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EU-Freihandel mit Afrika: Unfairer Deal?

Mariel Müller
11. Januar 2017

Was passiert, wenn die EU einerseits versucht, Fluchtursachen zu bekämpfen, aber andererseits gleichzeitig neue schafft? Die geplanten Handelsabkommen zwischen Afrika und EU könnten genau das tun, befürchten Kritiker.

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Sudan Bauer mit Mohrenhirse in Bulbul Dalal Angara, Nyala, Süd-Darfur

A farmer is harvesting sorghum plants from seeds donated by the FAO (Food & Agriculture Organization) in Bulbul Dalal Angara region of Nyala, Southern Darfur, 1980 km west of Khartoum. British sci
Bild: picture-alliance/Photoshot/Lightroom Photos/F. Noy

Im vergangenen Jahr flohen die meisten Menschen aufgrund von Krieg und Verfolgung nach Europa - sie kamen aus Syrien, Afghanistan und Irak. In Zukunft aber werden viel mehr Menschen aus afrikanischen Staaten den Weg nach Europa auf sich nehmen - schlichtweg aufgrund von Armut.

Senegalesische Fischer haben seit Jahren weniger Fang, weil chinesische, russische oder europäische Fischtrawler im großen Stil vor Afrikas Küsten die Fischgründe plündern. Ghanaische Tomatenbauer kommen nicht gegen Billig-Importe aus Italien an. Milchbetriebe in Burkina Faso konnten sich am heimischen Markt nicht durchsetzen, weil sie nicht mit dänischem Milchpulver konkurrieren konnten.

Abkommen sollen Anreize für Investoren schaffen

In Folge haben sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum Industriebetriebe in afrikanischen Ländern entwickeln können. Die Gefahr ist groß, dass sich dies auch künftig nicht ändern wird. "Wer will schon in Afrika investieren, wenn er weiß, dass er mit seinen Produkten vollkommen schutzlos ist und sich kaum gegen Konkurrenzprodukte aus Europa wehren kann", sagt Francisco Marí, Referent für Handelspolitik beim evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt.

Eine Lösung sollen nach Ansicht der EU-Kommission sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA, englisch als Economic Partnership Agreement (EPA) bezeichnet) sein. Hinter dem sperrigen Begriff verbergen sich Handelsabkommen, die langfristig einen weitgehenden Freihandel zwischen der EU und Afrika ermöglichen sollen. Die Abkommen sehen vor, dass die afrikanischen Staaten schrittweise ihre Märkte bis zu 83 Prozent für europäische Produkte öffnen. Im Gegenzug behalten sie für 15 Jahre ihren zollfreien Zugang zum EU-Markt. Danach fallen die Zollschranken auf knapp 20 Prozent.

Einen zollfreien Zugang zur EU hatten die ehemaligen europäischen Kolonialmächte ihren Kolonien in Afrika, der Karibik und in den Pazifikstaaten (AKP-Staaten) seit 1963 gewährt. Eine Art spätes Zugeständnis und zugleich eine Möglichkeit für die einstigen Kolonien wirtschaftlich aufzuholen. Die AKP-Staaten mussten dagegen ihre eigenen Märkte kaum öffnen. Im Jahr 2000 erklärte die Welthandelsorganisation (WTO) diese einseitige Marktöffnung für rechtswidrig.

Für viele Länder wären WPAs gar nicht nötig

Seit 2002 verhandeln die EU und die afrikanischen Staaten über die WPAs, die eine WTO-konforme Grundlage für den Handel schaffen sollen. Dabei sind solche Partnerschaftsabkommen eigentlich nur für eine Handvoll Länder mit mittlerem Einkommen notwendig, wie Ghana, Südafrika oder Kenia. Denn die 34 am wenigsten entwickelten Länder Afrikas, die den Großteil aller WPA-Länder ausmachen, würden auch ohne WPAs den zollfreien Zugang zum EU-Markt behalten. Das hatte ihnen die EU mit dem sogenannten "Everything But Arms" (Alles außer Waffen) Abkommen zugesichert.

Doch weil diese ärmsten Staaten in ihre jeweiligen regionalen Wirtschaftsunionen - Westafrika "ECOWAS", Ostafrika "EAC", südliches Afrika "SADC" , etc. - eingebunden sind, waren sie sozusagen "mitgehangen", erklärt Handelsexperte Marí. "Um die Handelsunionen nicht aufzubrechen, haben sich auch die ärmsten Länder bereit erklärt mitzumachen."

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Noch muss die Verkäuferin nicht mit EU-Importen konkurrieren - Nigeria weigert sich das WPA zu unterzeichnenBild: picture alliance/dpa/R.Harding

Das erklärte Ziel der WPAs hört sich gut an: Regionale Integration und eine nachhaltige Entwicklung in Afrika sollen gefördert werden. EU und Afrika wollen Partner sein. Partner beuten einander nicht aus - sie helfen sich. So ist in den WPAs auch Entwicklungshilfe vorgesehen. Die sei jedoch nicht ausreichend, kritisiert Entwicklungsökonom Karl Wohlmuth. Die europäischen Wirtschaftsinteressen würden zu sehr gegenüber der Entwicklungshilfe dominieren.

