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Eine rechtliche Grauzone

Richard A. Fuchs, Berlin 22. März 2016

Oft bleiben Embryonen übrig, wenn Paare sich für ihren Kinderwunsch ärztlich behandeln lassen. Die überzähligen Embryonen können gespendet werden. Eine rechtliche Grauzone. Deshalb empfiehlt der Ethikrat neue Regeln.

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Vier Kinder in der Krabbelgruppe auf dem Boden Foto: Patrick Pleul/dpa
Ohne neue Regeln für die Embryonenspende haben viele Kinder keine Chance auf Leben, sagt der Deutsche EthikratBild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Bei einer künstlichen Befruchtung entstehen in der Regel mehr Embryonen, als für die Einleitung der Schwangerschaft von den biologischen Eltern benötigt werden. Doch was mit den überzähligen Embryonen geschehen soll, das sorgt seit Jahren für Streit. Dürfen diese an andere, kinderlose Paare weitergebeben werden, wie es seit 2013 in Deutschland von Medizinern praktiziert wird? Während die einen die Weitergabe als Chance für unfruchtbare Paare sehen, um ihrem Kinderwunsch ein Stück näher zu kommen, befürchten andere, dass die in dieser rechtlichen Grauzone entstandenen Kinder ein Leben lang Probleme durch unklare familiäre Beziehungen haben.

"Elterliche Verantwortung beginnt vor der Zeugung"

Der von Bundestag und Bundesrat ernannte Deutsche Ethikrat, ein 26-köpfiges Gremium aus Experten für Medizin und Lebenswissenschaften, kommt jetzt zum Schluss: "Wir halten es für ethisch geboten, die Rahmenbedingungen für die Embryonenspende und Embryonenadoption gesetzlich festzulegen". Das sagte Christiane Woopen, Kölner Medizinethikerin und Vorsitzende des Gremiums bei der Vorstellung einer Stellungnahme in Berlin. Dass bei künstlichen Befruchtungen von biologischen Eltern Embryonen übrig blieben, könne dabei vielfältige Gründe haben, so Woopen. "Das kann vorkommen, wenn das Paar eine Behandlung erfolgreich abgeschlossen hat, wenn eine Schwangerschaft der Frau aus medizinischen Gründen nicht mehr in Frage kommt oder wenn das Paar keine weitere Behandlung mehr wünscht." Jetzt gehe es deshalb darum, ergänzte der stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, Professor Jochen Taupitz, ob man diesen überzähligen Embryonen eine Lebenschance eröffne, oder ob man sie verwerfe.

Medizinerin und Ethikrats-Vorsitzende: Christiane Woopen Foro: Deutscher Ethikrat ,Fotos: Reiner Zensen,
Medizinerin und Ethikrats-Vorsitzende: Christiane WoopenBild: Deutscher Ethikrat/Reiner Zensen

Geht der Gesetzgeber eine Neuregelung der Frage an, so das Gremium, sollten einige Eckpunkte beachtet werden. Darunter: Mit dem Zeitpunkt des Embryonentransfers sollen die elterlichen Rechte und Pflichten auf das Empfängerehepaar übergehen. "Weder Spender, noch Empfängereltern, noch das Kind selbst sollten ein Anfechtungsrecht für diese Entscheidung haben", ergänzt Woopen.

Kind rutscht mit Bobbycar Foro: Heike Mund/DW
Vorfahrt für das Leben: Aus überzähligen Embyronen sollen Kinder werdenBild: DW/H. Mund

Das Kind solle jedoch zu jeder Zeit das Recht haben, auch die Identität seiner biologischen Eltern zu erfahren. "Die Kriterien sind am Kindeswohl auszurichten", sagte die Vorsitzende des Ethikrates. Das gelte insbesondere auch in der Frage, wer für eine Adoption in Frage komme. Eine Frage, die das Expertengremium weiterhin spaltet. Während sich eine Mehrheit dafür ausspricht, dass die Adoption "idealerweise von Vater und Mutter" durchgeführt wird, setzt sich eine Minderheit im Gremium dafür ein, auch andere Partnerschaftsbeziehungen gleichrangig anzuerkennen. Ethikratsmitglied Eberhard Schockenhoff wies darauf hin: "Wenn der Gesetzgeber es auch gleichgeschlechtlichen Paaren öffnen möchte, dann sollte er aber auf jeden Fall darauf Wert legen, dass diese auch verpartnert sind, also die gleiche rechtliche Verlässlichkeit bieten können." Denn die elterliche Verantwortung beginne bereits, bevor ein Kind gezeugt werde.

