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Kita Jüdisch-christlich Osnabrück

16. November 2011

Kinder sollen Religion spielerisch erfahren, so das Ziel einer jüdischen und einer christlichen Gemeinde in Osnabrück. Sie gründeten eine jüdisch-christliche Kindertagesstätte

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Jüdisch-Christliche Kita Foto: Christina Beyert, 28.10.2011, Jüdisch-Christliche Kita
Bild: DW

Freitagmittag, Sabbat in der Kita König David in Osnabrück. Der fünfjährige Joel trägt eine Kippa, die religiöse Kopfbedeckung für männliche Juden und spricht den Segen zum Brotbrechen. Auf einem großen Tisch befinden sich der traditionelle Kerzenleuchter, das zopfartig geflochtene Sabbatbrot und ein Becher mit Traubensaft, der als Ersatz für den Wein dient. Die jüdische Erzieherin Tatjana Linet erklärt den drei- bis fünfjährigen Kindern das wichtige Glaubensritual der Juden. Heute sind acht Kinder dabei, darunter zwei nicht jüdischen Glaubens. Sie alle sollen so diese Religion spielerisch kennenlernen. "Dabei stehen vor allem die jüdischen Alltagsbräuche im Vordergrund. Dazu zählen Segenssprüche vor dem Essen genauso wie nach den religiösen Regeln zubereitetes koscheres Essen", sagt die Erzieherin Tatjana Linet. Für die jüdisch geprägte Religionspädagogik entwickelten die zwei jüdischen Erzieherinnen und die katholische Leiterin in Abstimmung mit dem Seelsorgeamt und der jüdischen Gemeinde das Konzept.

Gute Zusammenarbeit

Sabbatfeier in der Kita König David Foto: Christina Beyert, 28.1o.2011, Jüdisch-Christliche Kita
Sabbatfeier in der Kita König DavidBild: DW

Die Kita "König David" ist durch die Kooperation der Jüdischen Gemeinde mit dem Bistum Osnabrück entstanden. Hier besteht schon länger eine enge Zusammenarbeit. So hat die Jüdische Gemeinde Räume des Bistums genutzt, während die Synagoge saniert wurde.

Die jüdische Gemeinde in Osnabrück ist in den vergangenen Jahren durch Zuzüge osteuropäischer Juden auf rund 1.000 Mitglieder angewachsen. Aus eigenen Mitteln konnte die Gemeinde keine eigene Kindertagesstätte unterhalten. Das Bistum stellte Räume zur Verfügung und die Eltern zahlen lediglich die monatlichen Beiträge. In vielen Gesprächen entwickelte man ein Konzept, das sowohl die religiösen Vorstellungen der jüdischen Gemeinde, als auch die allgemeinen Anforderungen an einen Kindergartenträger berücksichtigten. Wichtig war es dabei auch, dass die Kinder, die meist aus osteuropäischen Ländern kommen, in der Kita auch ihre deutschen Sprachkenntnisse gezielt erweitern.

Die katholische Kindertagesstätte St. Barbara grenzt direkt an die Kita König David. So kann der Außenbereich gemeinsam genutzt werden. In der Kita König David sind zunächst nur wenige nicht christliche Kinder. Aber auch für die Kleinen jüdischen Glaubens ist es sehr wichtig ihre Wurzeln kennenzulernen. Denn die meisten Mitglieder der Jüdischen Gemeinde stammen aus der ehemaligen Sowjetunion. Und dort war die Ausübung der Religion eingeschränkt, oder sogar verboten, sagt Michael Grünberg, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Osnabrück.

Erweiterung geplant

Michael Grünberg, Vorsitzender Jüdische Gemeinde, Osnabrück. Foto: Christina Beyert, 28.10.2011, Jüdisch-Christliche Kita
Michael Grünberg, Vorsitzender Jüdischer Gemeinde OsnabrückBild: DW

Seit der Eröffnung der Kita im Sommer dieses Jahres befinden sich insgesamt 12 Kinder in der Obhut der beiden jüdischen Erzieherinnen und der katholischen Leiterin. Die zwei bis fünf Jährigen sind zunächst noch in einem Container untergebracht. Im Frühjahr 2013 soll ein neues Gebäude auf dem jetzigen Gelände errichtet werden und weit mehr Kindern Plätze bieten. Die Wartelisten für die Kindertagesstätte sind voll. Auch viele Anträge von nichtjüdische Eltern sind darunter. Einige Eltern wollen sogar zum Judentum übertreten. Da dies nicht so einfach ist, wollen die Eltern, dass ihre Kinder schon möglichst früh diese Religion kennenlernen, erklärt Tatjanna Tschernyewsci, die Mutter des kleinen Rafaels. Auch die christlichen Kinder in der benachbarten Kita können einiges dazulernen. Vor allem beim Spielen draußen kommt es zu den ersten gegenseitigen Kontakten. "Da wird gefragt, warum trägst du die Kippa, oder warum haben die Jungs bei euch lange Haare." erzählt Tatjanne Tschernyewsci weiter.

Neues Projekt

Tatjana Tschernyewsci mit Sohn Rafael. Foto: Christina Beyert, 28.10.2011, Jüdisch-Christliche Kita
Tatjana Tschernyewsci mit Sohn RafaelBild: DW

Carsten Lehmann, der Diakon der Domgemeinde St. Petrus in Osnabrück, zu der auch St. Barbara gehört, ist schon immer offen gewesen für interreligiöse Projekte. Er hat das Projekt mit initiiert und beschäftigt sich selbst intensiv mit dem Judentum. Ihm ist aufgefallen, dass viele Menschen in Osnabrück nur wenig über den jüdischen Glauben wissen. Deshalb versucht Lehmann auch auf Veranstaltungen immer wieder seine Gemeindemitglieder zu motivieren, sich mit dieser Religion zu beschäftigen. Er selbst blickt bereits in die Zukunft der Kindergartenkinder.

Carsten Lehmann, Diakon der Domgemeinde St. Petrus, Osnabrück DW/ Beyert, am 28. 10.2011
Carsten Lehmann, DiakonBild: DW

Ein weiteres interreligiöses Projekt ist bis spätestens 2013 geplant, eine trialogische Grundschule, wo christliche, jüdische und muslimische Kinder gemeinsam unterrichtet werden sollen. "Ich glaube, sagt Carsten Lehmann, dass viele Kinder aus der König David Kita, dann auch ohne Probleme direkt in die trialogische Grundschule wechseln können."

Jetzt stehen zunächst einmal große religiöse Feste für die Anhänger beider Religionen vor der Tür. Im Dezember werden die Kinder von der König David Kita und von St. Barbara die Adventszeit, das jüdische Lichterfest Chanukka und das christliche Weihnachtsfest gemeinsam feiern.

Autor: Christina Beyert
Redaktion: Klaus Krämer