Das eigentliche Risiko der WPAs sehen mehrere Staaten wie Nigeria, Republik Kongo und Gabun in der Öffnung ihrer Märkte. Sie fürchten, nicht mit den europäischen Importen konkurrieren zu können, sobald diese zollfrei in ihre Länder kommen.

Massive Verluste durch fehlende Zolleinnahmen

Zudem würden den afrikanischen Ländern Zolleinnahmen wegbrechen. Die Weltbank schätzt, dass Zölle in afrikanischen Ländern südlich der Sahara bis zu 10 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen. Gambias Regierung rechnet sogar mit bis zu 20 Prozent. Fallen diese Einnahmen weg, würde das besonders die kleinen und ärmsten Staaten wirtschaftlich hart treffen. Die EU will die Verluste zwar über die ersten fünf Jahre ausgleichen - danach aber sollen sie durch Steuereinnahmen kompensiert werden.

Illusorisch, nennt Marí diesen Plan: "Seit 30 Jahren versucht die Weltbank in Afrika direkte Steuern einzuführen, aber wenn 90 Prozent des Handels informell läuft, dann gibt es keine Mehrwertsteuer. Und wenn 80 Prozent der Menschen keine Lohnsteuer zahlen, woher sollen dann die ausgleichenden Steuereinnahmen herkommen?"

Schutzklauseln sollen vor Dumping schützen

Die WPAs können eine Chance für Afrika sein, sagen dagegen Befürworter. Setze man die Abkommen richtig um, könne man verhindern, dass billige EU-Importe die Entwicklung der afrikanischen Landwirtschaft behindern, meint Joachim Schuster, Mitglied im Ausschuss Internationaler Handel im EU-Parlament. Schutzklauseln könnten den Ländern erlauben, weiterhin Zölle auf Lebensmittel zu erheben, um so die eigenen Agrarprodukte zu fördern. Diese Zollanhebung sei nur auf bis zu drei Prozent beschränkt, sagt Marí. Eine echte Flexibilität bei den Zollquoten bestehe nicht, um die heimische Produktion in Afrika zu schützen, meint er.

Außerdem müsse Dumping durch europäische Unternehmen zuerst vor einem WPA-Ausschuss bewiesen werden. Das sei nur sehr schwer möglich: "Deswegen haben es Entwicklungsländer noch nie geschafft, ein Industrieland vor der WTO zu verklagen", so Marí. "Man müsste quasi die Businesspläne deutscher Schlachthäuser nach Afrika geben und nachrechnen, ob das wirklich Dumping ist."

Fleischhändler in Windhoek, Namibia (Foto: picture alliance/dpa/R.Kaufhold)
Fleischhändler in Windhoek, Namibia, warten auf KundschaftBild: picture alliance/dpa/R.Kaufhold

15 Jahre haben die afrikanischen Partnerländer Zeit, sich fit für den EU-Wettbewerb zu machen, bis die Zollschranken auf knapp 20 Prozent fallen. Genug Zeit, findet die EU-Kommission. "Schönfärberei" nennt das der Afrika-Beauftragte der Bundeskanzlerin, Günter Nooke: "In den letzten 15 Jahren ist nicht viel vorangegangen und ich sehe nicht, dass wir das in den nächsten 15 Jahren völlig anders erleben werden."

Agrarsubventionen statt Exportsubventionen

Auch das Verbot von Exportsubventionen für die europäische Landwirtschaft in den WPAs sei Augenwischerei, so Marí. Diese Exportsubventionen seien schon längst nicht mehr notwendig, denn die EU-Landwirtschaft erhalte jährlich rund 70 Milliarden Euro an Agrarsubventionen. "Man hat etwas abgeschafft, das die Exporteure seit 2009 nicht mehr brauchen."

Die Partnerschaftsabkommen wurden zwar bewusst so genannt, um die Partnerschaft in den Vordergrund zu rücken, doch sie seien "klassische Freihandelsabkommen", meint Günter Nooke, der Afrika-Beauftragte der Bundeskanzlerin. "Warum wollen wir denn Güter nach Afrika schaffen, die in Europa produziert werden, vielleicht sogar noch mit Arbeitskräften, die wir vorher als Zuwanderer einreisen lassen?", fragt Nooke. "Warum sagen wir nicht: Es ist besser, dass in Afrika produziert wird und tun alles dafür, dass die Menschen dort Arbeitsplätze finden?"

Kenia als Teil der ostafrikanischen Gemeinschaft, hatte sich zunächst geweigert das WPA zu unterzeichnen. Die EU verhängte daraufhin 2014 für drei Monate Einfuhrzölle auf kenianische Produkte. Unter diesem Druck unterzeichnete das Land schließlich doch. Hatte es eine Wahl? Afrika-Beauftragter Nooke: "Nein, so wie wir das von der EU-Kommission gehandhabt haben, da gab es keine Wahl. Wir haben ihnen ja keine Option geöffnet, wie sie den Zugang zu Europa behalten, ohne die WPA zu unterzeichnen."