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Nichts ist geklärt

Christoph Hasselbach19. Februar 2016

Weder in den Verhandlungen mit Großbritannien über eine EU-Reform noch bei der Suche nach einer europäischen Lösung der Flüchtlingskrise hat der Gipfel bisher Ergebnisse gebracht.

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David Cameron und Angela Merkel (Foto: Getty Images/D.Kitwood)
Bild: Getty Images/D.Kitwood

Es sei "ein Gipfel des Alles oder Nichts". So dramatisch hatte es EU-Ratspräsident Donald Tusk ausgedrückt. Gemünzt war das auf die Verhandlungen mit Großbritannien, nicht auf das Flüchtlingsthema, obwohl beides für die Entwicklung der EU enormen Zündstoff birgt.

Der britische Premierminister David Cameron will "keinen Deal akzeptieren, der nicht erfüllt, was wir brauchen". Bei allem guten Willen der übrigen 27 Mitgliedsländer und der EU-Institutionen - und diesen gibt es durchaus - so einfach bekommt Cameron nicht, was er will. Die Streichung von Sozialleistungen für EU-Ausländer ist so ein schwieriger Punkt, bei dessen Einzelheiten sich die Experten während der Nacht die Köpfe heißreden; ein anderer die Befürchtung Frankreichs und Deutschlands, die Briten, die nicht dem Euro-Raum angehören, könnten ein Vetorecht gegen Entscheidungen der Euro-Länder bekommen und allgemein weitere Integration der Integrationswilligen torpedieren.

Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments, will außerdem vermeiden, dass Zugeständnisse an Großbritannien dazu führen, dass andere Länder ebenfalls Sonderrechte fordern. Dann, so Schulz, "wären wir im Vertragsänderungsmodus", was einen jahrelangen Prozess nach sich ziehen würde.

Aufatmen beim englischen Frühstück?

Hier setzt Nigel Farage an, der Vorsitzende der EU-feindlichen UKIP-Partei, der in jedem Fall für einen Austritt Großbritanniens ist. Er bemängelt schon jetzt, Europaparlament und EU-Gerichte könnten jede Vereinbarung auch wieder zu Fall bringen. Falls Cameron, wie im Moment spekuliert wird, schon in diesem Frühsommer abstimmen lässt, würden die Briten nach dieser Lesart die Katze im Sack oder, wie sich Farage ausdrückte, einen Gebrauchtwagen kaufen, "bei dem man den Motor vorher nicht testen darf".

Die Verhandlungen gehen nun durch die Nacht, teils auf Expertenebene. Am Freitagmorgen soll dann zum "englischen Frühstück" gedeckt werden, um den Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Länder die Ergebnisse vorzulegen. Noch ist offen, ob Cameron oder den anderen die Eier mit Speck schmecken werden oder ob weitere Mahlzeiten notwendig sind.

Englisches Frühstück (Foto: imago)
Vielleicht können ja Eier mit Speck allen Beteiligten einen "Deal" schmackhaft machenBild: Imago/McPHOTO

Merkels europäische Lösung zerrinnt

In der Flüchtlingskrise ist die Situation zwar mindestens ebenso dramatisch. Trotzdem wollen sich die Staats- und Regierungschefs hier noch einen Monat bis zum nächsten Gipfel im März geben. Bis dann soll spätestens klar sein, ob die EU doch noch eine gemeinsame Politik in dieser Frage findet.

Verzweifelt versucht Bundeskanzlerin Angela Merkel, von ihrem Plan zu retten, was zu retten ist. Der besteht darin, dass die Türkei Flüchtlinge davon abhält, weiter nach Europa zu ziehen. Im Gegenzug wollen die Europäer Geld an Ankara zahlen. So weit, so gut. Schwieriger in Europa durchzusetzen sind schon die politischen Zugeständnisse: Die EU will die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beschleunigen und hat visumfreies Reisen für türkische Staatsbürger in Aussicht gestellt. Der problematischste Teil dieses Plans ist, dass sich EU-Staaten bereiterklären müssen, der Türkei Kontingente an Flüchtlingen abzunehmen. Doch die Bereitschaft dazu geht immer weiter zurück. Auch Frankreich winkt inzwischen ab. Ein Grund ist, dass die Türkei bisher die Flüchtlingszahlen nach Griechenland kaum gedrückt hat.

Eigentlich war ein Treffen einer "Koalition der Willigen" mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmed Davutoglu geplant, es wurde aber wegen des Anschlags in der Türkei abgesagt. Eine gemeinsame europäische Aufnahmepolitik ist heute jedenfalls weniger absehbar denn je. Von der bereits vergangenes Jahr vereinbarten Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien ist schon gar keine Rede mehr.

Volles Flüchtlingsboot (Foto: Getty Images/AFP/A. Messinis)
Die EU will, dass die Türkei Flüchtlinge von Europa abhältBild: Getty Images/AFP/A. Messinis

Manche schaffen einfach nationale Fakten

Die Auflösungserscheinungen sind bereits deutlich sichtbar: Falls der Flüchtlingsstrom von Griechenland Richtung Norden unvermindert anhält, wollen die vier Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei die mazedonisch-griechische Grenze abriegeln. Griechenland bliebe auf den sich stauenden Menschen sitzen. Es wäre das Ende eines gemeinsamen Ansatzes und würde Griechenland faktisch aus dem grenzkontrollfreien Schengen-Raum ausschließen.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass zunehmend jeder macht, was er will, ist Österreich. Die Wiener Regierung hat unbeeindruckt auf die Rüge der EU-Kommission reagiert, die verkündete österreichische Asylobergrenze sei unvereinbar mit internationalem Recht.

Bis zum Frühjahrsgipfel im März "müssen Entscheidungen getroffen werden". Dieser Passus wurde erst kurz vor Gipfelbeginn in die Schlussfolgerungen aufgenommen, offenbar als klar wurde, dass es diesmal wieder nichts mit einer einheitlichen Linie werden würde. Spätestens im März wird sich zeigen, ob mit dem wämeren Wetter auch wieder die Flüchtlingszahlen steigen. Die EU gibt sich eine letzte Frist.