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Restriktives Urteil zu Stammzellen

18. Oktober 2011

Der Europäische Gerichtshof legt den Begriff des menschlichen Embryos sehr weit aus: Das Gericht urteilte, die Zerstörung von Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen verstoße gegen die Menschenwürde.

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Labor-Arbeiterin am Mikroskop (Foto: 12.08.2011 DW-TV Projekt Zukunft Stammzellen)
Die Arbeit von Forschern ist durch das Urteil nicht direkt betroffenBild: DW-TV

Menschliche embryonale Stammzellen und die Verfahren zu ihrer Herstellung dürfen in der Europäischen Union nicht patentiert werden. Das entschied am Dienstag (18.10.2011) der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Wenn für die Gewinnung der Stammzellen Embryonen zerstört werden, verstößt das nach dem Urteil des EuGH gegen den Schutz der Menschenwürde.

Kulturen von embryonalen Stammzellen in Gefäßen in einem Forschungslabor (Archivfoto: AP)
Die Richter legen den Begriff des menschlichen Embryos weit aus

Der Begriff des menschlichen Embryos sei weit auszulegen, urteilten die Richter des höchsten europäischen Gerichts. Was einen menschlichen Embryo ausmacht, definiert Gerichtspräsident Vassilios Skouris so: "Jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an, jede unbefruchtete menschliche Eizelle, in der ein Zellkern aus einer ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert worden ist, und jede unbefruchtete menschliche Eizelle, die durch Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden ist, ist ein menschlicher Embryo."

Forschung nicht vom Urteil betroffen

Die Richter schlossen in ihrem Urteil aber nicht aus, dass die Nutzung für eine Therapie oder Diagnose zum Wohle des Embryos selbst Grundlage eines Patents sein kann. Die Forschung ist insofern nicht von dem Urteil betroffen.

Die Richter folgten mit ihrem Urteil im Wesentlichen dem Standpunkt von EuGH-Generalanwalt Yves Bot. Er hatte ein Patentverbot für alle Zellen gefordert, die sich zu einem vollständigen Menschen entwickeln können, ebenso für Zellen, bei deren Gewinnung ein Embryo zerstört oder geschädigt werde.

Mit dem Urteil ist ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen dem Bonner Wissenschaftler Oliver Brüstle und Greenpeace geklärt. Greenpeace hatte gegen ein Patent Brüstles auf unreife Körperzellen zur Behandlung neurologischer Krankheiten wie Parkinson geklagt, das ihm 1999 zuerkannt wurde.

Reaktionen

Stammzellforscher und Neuropathologe Prof. Oliver Brüstle, Universität Bonn vor dem Brutschrank für Stammzellen (Foto: Wissenschaftsjournalist Michael Lange)
Stammzellforscher und Neuropathologe Prof. Oliver Brüstle, Universität Bonn vor dem Brutschrank für StammzellenBild: Michael Lange

Brüstle selbst und zahlreiche anderen Wissenschaftler äußerten sich enttäuscht. Sie sehen schwere Nachteil für die europäische Stammzellenforschung und befürchten eine Abwanderung von Wissenschaftlern in Länder mit weniger Restriktionen. Greenpeace sieht dagegen "den Schutz menschlichen Lebens gegenüber wirtschaftlichen Interessen deutlich gestärkt".

Der deutsche CDU-Europaabgeordnete und Arzt Peter Liese begrüßte das Urteil ebenfalls. "Wir sind für Forschung und Entwicklung in der Biotechnologie, aber dabei dürfen keine menschlichen Lebewesen, auch nicht in der Frühform ihrer Entwicklung, zerstört werden", erklärte Liese. Er glaubt, dass sich die Forschung jetzt "in Richtung der ethisch vertretbaren Alternativen" entwickeln werde. Dazu gehörten Therapien mit adulten Stammzellen.

Autor: Christoph Hasselbach, Brüssel
Redaktion: Martin Schrader