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Nötiger Schritt

Bernd Riegert, Brüssel8. November 2008

Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten haben sich in Brüssel auf eine gemeinsame Position beim Weltfinanzgipfel am 15. November in Washington geeinigt. Ein nötiger Schritt, meint Bernd Riegert.

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Bild: DW
Bernd Riegert. Grafik für Kommentar oder Fernschreiber-Kolumne,

Die Europäische Union kann dankbar sein, dass in der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise ausgerechnet der umtriebige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy den Vorsitzenden gibt. Sicherlich ist Sarkozy manchmal hektisch, manchmal sprunghaft, manchmal penetrant und selbstherrlich. Aber er ist ein Energiebündel, ein Steh-auf-Männchen, das seine manchmal zögerlichen Kolleginnen und Kollegen in den europäischen Regierungszentralen von einem Gipfel zum nächsten vor sich hertreibt. Angesichts der gewaltigen Ausmaße der Wirtschaftskrise, die Europas Wohlstand bedroht, ist jetzt Entschlossenheit, Mut und auch Schnelligkeit gefragt.

Mit seiner Analyse, dass Europa und besser noch die ganze Welt die Wirtschaftspolitik und die Finanzaufsicht koordinieren muss, hat Nicolas Sarkozy wohl recht. Das bisherige amerikanisch-britische Modell vom ungezügelten globalen Kapitalismus hat uns an den Rand des Abgrunds geführt. Jetzt muss etwas Neues her. Die EU-Staaten täten gut daran, sich jetzt nicht in kleinlichem Streit zu verlieren. Der globale Finanzmarkt braucht globale Regeln und die Wirtschaft funktioniert eventuell besser, wenn der Staat mehr interveniert. Dieses französische Modell, das nicht in das ordnungspolitische Weltbild der deutschen Regierung passt, fällt vielleicht bei der neuen Regierung in Washington auf fruchtbaren Boden. Schließlich hat der demokratische Präsident Franklin D. Roosevelt vor achtzig Jahren mit einer Mischung aus Investitionsprogrammen und Sozialreformen die Rezession in den USA bekämpft. Selbst der bislang als wirtschaftsliberal geltende EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sprach von einem „New Deal“, also der Rooseveltschen Wirtschaftspolitik.

EU-Einsatz für bessere Regeln

Möglichst geschlossen wollen die Europäer in Washington beim ersten Weltfinanzgipfel am 15. November für bessere Regeln kämpfen. Das ist wegen der bevorstehenden Herkulesaufgaben auch gar nicht anders möglich. Europa hat keine andere Wahl, hat Nicolas Sarkozy erkannt. Ob man die internationale Einflussnahme nun Steuerung oder Wirtschaftsregierung nennt oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle. Wichtig ist nur, dass es funktioniert. Auch die Forderung der Europäischen Union, eine supranationale Institution mit der Koordination der Weltfinanzaufsicht und von Rettungsmaßnahmen zu beauftragen, ist richtig.

In Ermangelung von Alternativen, die schnell zur Verfügung stehen, muss man wohl auf den Internationalen Währungsfonds zurückgreifen. Dieser muss dann radikal umgebaut werden, bislang wird er von den USA dominiert. Außerdem braucht der Fonds dringend mehr Kapital, um marode Staaten zu stützen. Wo soll das Geld herkommen, angesichts der gigantischen Summen, die bereits jetzt als Garantie- und Stützungsfonds von den einzelnen Nationalstaaten für ihre Wirtschaftssysteme zugesagt wurden?

Partner & Konkurrenten

Die gemeinsame Steuerung der Finanzströme und der wirtschaftlichen Entwicklung wird spätestens dann enden, wenn nationale Interessen verletzt werden. Denn die Staaten sind untereinander natürlich auch Konkurrenten, wenn es um wirtschaftliche Entwicklung, Steuersätze, Subventionen und Investitionsanreize geht. Deutschland reagiert nervös auf alle angedachten europäischen Hilfsfonds und Investitionsprogramme, weil die Bundeskanzlerin ahnt, dass am Ende jemand die Rechnung zahlen muss. Und da wäre Deutschland als größter Nettozahler in der EU immer vorne mit dabei.

Man kann darauf vertrauen, dass Nicolas Sarkozy die Europäische Union beim Weltfinanzgipfel aggressiv vertreten wird. Als Bremserin wird Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin mit am Tisch sitzen. Hoffentlich bilden die beiden ein Gespann, das am Ende einen gesunden Kompromiss mit den übrigen Weltregionen aushandeln kann. Es muss gehandelt werden und zwar schnell. In 100 Tagen müssen Ergebnisse vorliegen.