Zentrales Register beim Bundesamt für Familie

Das Gremium spricht sich dafür aus, ein zentrales Register beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) einzurichten. Ab dem 16. Lebensjahr sollen Kinder hier das Recht auf Auskunft über ihre genetische Herkunft erhalten. Zudem könne dort die Aufgabe übernommen werden, Spender und Wunscheltern einander zuzuordnen. Hierbei sollte auch auf die Wünsche der Spendereltern Rücksicht genommen werden, soweit möglich. Dabei könne abgeglichen werden, ob Spender und Empfänger sich bei Hauttyp, Augen- und Haarfarbe, Körpergröße und Blutgruppe gleichen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Empfängereltern und das Kind sich ähnlich sehen. Eine solche Anpassung unter staatlicher Aufsicht gibt es derzeit nicht – auch wenn die Zahl der Weitergaben überzähliger Embryonen unterdessen in Deutschland steigt. Nach Angaben des Deutschen Ethikrates werden Embryonenspenden an 21 reproduktionsmedizinischen Zentren in Deutschland umgesetzt. Bis Ende 2015 wurden laut Ethikrat 45 Transfers realisiert. Aus den daraus resultierenden 12 Schwangerschaften seien sieben Geburten mit neun Kindern erfolgt.

Eberhard Schockenhoff Mitglied des Deutschen Ethikrates Berlin Quelle: Deutscher Ethikrat Fotos: Reiner Zensen,
Adoption, "idealerweise von Vater und Mutter", sagt Eberhard SchockenhoffBild: Deutscher Ethikrat/Reiner Zensen

Vervielfältigung von Konflikten

Eine Erzeugung von Embryonen, nur zum Zweck der Spende, ist dagegen bereits heute nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) ausdrücklich ausgeschlossen. Zudem ist ausgeschlossen, mehr Embryonen herzustellen als für die Befruchtung der biologischen Eltern nötig sind. "Es dürfen nur so viele Embryonen entwickelt werden, dass am Ende des Zyklus schätzungsweise ein bis drei Embryonen für den Transfer übrig bleiben", so die Gremiumsvorsitzende Woopen. Das bedeutet, dass maximal drei Eizellen bis zum Abschluss des Befruchtungsprozesses von den Medizinern weiterentwickelt werden dürfen. Der Ethikrat bittet den Gesetzgeber, diese sogenannte "Dreierregel" gesetzlich klarzustellen. Der Grund: In der Praxis legen Ärzte die Regel bislang flexibel aus und stellen oft mehr Embryonen her, um, wie sie sagen, eine aussichtsreiche Behandlung herzustellen. Eine Mehrheit von 14 Mitgliedern des Gremiums spricht sich für eine "strikte Auslegung" der Regel aus, 12 Mitglieder für eine "erweiterte Auslegung".

Eine menschliche Embryozelle bei der künstlichen Befruchtung Foto: The Plain Dealer /Landov
Für eine künstliche Befruchtung werden normalerweise drei Embryonen weiterentwickelt von Ärzten. Der Ethikrat plädiert dafür, an dieser Stelle rechtliche Klarheit zu schaffen, unter welchen Bedingungen.Bild: picture alliance/landov

Erste Stellungnahmen sind unterdessen eingetroffen. Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums sagte der Nachrichtenagentur EPD, man werde die Vorschläge des Ethikrates von Seiten der Bundesregierung "sorgsam prüfen" – gemeinsam mit dem dafür zuständigen Bundesministerium für Justiz und Familie. Der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marcus Weinberg, gab zu Bedenken, dass mit der Regulierung von Embryonenadoptionen vermutlich auch die Nachfrage danach steigen werde. "Es besteht die Gefahr, Anreize zu schaffen, zusätzliche Embryonen eigens herzustellen." Eine wachsende Zahl von Kinderwunscheltern, die dafür ins Ausland reisen würde, zeige eine Tendenz auf, so Weinberg.