1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EU versöhnlicher gegenüber der Türkei

Catherine Martens2. September 2016

Nach den gegenseitigen Beschuldigungen setzen die meisten EU-Außenminister wieder auf Verständigung mit Ankara. Mit einer großen Ausnahme, wie Catherine Martens aus Bratislava berichtet.

https://p.dw.com/p/1Jv1J
Slowakei Bratislava EU Außenminister Treffen (Foto: picture-alliance/dpa/J. Gavlak)
Bild: picture-alliance/dpa/J. Gavlak

Ganz ungewohnte Töne dringen aus der Reduta, einem altehrwürdigen Barockgebäude im historischen Zentrum Bratislavas, wo auch die slowakische Philharmonie untergebracht ist. Statt der üblichen Orchesterproben stimmen sich dort die europäischen Außenminister zu diskussionsreichen Themen ab wie etwa dem künftigen Umgang der Union mit der Türkei. Der slowakische EU-Vorsitz strebt ein Ende der Spannungen mit der türkischen Regierung an. "Die Türkei ist ein wichtiger Partner", sagte der slowakische Außenminister Miroslav Lajcak zu Beginn eines Treffens mit seinen EU-Kollegen. Er hoffe, dass die Gespräche mit dem türkischen Europaminister Ömer Celik "helfen werden, die Atmosphäre zwischen der Europäischen Union und der Türkei zu normalisieren". Ein allzu harmonischer Auftakt bleibt dennoch aus, gibt es doch gerade mit Ankara einige Dissonanzen.

Für ein klares Nein zu weiteren EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei spricht sich nach wie vor Österreichs Außenminister Sebastian Kurz aus: Zwar seien Reaktionen auf einen Putsch nachvollziehbar, so Kurz. "Aber Säuberungswellen und der Versuch, andere mundtot zu machen, halten wir für den falschen Weg", betonte er. Mit dieser Position gilt Österreich weiterhin als hardliner unter den Europäern. Und für viele seiner Amtskollegen überspannt Wien damit den Bogen.

Türkei Ankara AKP Anhänger Jubel nach Putschversuch (Foto: DW/D. Cupolo)
Die EU hat die türkische Regierung wegen ihrer Reaktion auf den Putschversuch scharf kritisiertBild: DW/D. Cupolo

Steinmeier: Einfluss auf Ankara erhalten

An einem Ende der Beitrittsgespräche könne Europa kein Interesse haben, hält Luxemburgs Chef-Diplomat Jean Asselborn dagegen und spiegelt damit die breite Mehrheit der vertretenen Außenminister wider. Nur ein enger Kontakt mit Ankara kann künftigen Fehlentwicklungen in der Türkei entgegenwirken, so der Tenor. "Wenn wir keinen Einfluss mehr haben durch diesen Prozess der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei", unterstreicht der Luxemburger Asselborn, "dann ist unser Einfluss dort nur noch sehr beschränkt."

Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier versuchte erst gar nicht, die Debatte um die Türkei schönzureden; das Wetter sei wunderbar, die politischen Bedingungen leider nicht, feixte er eingangs, um dann in gewohnt ernster Manier seiner aufrichtigen Sorge über die aktuellen Entwicklungen in der Türkei Ausdruck zu verleihen. Er debattiere zusammen mit seinen Kollegen nicht nur über die EU-Türkei-Beziehungen, sondern auch über die derzeitige innenpolitische Lage: "Selbstverständlich werden wir beurteilen müssen, wie die Türkei den Putschversuch aufarbeitet, wie sie mit den Verantwortlichen und den vermeintlich Verantwortlichen umgeht, und anmahnen, dass bei der Aufarbeitung rechtsstaatliche Grundsätze zu beachten sind", so der deutsche Außenminister.

Nach dem gescheiterten Militärputsch Mitte Juli hatte die türkische Führung mangelnde Solidarität der EU beklagt. Mit Massenverhaftungen und Entlassungen Tausender vermeintlicher Regierungsgegner zog sich die Führung in Ankara allerdings scharfe Kritik zu. Schon davor sorgte die geplante Visafreiheit für türkische Bürger für Spannungen. Diese hatte die EU Ankara im Gegenzug für die Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise in Aussicht gestellt.

Rückführung der Flüchtlinge in die Türkei (Foto: picture-alliance/dpa/O. Panagiotou)
Rückführung von Flüchtlingen in die Türkei: Die Europäer fühlen sich verpflichtetBild: picture-alliance/dpa/O. Panagiotou

Kompromiss bei Visaliberalisierung?

Eine erkennbare Haltung gibt es an diesem ersten Tag des EU-Außenministertreffens in Bratislava trotz widriger Umstände: Der Ton gegenüber Ankara ist hörbar milder geworden, so richtig mag kein EU-Staat durch harte Parolen derzeit den Flüchtlingsdeal mit der Türkei gefährden. Ganz im Gegenteil, im Streit um die Visafreiheit scheint Europa geneigt, der Türkei entgegenzukommen: Bei der Reform der Terrorgesetze, eine der noch insgesamt fünf ausstehenden Bedingungen für die Visaliberalisierung, könnte Ankara demnach mehr Zeit bekommen. Dieser Vorschlag, ursprünglich aufgebracht vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, scheint nicht auf gänzlich taube Ohren zu stoßen. Die EU-Außenminister sind sichtlich um eine neue Tonlage bemüht.