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"Grundstein für eine andere Welt"

Carolina Chimoy | Charlotta Lomas | Gero Rueter
4. November 2016

Der Pariser Klimavertrag ist mit dem 4. November in Kraft getreten. Er legt den Grundstein für den Aufbruch "in eine andere Welt", erklärt UN-Klimasekretärin Patricia Espinosa im DW-Interview.

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Marokko UN-Klimasekretärin Patricia Espinosa
Bild: Getty Images/AFP/F. Senna

Deutsche Welle: Frau Espinosa, vor einem Jahr wurde das Klimaschutzabkommen in Paris beschlossen. Nach elf Monaten wurde daraus ein global gültiger Vertrag. Warum ist das so bedeutend?

Das Klimaabkommen von Paris ist historisch. Es markiert das Ende von sehr langwierigen Verhandlungen mit über 190 Ländern und deren Unterschrift. Obwohl es ziemlich anspruchsvollen Anforderungen enthält wurde der Klimavertrag in einer Rekordzeit ratifiziert und tritt jetzt in Kraft. Die ratifizierten Staaten müssen jetzt bestimmte Emissionsobergrenzen einhalten.

Das Abkommen zeigt einen Weg der unsere Gesellschaften von Grund auf verändert. Die Wirtschaft wird nur noch im geringen Umfang auf fossile Brennstoffe angewiesen sein. Das ist historisch. Es erfordert nicht nur wirtschaftliche und politische Maßnahmen, sondern alle Menschen müssen daran mitwirken. Das Abkommen legt den Grundstein für eine Transformation und am Ende dieser Transformation steht eine andere Welt. Es ist eine andere Welt als wie wir sie heute kennen.

Was bedeutet das für unser Leben?

Das Abkommen versucht die Umwelt zu bewahren, damit auch zukünftige Generationen in ihr noch leben können, in einer Art und Weise wie wir es heute können. Die Risiken für vom Klimawandel ausgelöste Katastrophen sollen vermindert werden. Zu den Risiken gehören der Verlust von Heimat und fürchterliche Überschwemmungen mit Toten.

Das Abkommen impliziert den respektvollen Umgang mit unserem Konsum, zum Beispiel weniger Auto zu fahren und umweltfreundliche Produkte zu kaufen. Die Kaufentscheidungen sollten möglichst umweltfreundlich sein. Ein Beispiel dafür sind auch Elektrogeräte: Hier sollte man immer die energieeffizienteren und schadstoffärmeren Produkte wählen.

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Jetzt im November ist in Marokko die UN-Klimakonferenz. Diplomaten aus aller Welt kommen mit dem Flugzeug und das ist sehr klimaschädlich. Ist das nicht ein Widerspruch? Braucht man diese jährlichen Konferenzen noch?

Man hat sich für jährlich stattfindende Konferenzen entschieden, um den Verhandlungen neue Impulse zu geben. Damit sollte das Thema auf der Tagesordnung bleiben und die Aufmerksamkeit nicht nachlassen.

Innerhalb der Delegationen wird aber auch darüber nachgedacht ob jedes Jahr solch großen Konferenzen notwendig sind. Allerdings sind diese Konferenzen Bestandteil des Abkommens und das müsste diesbezüglich verändert werden.

Also eher formale Gründe?

Einerseits ja. Die Festlegungen in der Konvention sind rechtlich bindend. Andererseits finden einige diese Konferenzen wichtig, damit das Thema in der Öffentlichkeit sichtbar wird und so ein größeres Publikum mehr über verschiedene Aspekte des Klimawandels erfährt. Es gibt ein Für und Wider.

Patricia Espinosa Im Interview
Patricia Espinosa (r.), Generalsekretärin des UN-Klimasekretariats im DW-Interview mit Carolina Chimoy Bild: DW/J. Alonso

Viele Menschen fliehen derzeit vor Kriegen, einige wegen Klimaveränderungen. Wird die Zahl der Klimaflüchtlinge weiter zunehmen?

