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Es droht eine verlorene Generation

Sabine Kinkartz10. August 2013

Mehr als 100.000 Tote, rund vier Millionen Flüchtlinge im Land und 1,8 Millionen außerhalb Syriens - das ist die bisherige Bilanz eines Bürgerkriegs, der sich seit zwei Jahren hinzieht. Am schlimmsten trifft es Kinder.

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Ein Junge vor einem Zelt in einem syrischen Flüchtlingslager im Libanon - Foto: World Vision Deutschland
Bild: World Vision Deutschland.

Die Betroffenheit ist Conny Lenneberg anzumerken. Normalerweise, so sagt die beim Kinderhilfswerk World Vision für den Nahen und Mittleren Osten zuständige Regionaldirektorin, könne man sich darauf verlassen, dass die Menschen Mitgefühl zeigen und spenden würden, wenn in den Medien ausführlich über eine humanitäre Katastrophe berichtet werde. Beim syrischen Bürgerkrieg sei das anders. "Das ist jeden Abend im Fernsehen zu sehen, aber es entwickelt sich offenbar nicht genug Mitgefühl mit dem Elend und Leiden der Kinder und das ist für uns eine sehr große Tragödie."

Gestrandet: syrische Flüchtlinge in Jordanien

Mehr als 1,5 Millionen Euro hat World Vision Deutschland seit Beginn der Krise zur Verfügung gestellt, weitere Projekte im Wert von knapp 700.000 Euro sind in der Planung. Die Mehrheit der Mittel sind in den Libanon geflossen, wo die meisten der syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge leben. Das Land mit gerade einmal vier Millionen Einwohnern auf einer Fläche halb so groß wie das deutsche Bundesland Hessen, hat inzwischen mehr als eine Million Syrer aufgenommen. Die Mehrzahl davon sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Sie leben in behelfsmäßig eingerichteten Lagern in zeltähnlichen Behausungen unter zum Teil katastrophalen Verhältnissen.

Notschulen für Flüchtlingskinder

World Vision kümmert sich in erster Linie um die humanitäre Grundversorgung. So wurden mithilfe des deutschen Auswärtigen Amtes in einem Flüchtlingslager im Bekaa-Tal Latrinen und eine Wasserversorgung installiert. Außerdem werden Lebensmittelgutscheine verteilt.

Das Hilfswerk kümmert sich zudem um die schulische Bildung für die Flüchtlingskinder. "Die Herausforderung besteht darin, dass die syrischen Kinder meist nur Arabisch sprechen, die Kinder im Libanon aber weitestgehend in Englisch oder Französisch unterrichtet werden", sagt der Vorstandsvorsitzende von World Vision Deutschland, Christoph Waffenschmidt. Das Kinderhilfswerk nutzt derzeit die libanesischen Sommerferien, um in den leer stehenden Schulen Flüchtlingskinder von Lehrern unterrichten zu lassen, die selbst aus Syrien geflohen sind.

Bildungskrise ist absehbar

Eine reguläre Grundschule im Libanon besuchen lediglich 38 Prozent der Flüchtlingskinder. Nur zwei Prozent gehen auf eine Oberschule. Zu traumatischen Erlebnissen im Krieg komme eine Bildungskrise hinzu, warnt Waffenschmidt. Viele aus ihrer Heimat geflohene Kinder und Jugendliche empfänden ihr Leben als perspektivlos. "Auch nach einem sofortigen Ende des Bürgerkriegs wird Syrien noch lange unter den Folgen zu leiden haben."

Um den Flüchtlingskindern besser helfen zu können, fordert World Vision mehr Hilfe von staatlicher Seite, aber auch vonseiten der Zivilgesellschaft. Deutschland tue schon sehr viel, aber die Hilfe müsse ausgebaut werden. Denn es sind nicht nur die Flüchtlingskinder, denen geholfen werden muss. "Mit großer Sorge verfolgen wir die angespannte Situation im Libanon", warnt Christoph Waffenschmidt. Einige Orte hätten aufgrund der vielen Flüchtlinge inzwischen doppelt so viele Einwohner wie im vergangenen Jahr.

Christoph Waffenschmidt, Vorstandsvorsitzender von World Vision Deutschland, bei einem Besuch in einer Zeltsiedlung für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge im Libanon - Foto: World Vision Deutschland.
Helfer vor Ort: Christoph Waffenschmidt in einem Flüchtlingslager im LibanonBild: World Vision Deutschland

Der daraus resultierende Druck auf das Gesundheitssystem, die Schuldbildung und die Energieversorgung sei enorm und jeder Libanese spüre das. "Eine Mutter wartet nun wesentlich länger auf einen dringenden Arzttermin für ihre kleine Tochter, die Jugendlichen können auf ihrem Bolzplatz nicht mehr Fußball spielen, weil er als Lager für syrische Flüchtlinge gebraucht wird."

Mehr Geld wird gebraucht

Zugleich müssten die syrischen Flüchtlinge Geld aufbringen - was sie oft nicht hätten - um ihre kleine Unterkunft zu bezahlen oder den Ackerboden, auf dem ihr Zelt steht. Oft seien sie bereit, Jobs zu niedrigen Löhnen anzunehmen, um überhaupt ein Einkommen zu erzielen. "Dies wiederum löst eine Spirale aus, die die Löhne im Land insgesamt nach unten ziehen", so Waffenschmidt.

Das Kinderhilfswerk fordert die internationale Gemeinschaft auf, Syrien und die Nachbarländer nicht im Stich zu lassen. Besonders dringliche Maßnahmen für die Flüchtlingskinder seien eine lückenlose schulische Betreuung in arabischer Sprache und die Einrichtung von Schutzräumen, in der die Kinder vor Gewalt und Ausnutzung sicher seien. Zudem müssten Beratungsstellen für die Behandlung von erlittenen Traumata eingerichtet werden.