1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

EU erwartet von Erdogan "Deeskalation"

6. April 2021

Trotz massiver Kritik wegen der Missachtung der Menschenrechte in der Türkei startet die EU einen neuen Dialog mit Ankara. Kommissionspräsidentin von der Leyen und Ratspräsident Michel trafen Präsident Erdogan.

https://p.dw.com/p/3rd27
Türkei Präsident Recep Tayyip Erdogan empfängt Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen
Staatschef Erdogan begrüßt EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, links steht Ratspräsident Michel Bild: Murat Kula/AA/picture alliance

Erstmals seit einem Jahr sind EU-Spitzenvertreter wieder mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zusammengekommen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel flogen nach Ankara. Michel erklärte zum Auftakt der Gespräche, die EU erwarte von der Türkei "eine nachhaltige Deeskalation", um "eine konstruktivere Agenda" im beiderseitigen Verhältnis zu schaffen.

Es gehe um eine stärkere Kooperation, die für beide Seiten profitabel sei, erläuterte von der Leyen nach dem Treffen. Sie nannte eine Modernisierung der Zollunion, eine intensivere Zusammenarbeit bei Zukunftstechnologien im Bereich Umwelt und Digitales sowie in der Flüchtlings- und Migrationspolitik. Weiter erwähnte sie einen möglichen Ausbau der Kooperation im Rahmen des EU-Forschungsprogrammes Horizon und des Austauschprogramms Erasmus.

EU will auch künftig kritisch bleiben

Zugleich betonte von der Leyen, die EU werde auch in Zukunft nicht zögern, negative Entwicklungen anzuprangern. Sie und Michel hätten deutlich gemacht, dass die Achtung der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit für die EU von entscheidender Bedeutung seien und die Türkei die internationalen Menschenrechtsregeln einhalten müsse. Der Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen sei zutiefst besorgniserregend, sagte die CDU-Politikerin.

Hintergrund der Gespräche mit Erdogan sind entsprechende Beschlüsse des EU-Gipfels vor eineinhalb Wochen. Damit soll Ankara ein Anreiz gegeben werden, konstruktiv etwa an einer Lösung des Streits mit Griechenland und Zypern um Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer zu arbeiten. Die EU hatte der Türkei wegen des Konflikts im Dezember scharfe Sanktionen angedroht. Daraufhin beendete Ankara die umstrittenen Gaserkundungen und signalisierte Gesprächsbereitschaft.

Türkei | EU-Delegation in Ankara
Das Gespräch findet wegen Corona mit viel Abstand statt Bild: EU Delegation Turkey

Warnungen vor einem Entgegenkommen gegenüber Erdogan kamen vor dem Treffen aus dem EU-Parlament und dem Bundestag. Die Europäische Union sei nicht bereit, einer "Erpressung" durch Erdogan nachzugeben, erklärte der Fraktionsvorsitzende der konservativen EVP, Manfred Weber (CSU), auf Twitter.

Im "Tagesspiegel" forderte Weber, mögliche Visa-Erleichterungen an die Medienfreiheit und den Schutz der Grundrechte zu knüpfen.

Die Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen verlangte eine härtere Gangart. Die Bundestagsabgeordnete sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", die "nachösterliche Pilgerfahrt nach Ankara" stärke "dem Autokraten" Erdogan den Rücken. Mit der in Aussicht gestellten Erweiterung der Zollunion gebe die EU "Erdogan freie Hand zur weiteren Unterdrückung der Opposition sowie für seine kriegerische Außenpolitik".

Auch FDP und Grüne warnen 

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff erklärte, es sei "nicht der Zeitpunkt, die Politik des türkischen Staatspräsidenten Erdogan mit PR-kräftigen Bildern zu belohnen". Dieser sei gerade erst aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt ausgetreten und lasse die Arbeit von Opposition und Journalisten massiv behindern.

Die Grünen warnten ebenfalls vor einer "freundschaftlichen Annäherung" und wirtschaftlichen Zugeständnissen an die Türkei. Angesichts "der sich dramatisch zuspitzenden desolaten Menschenrechtslage, dem autokratischen Umbau des Landes und der abenteuerlichen Außenpolitik von Präsident Erdogan" sei dies "ein unverantwortlicher und grundfalscher Kurs", erklärten die Grünen-Politiker Claudia Roth und Cem Özdemir.

se/as (dpa, afp, rtr)