Zweifellos. Schon jetzt beobachten wir Flüchtlingsströme im direkten Zusammenhang mit Klimaveränderungen. In Mittelamerika gab es gerade eine furchtbare Dürre und diese führte zu Hungersnöten. Weil die Menschen deshalb flüchten sind in einigen Ländern inzwischen ganze Landstriche verlassen. Viele von ihnen sind jetzt in Mexiko und einige wollen weiter in die USA.

Wir erleben derzeit einen internationalen Trend zum Populismus, in den USA will Donald Trump Präsident werden. Populisten geben der Klimapolitik kein großes Gewicht. Verliert die Klimapolitik an Bedeutung wenn Trump die Wahlen gewinnt?

Man muss bedenken, dass das Pariser Abkommen das Ergebnis von über 190 Länder ist und ein Ergebnis von Verhandlungen über viele Jahre. Zudem ist dieses Abkommen nicht nur eine Einigung zwischen den Regierungen, sondern es hat ganz klar die Gesellschaft mobilisiert. Dieses Abkommen hat also eine große Legitimation, ein großes Gewicht und kann nicht mehr zurückgenommen werden. Die Bedeutung dieses Themas ist bei den Menschen und bei den Regierungen klar angekommen.

100 Milliarden US Dollar sollen die Industrieländer pro Jahr ab 2020 für weltweite Klimaschutzmaßnahmen zahlen. Nach ihren Angaben sind aber zur Bewältigung der Herausforderung Billionen nötig. Wie soll das alles finanziert werden?

Auf der Klimakonferenz in Marrakesch stellen wir den Weg zur Finanzierung der 100 Milliarden in einer Roadmap vor. Zwar haben wir noch nicht die 100 Milliarden zusammen,  wir liegen aber im richtigen Trend.

Anderseits wird zunehmend deutlich, dass auch der private Sektor begonnen hat, den Klimawandel zu berücksichtigen. Unternehmen investieren in saubere Technologien und Investoren sehen, dass der Klimawandel eine Bedrohung für Vermögenswerte ist. Zusammen mit den politischen Maßnahmen in den Ländern wird die Mobilisierung der Ressourcen ermöglicht.

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Im Klimaabkommen verpflichten sich die Staaten zur Reduktion der Klimagase in ihren Ländern. Die Reduktionsmenge der einzelnen Staaten reicht jedoch für das gesetzte Klimaziel nicht aus. Wie können die Ambitionen in den Ländern gesteigert werden?

Das stimmt. Die selbstgesteckten nationalen Reduktionsziele (INDCs) reichen nicht für das Zwei-Grad-Ziel aus und auch nicht für eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad. Aus diesem Grund brauchen wir beschleunigende Mechanismen. Zugleich gibt uns das Abkommen einen Rahmen. Alle fünf Jahre werden die nationalen Pläne überprüft und Entwicklungsländer werden beim Aufbau von Technologien und entsprechenden Finanzierungsinstrumenten unterstützt.

Die Umsetzung dieser Unterstützung müssen wir noch regeln und bei den Überprüfungen der Ziele können wir die Länder ermutigen ehrgeiziger zu werden. Ein anderer Punkt ist, dass sich die Technologien immer schneller entwickeln, dies weitere Investitionen auslöst und so der Fortschritt beschleunigt wird.

Die mexikanische Politikerin und Diplomatin Patricia Espinosa leitet seit Mai 2016 das Klimasekretariat der Vereinten Nationen (UNFCCC) in Bonn. Im Dezember 2010 leitete sie erfolgreich die UN-Klimakonferenz in Mexiko als Präsidentin. Sie war Außenministerin von Mexiko Botschafterin in Deutschland, Österreich, Slowakei und Slowenien und arbeitet viele Jahre für die Vereinten Nationen.  

Das Interview führten Carolina Chimoy und Charlotta Lomas.