anwalt der Frauen, Gilles Devers, sagte, er werde das Urteil anfechten. Eine seiner Mandantinnen hatte schon im Vorfeld erklärt, sie werde notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen, um gegen das Urteil zu kämpfen. "Das eigentliche Problem sind nicht die Geldstrafen. Das Problem ist vielmehr, dass diese Frauen gewissermaßen unter Hausarrest stehen", sagte Devers nach dem Urteil.

Frau mit Nikab im Schuhgeschäft (Foto: DW)
Muslimische Frau in Paris verbirgt ihr Gesicht unter einem Nikab (Schleier mit Augenschlitz)Bild: DW

Die Zahl der Burkaträgerinnen ist laut Medienberichten in der Öffentlichkeit seit Inkrafttreten des Gesetzes zurückgegangen. Die französische Zeitung "La Croix" mutmaßte am Donnerstag, dass vollverschleierte Frauen zu Hause blieben: Denn seit Inkrafttreten des Gesetzes seien diese in der Öffentlichkeit häufiger beleidigt oder sogar angegriffen worden. Befürworter des Verbots glaubten hingegen, Frauen hätten mit dem Gesetz die Möglichkeit, sich gegen Männer zu verteidigen, die sie zum Burkatragen zwingen wollen.

Burkaträgerin will bei Präsidentschaftswahlen antreten

Eine völlig verschleierte Frau zumindest hat keine Angst, weiter in der Öffentlichkeit das Verbot zu brechen: Die 32-jährige Kenza Drider sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP, sie wolle bei den Präsidentenwahlen 2012 antreten – mit Gesichtsschleier. Sie wolle ihre Kandidatur in Meaux bekanntgeben. Der Pariser Vorort wird von dem konservativen Politiker Jean-Francois Cope regiert, der maßgeblich am Burka-Verbot mitgearbeitet hat.

Rechtspopulist Geert Wilders (Foto: dpa)
Geert Wilders will in den Niederlanden die Burka verbietenBild: picture-alliance/ dpa

Im Ausland dürfte das Verfahren genau beobachtet werden: Auch in Deutschland gibt es immer wieder Forderungen nach einem Verbot von Ganzkörperschleiern. In den Niederlanden hat der Vorsitzende der islamfeindlichen Freiheitspartei PVV Geert Wilders ein Burka-Verbot bei den Koalitionsverhandlungen Ende 2010 durchgesetzt. Mitte September beschloss die niederländische Regierung das Gesetz: In Bildungseinrichtungen, Krankenhäusern, öffentlichen Gebäuden und Transportmitteln sollen Kleidungsstücke, die das Gesicht verdecken verboten werden.

Das Innenministerium erklärte, die Bedeckung des Gesichts sei "grundsätzlich unvereinbar" mit dem Grundsatz, dass alle Menschen gleichermaßen erkennbar sein müssten. Zudem verstoße der Vollschleier gegen die Gleichberechtigung, da nur Frauen diese Art Kleidung tragen würden. Der Entwurf wird nun dem obersten Verwaltungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Ob in Zukunft auch in den Niederlanden vollverschleierte Frauen von der Straße verschwinden, bleibt abzuwarten.

Autorin: Naomi Conrad (afp, ap, dpa, kna)
Redaktion: Martin Schader