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Weckruf für die EU

Bernd Riegert19. Juli 2013

Die EU reagiert auf die Abschöpfung von Kommunikationsdaten hart. Die USA sollen mehr Datenschutz zustimmen. Sonst sollen Firmen bestraft werden. An der Spitze der Bewegung: Deutschland.

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Ein Computer Code ist am 20.11.2011 auf einem Bildschirm in Köln zu sehen. Hacker haben die Internetseite des britischen Innenministeriums kurzzeitig lahmgelegt. Foto: dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Symbolbild HackerBild: picture-alliance/dpa

Plötzlich kommt in die Diskussion um mehr europäischen Datenschutz Bewegung. Seit 18 Monaten bereits ringen die Institutionen der Europäischen Union um ein Gesetzespaket, um den Datenschutz zu verschärfen. Erst die Enthüllungen, wie umfangreich amerikanische und auch europäische Geheimdienste auf Daten europäischer Bürger zugreifen und sie auswerten, machen den Ministern und der EU-Kommission Beine. In der litauischen Hauptstadt Vilnius sagte die EU-Kommissarin für Justiz, Viviane Reding: "Das amerikanische Spionage-Programm Prism war ein Weckruf für uns alle."

Reding hatte bereits im Januar 2012 schärfere Datenschutz-Verordnungen vorgelegt. Jetzt machten auch die deutschen Minister beim informellen Treffen mit den EU-Kollegen in Vilnius Druck. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will den europäischen Datenschutz, der vor der Abhör-Affäre eher vor sich hin dümpelte, verstärken. "Unser Punkt ist: Wir wollen kein niedrigeres Datenschutz-Niveau als in Deutschland. Wir brauchen technischen Datenschutz, auch verpflichtend in der Datenschutz-Verordnung. Der europäische Vorschlag ist gut, aber wir wollen noch mehr. Deshalb kommt jetzt noch einmal gut Bewegung in die Beratung."

Deutschland und Frankreich preschen vor

Die Justizministerin legte zusammen mit ihrer französischen Kollegin Christine Taubira eine Initiative vor, nach der angemessener Schutz vor Ausspähung durch Geheimdienste gefordert wird.

"Da, wo Fragen offen sind, müssen die natürlich geklärt werden. Darum steht in unserer deutsch-französischen Initiative drin, dass wir rundherum Aufklärung brauchen. Es dürfen keine Fragen offenbleiben, auch nicht Widersprüche", sagte die deutsche Justizministerin. Dabei sind jetzt die nationalen Regierungen gefordert, die Geheimdienste selbst fallen nicht in die Zuständigkeit der Europäischen Union. Fast jeder europäische Staat hat einen Geheimdienst. Es müsse transparent sein, nach welchen Gesetzen diese Dienste arbeiten, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Man brauche Transparenz ohne operative Geheimnisse zu verraten, sagte Friedrich der Deutschen Welle. Das gelte auch für die US-amerikanischen Dienste.

Innenminister kritisiert Internet-Konzerne

Auch der im Juni in Sachen Datenschutz eher noch zögerliche Bundesinnenminister reiht sich jetzt in den Chor derjenigen ein, die mehr fordern. US-Unternehmen, die Daten an die heimatlichen Geheimdienste weiterreichen, müsse genauer auf die Finger geschaut werden. Sie sollten melden, wessen Daten sie wann wem weiterleiten, so der Innenminister. "Die Datenschutz-Grundverordnung ist, glaube ich, wichtig, um die Macht der großen Konzerne einzudämmen. Denn diese Konzerne arbeiten weltweit. Diese Konzerne können sich aussuchen, in welchem Rechtsbereich sie tätig werden wollen", sagte Hans-Peter Friedrich der DW. Er appellierte an die amerikanische Regierung, sich mit den Europäern zusammen zu tun und den Konzernen etwas entgegen zu setzen. "Auch die amerikanischen Bürger fordern ihr Recht auf Datensouveränität ein."

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kommt zur Justizministerkonferenz der Bundesländer am 15.11.2012 in die Landesvertretung Hessens in Berlin. Foto: Jörg Carstensen/dpa / Eingestellt von wa
Will den Datenschutz stärken: Sabine Leutheusser-SchnarrenbergerBild: picture-alliance/dpa

In der nächsten Woche bereits will die EU-Kommission mit amerikanischen Vertretern über eine Ausweitung des Datenschutzes verhandeln, kündigte die zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding an. "Das ist eine Frage der Rechte der Bürger. Und das ist eine Frage, ob wir Europäer uns in Europa durchsetzen, ob europäisches Recht zählt oder Rechtlosigkeit", sagte die EU-Kommissarin. Sie war in Vilnius selbst davon überrascht, dass die deutschen Minister so forsch voran gehen. "Ich bin nicht wirklich überrascht, sondern erfreut", ergänzte Reding süffisant lächelnd auf eine Reporterfrage.

Weitergabe von Daten soll offengelegt werden

Unternehmen, die künftig Daten europäischer Bürger an wen auch immer weitergeben, sollen das transparent machen, heißt es im Entwurf der EU-Kommission für eine Datenschutz-Grundverordnung. Jeder Bürger solle wissen, was mit seinen Daten geschieht. Amerikanische Unternehmen sind nach dem "Patriot's Act" auch außerhalb der USA verpflichtet, gesammelte Daten an die Geheimdienste weiterzureichen. Der Vorgang selbst unterliegt der Geheimhaltung. Diese Praxis wollen die Europäer ändern. Unternehmen, die gegen eine europäische Pflicht zur Offenlegung der Datenweitergabe verstoßen, sollen bestraft werden, sagte EU-Kommissarin Reding fast schon triumphierend. "Die Abschreckung sind die Sanktionen, die vorgesehen sind. Bis zu zwei Prozent des weltweiten Umsatzes eines Unternehmens. Das ist der Biss, den wir reinbringen wollen. Den brauchen wir, damit europäisches Recht auch in die Praxis umgesetzt wird."

Bis eine neue Datenschutz-Grundverordnung der EU mit diesen Regelungen in Kraft treten kann, wird aber noch einige Zeit vergehen. Der Ministerrat und das Europäische Parlament müssen noch zustimmen. Viviane Reding strebt Mitte 2014 als Zieldatum an. Nicht alle Mitgliedsstaaten sind von dem neuen Schwung begeistert. Großbritannien etwa sieht den schärferen Datenschutz sehr skeptisch. Die britische Justizministerin war erst gar nicht nach Vilnius angereist, sondern schickte einen Beamten als Stellvertreter.

Datenschutz im Freihandelsabkommen

Der Datenschutz soll auch Teil des Freihandelsabkommens mit den USA werden, erklärte Bundesinnenminister Friedrich. Der Datenschutz in Europa und den USA müsse auf hohem Niveau angeglichen werden, forderte Friedrich. "Aber es kann natürlich nicht sein, dass in einer Freihandelszone Unternehmen in den USA preiswert, ohne große Kosten, für Datenschutz arbeiten können, während die europäischen Unternehmen hohe Auflagen haben, die auch mit hohen Kosten verbunden sein können. Wir brauchen da ein angenähertes Niveau. Darüber muss man mit den Amerikanern ganz klar reden." Die Internet-Riesen wie Google, Facebook oder Yahoo hätten selbst ein wirtschaftliches Interesse an einer klaren Regelung, so Friedrich. "Wir sind zusammen 500 Millionen europäische Verbraucher. Da müssen wir uns nicht verstecken."

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Portrait; Foto: REUTERS/Jonathan Ernst (UNITED STATES - Tags: POLITICS LAW)
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU)Bild: Reuters