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EU braucht seltene Erden

26. August 2010

In Zukunft werden nicht Öl oder Gas knapp sein, sondern Rhodium, Germanium, Tantal und elf weitere seltene Rohstoffe, so Experten. Die EU will die Versorgung mit den Grundstoffen für High-Tech-Produkte besser sichern.

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Bunte Metallsalze (Foto: Stiftung Archäologie)
Seltene Metallsalze sind heiß begehrtBild: Stiftung Archäologie, München

Wer morgens eine Energiesparlampe einschaltet, mit dem Handy telefoniert und mit dem Auto ins Büro fährt, hat bereits hochtechnisierte Produkte benutzt, die eine große Zahl von sehr seltenen Metallen oder Mineralien enthalten. Moderne elektronische Schaltungen, aber auch Abgaskatalysatoren oder Magnete enthalten Rohstoffe, die auf der Welt entweder nur begrenzt vorhanden sind oder die von den Förderländern, vor allem China, künstlich knapp gehalten werden. Im November will die EU-Kommission ein Strategie-Papier zur langfristigen Sicherung der Rohstoff-Importe veröffentlichen.

Das Schwermetall Tantal in Großaufnahme
Das Schwermetall Tantal wird für Mikro-Prozessoren gebraucht

China am längeren Hebel

Vielen Unternehmern und Politikern ist gar nicht bewusst, dass Europa rund 40 Stoffe einführen muss, um die Produktion von hochwertiger Technik zu gewährleisten. Bei 14 dieser Stoffe könnte es bald zu Engpässen kommen, so Gwenolé Cozigou, Direktor für Rohstoffe in der EU-Kommission. Die meisten kommen entweder nur in China vor oder werden nur dort zu vertretbaren Preisen gefördert. Auch der Kongo, Südafrika und Brasilien verfügen über nennenswerte Vorkommen. Die so genannten "seltene Erden" kommen jedoch fast zu 100 Prozent aus China. Das seltenste Metall ist Ytrium, das für Laser und Magnete benötigt wird.

Nach Beobachtungen der EU-Kommission geht China dazu über, auf diese extrem seltenen Stoffe hohe Steuern und Exportzölle zu erheben. Laut Gwenolé Cozigou von der EU-Kommission in Brüssel gibt es zwar Gespräche mit der chinesischen Regierung über Rohstoffhandel, trotzdem sei die Ausfuhr von seltenen Erden erst kürzlich um 40 Prozent gedrosselt worden. Die ausländischen Käufer sollen dazu gezwungen werden, die Stoffe bereits in China zu Halbfertigprodukten zu verarbeiten. "China will seine Industrie entwickeln", sagt Gwenolé Cozigou. "Das ist ja auch ein völlig akzetables Ziel. Wenn aber gegen Handelsregeln verstoßen wird, gehen wir dagegen vor." Die EU hat zusammen mit den USA und Mexiko ein Schiedsgericht der Welthandelsorganisation (WTO) angerufen.

Hubertus Bardt, Umweltökonom, Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, Experte für Rohstoffe, Deutsche Welle Interview am 23.08.2010, (Foto: Bernd Riegert, Deutsche Welle)
Rohstoff-Experte Hubertus BardtBild: IW

Nachfrage steigt

Die EU müsse durch diplomatischen Druck und Handelsgespräche sicherstellen, dass China sein Monopol nicht über Gebühr ausnutzt, so der Rohstoff-Experte Hubertus Bardt vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. "Das Drohpotenzial ist nicht so groß, insbesondere dann, wenn man an anderer Stelle den freien Handel ja auch aufrecht erhalten will." Man könne zwar drohen, Importbeschränkungen für chinesische Produkte aufzubauen, so Bardt. Doch das wolle niemand, zumal sich Europa so selbst schaden würde. "Das ist natürlich eine schwierige Situation und es gibt da keinen einfachen Weg. Aber es gibt immer wieder neue Handelsgespräche mit China, auch politische Verhandlungen zu verschiedenen Themen und da gilt es immer wieder dieses Problem als drängende Aufgabe deutlich zu machen", so Bardt.

Der zuständige EU-Kommissar Antonio Tajani sieht für die Europäer einen härter werdenen Konkurrenzkampf am Rohstoffmarkt voraus. Die Versorgung mit Rohstoffen, abgesehen von den Energieträgern wie Öl, Gas und Kohle, sei für die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten europäischen Wirtschaft entscheidend.

