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Politik

Essener Tafel beendet Ausländer-Aufnahmestopp

3. April 2018

Kehrtwende in Essen: Die dortige Tafel lässt künftig wieder Ausländer als Neukunden zu. Das beschloss der Vorstand des Trägervereins. Der Aufnahmestopp vom Januar hatte eine heftige Diskussion ausgelöst.

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Tafel in Essen
Bild: DW/C. Bleiker

Die Neuregelung trete sofort in Kraft, teilte der Vorsitzende des Tafel-Trägervereins, Jörg Sartor, in Essen mit. Seit dem 10. Januar lehnt die Hilfsorganisation einstweilen Ausländer als Neukunden bei der Essensausgabe ab. Zur Begründung hatte die Tafel auf den starken Anstieg der Zahl von Migranten unter den 6.000 Kunden verwiesen. Vor allem alte Leute und alleinerziehende Mütter hätten sich bei der Lebensmittelausgabe durch viele fremdsprachige junge Männer in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt. Der Verein war für die Entscheidung bundesweit teilweise scharf kritisiert worden. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich kritisch geäußert.

Inzwischen hat man in Essen bei einem Runden Tisch eine neue Lösung gefunden: Demnach soll bei Kapazitätsengpässen der Tafel die Herkunft der Bedürftigen künftig kein Kriterium mehr sein. Stattdessen sollen Alleinerziehende, Familien mit minderjährigen Kindern sowie Senioren unabhängig von ihrer Nationalität bevorzugt aufgenommen werden. An dem Runden Tisch hatten Vertreter der Essener Tafel, der Essener Wohlfahrtsverbände sowie des Verbundes der Essener Migrantenselbstorganisationen teilgenommen.

Dachverband empfiehlt stärkere Kooperation

Als Konsequenz aus der Debatte über den zeitweiligen Aufnahmestopp für Ausländer bei der Essener Tafel strebt der bundesweite Dachverband der Tafeln eine stärkere Kooperation mit den regionalen Lebensmittelausgabestellen an. Dass eine lokale Maßnahme eine derartige bundesweite Debatte auslöst, sei den Verantwortlichen vor Ort nicht klar gewesen, sagte der Vorsitzende des Dachverbandes, Jochen Brühl, dem Evangelischen Pressedienst in Berlin. "Wir werden uns in Zukunft noch stärker mit unseren Tafeln vor Ort austauschen, insbesondere was deren regionale Herausforderungen und Besonderheiten betrifft."

Den Medien warf der Tafel-Chef "Entrüstungsjournalismus" vor. Die Debatte habe ihn sehr irritiert. Im Verhältnis zu der Hilfe und dem Einsatz, den die Ehrenamtlichen vor Ort gegenüber Hilfsbedürftigen leisteten, sei er "sprach- und ratlos" über die in den Medien geführte Debatte gewesen. "Das stand nicht mehr im Verhältnis zueinander", betonte Brühl.

Grundproblem Armut

Angesichts der zum Teil vehementen Kritik sprach Brühl von einer "Stellvertreterdebatte": "Nicht die Tafeln sind das Problem, sondern das Problem heißt Armut." Kritiker hätten "erst einmal vor Ort nachfragen können, anstatt sofort draufzuhauen", sagte Brühl. "Es gibt wahrhaft dringendere Probleme im Land als die Probleme bei der Essensausgabe der Essener Tafel."

Helfer in Not: Der Ansturm auf die Tafeln

Positiv sei, dass mit der Debatte über die Essener Tafel das Grundproblem der verbreiteten Armut in der Gesellschaft auf die bundespolitische Tagesordnung gesetzt wurde, sagte Brühl. "Ich hoffe, dass dies kein Strohfeuer war, sondern dauerhaft präsent bleibt." Es gebe zwölf bis 16 Millionen Menschen im Land, die entweder armutsgefährdet oder arm seien. Künftig müsse gegenüber der Politik noch deutlicher gemacht werden, dass die Tafeln sich für die Verteilung des Überflusses und nicht für die Armutsbekämpfung zuständig fühlen.

kle/sam (dpa, epd)