Der rasant wachsende Bedarf an Hochtechnologie, Batterien und elektronischen Bauteilen in schnell wachsenden Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien werde die Lage zuspitzen, sagt Rohstoffexperte Bardt. Auch die technischen Entwicklungen sorgten dafür, dass die Nachfrage weiter steige. "Elektromobilität, Solarzellen, Energiesparlampen: Das sind alles Dinge, die mehr und kritischere Rohstoffe benötigen als die einfache alte Glühbirne."


Auf einer Karte sind die Vorkommen von seltenen Rohstoffen gekennzeichnet (DW-Grafik)


Entwicklungshilfe gegen Rohstoffe?

Die EU setzt neben Handelsgesprächen und politischem Druck auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern, die Rohstoffreserven haben. Mit der Afrikanischen Union wurden entsprechende Gespräche aufgenommen. "Es geht nicht darum, Entwicklungshilfe direkt von der Rohstoffversorgung abhängig zu machen", sagte Gwenolé Cozigou von der EU-Kommission. "Afrikanische Länder sollten aber erkennen, dass Rohstoffförderung zu fairen Konditionen für ihre eigene Entwicklung von Vorteil ist." Nur so könnten potentielle Investoren aus Europa sicher sein, dass sich ihr Engagement in afrikanischen Minengesellschaften lohne.

Hubertus Bardt vom Institut der Deutschen Wirtschaft glaubt nicht, dass man in kolonialer Tradition in Afrika einfach Rohstoffe einsammeln könnte: "Europa profitiert viel eher davon, wenn Rohstoff-Länder stabile Verfassungen haben, wenn es Marktsysteme und feste Institutionen gibt. Insofern hilft es, wenn man mit Mitteln der Entwicklungshilfe zu Fortschritten kommt, um dann weiter handeln zu können. Die europäische Herangehensweise ist da schon deutlich anders als die chinesische." China, so hat die EU-Kommission beobachtet, sichert sich durch aggressive Aufkäufe von Minengesellschaften, Landkäufe und Zuwendungen an afrikanische Regime den Zugang zu den begehrten Rohstoffen. Problematisch ist nach Ansicht von Experten auch die Konzentration auf der Anbieterseite. Es gibt nur noch wenige Minengesellschaften weltweit, die die Rohstoffe gewinnen.

EU-Industriekommissar Antonio Tajani (Foto: picture-alliance/dpa)
EU-Industriekommissar Antonio TajaniBild: picture alliance / dpa

Minen in der Stadt: Recycling

Für Europa ist es nach Ansicht der EU-Kommission enorm wichtig, mehr seltene Rohstoffe aus alten Handys, Lampen, Fernsehern und Autos wiederzuverwenden. EU-Fachmann Gwenolé Cozigou: "Wir haben in Europa ja so genannte Minen in der Stadt, gemeint ist damit das Recycling, eine wesentliche Quelle der Rohstoffbeschaffung. Wir arbeiten daran, die Richtlinien für die Ausfuhr von Elektroschrott und Autowracks zu verschärfen." Die EU möchte erreichen, dass bisheriger Elektromüll zu wertvollem Rohstoff erklärt wird. Je teurer die Ausgangsstoffe auf dem Weltmarkt werden, desto lohnender wird das Recycling.

Auch in Europa werden noch Lagerstätten von seltenen Metallen gefunden. Doch bislang ist der Abbau viel zu aufwändig und zu teuer. Auch unter Grönland und im Meeresboden am Nordpol werden große Vorkommen der raren Stoffe vermutet. "Es ist kein Zufall, dass die Russen energisch Anspruch auf große Teile des Nordpols erheben", so Hubertus Bardt vom Institut der Deutschen Wirtschaft.

Suche nach Ersatzstoffen

Die Europäische Union will außerdem Wissenschaftler fördern, die nach Ersatzstoffen für seltene Erden oder Lithium suchen. Lithium wird in großem Umfang für Akkumulatoren in Elektroautos gebraucht. Noch ist es nicht knapp, aber der Bedarf wird steigen. Hubertus Bardt: "Jetzt sprechen wir alle über Lithium und die Frage der Elektromobilität. Wenn es gelingen sollte, irgendwann Stromspeicher zu entwickeln, die auf den Stoff nicht angewiesen sind, dann wäre mit einem Schlag das Problem weitestgehend weg. Bei der Suche nach Ersatzrohstoffen gibt es noch erhebliche Potenziale. Aber dafür braucht man natürlich technische Quantensprünge - und die kann man sich nicht einfach so am Schreibtisch überlegen."

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Julia Kuckelkorn