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Merkel und Sarkozy geben sich harmonisch

23. Oktober 2011

Die Staats- und Regierungschefs ringen in Brüssel um gemeinsame Lösungen für die Euro-Krise. Banken sollen im Notfall staatliche Finanzspritzen bekommen. Weitere Entscheidungen wurden auf kommende Woche vertagt.

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Sarkozy gestikuliert, neben ihr lauscht Merkel per Kopfhörer der Übersetzung (Foto: Wiktor Dabkowski)
Lassen nach außen nichts zwischen sich kommen: Bundeskanzlerin Merkel, Präsident Sarkozy in BrüsselBild: picture alliance/ZUMA Press

Trotz der harten Verhandlungen gab es am Sonntag (23.10.) in Brüssel auch Raum für Gefühle: Bundeskanzlerin Angela Merkel schenkte nach Diplomatenangaben dem französischen Präsidenten und frischgebackenen Vater Nicolas Sarkozy einen Plüschteddy für Töchterchen Giulia. Auch bei ihrem gemeinsamen Presseauftritt bemühten sich Merkel und Sarkozy um ein harmonisches Erscheinungsbild. Doch handfeste Entscheidungen konnten sie bisher nicht bekanntgeben. Merkel warb noch einmal um Verständnis dafür, dass die eigentlichen Entscheidungen erst bei einem zweiten Gipfel am Mittwoch fallen sollen. "Das muss mit Sorgfalt geschehen, das muss auch mit Akkuratesse im Detail geschehen und gleichzeitig mit großer Entschiedenheit. Wir sind unserer Verantwortung außerordentlich bewusst."

Neues Staatsgeld für Banken nur als letztes Mittel

Berlusconi hebt grüßend die Hand, umringt von Mitarbeitern(Foto: AP/dapd)
Sorgenkind Italien: Berlusconi bei seiner Ankunft in BrüsselBild: dapd

Klar ist inzwischen, dass Griechenland sehr viel stärker entschuldet werden muss als bisher vorgesehen, möglicherweise um mehr als 50 Prozent. Um solche Ausfälle verkraften zu können, werden manche europäische Banken Kapitalspritzen brauchen. Das würde natürlich erst recht gelten, falls auch große Länder wie Italien in Schwierigkeiten gerieten. Bei der ersten Bankenrettung nach den Lehman-Pleite 2008 hatte sich jeder europäische Staat noch weitgehend um seine jeweils eigenen Banken gekümmert. Das soll nach dem Willen der EU diesmal anders werden. Denn die Garantien einiger Staaten würden diesmal nicht mehr ausreichen.

Im Gespräch ist jetzt eine europäische Lösung. Wie genau die aussehen wird, auch das ist noch offen. Jedenfalls sollen die größten europäischen Banken bis Mitte kommenden Jahres ihr Eigenkapital um mehr als 100 Milliarden Euro erhöhen, möglichst ohne dass der Steuerzahler einspringen muss, so Merkel. "Erst einmal versuchen die Banken selber, sich zu kapitalisieren. Sollte das nicht gelingen, dann wird der Nationalstaat gefragt, und sollte ein Land dazu nicht in der Lage sein, dann soll gegen eine Konditionalität auch das Instrument des EFSF genutzt werden." Wie der Rettungsfonds EFSF schlagkräftiger werden kann, um diese Aufgabe auch zu erfüllen, das ist allerdings nach wie vor zwischen Deutschland und Frankreich umstritten.

Gespräche mit "Freund" Berlusconi

Unterdessen wächst der Druck auf den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, mehr zum Schuldenabbau zu tun. Italien hat nach Griechenland den zweithöchsten Gesamtschuldenstand mit 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Bereits eine Quote von 90 Prozent gilt als kritisch.

Merkel, Sarkozy, aber auch EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und Kommissionspräsident José Manuel Barroso haben Berlusconi jeweils ins Gebet genommen. Sie glauben, Berlusconis Konsolidierungsbemühungen reichten nicht, um Italien aus der Schusslinie zu bringen. Berlusconi sagte nach der Unterredung mit Merkel und Sarkozy ironisch, er sei in seinem Leben noch nie bei einer Prüfung "durchgefallen". Merkel selbst sprach von einem "Gespräch unter Freunden", offenbar ein Zeichen für Offenheit.

Droht der EU die Spaltung?

Demonstranten werfen Steine Richtung Polizisten(Foto: AP/dapd)
"Entscheidungen für Länder, für die wir nicht gewählt wurden": Proteste in Athen gegen SparmaßnahmenBild: dapd

Eins ist inzwischen auch klar: Die Euro-Länder wollen in Zukunft in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik enger zusammenarbeiten und sich mehr Disziplin unterwerfen, damit Ungleichgewichte und Schulden nicht überhandnehmen. Doch der britische Premierminister David Cameron befürchtet bereits, die Nicht-Euro-Länder würden von den Entscheidungen der Eurozone betroffen, ohne sie selbst beeinflussen zu können.

Kommissionspräsident Barroso sieht es genauso: "Es darf keine Spaltung zwischen der Eurozone und dem Rest der Europäischen Union geben." Andererseits zeigte sich Cameron froh, dass Großbritannien sein Pfund behalten hat. Auch der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt sagte: "In Schweden war die Unterstützung für die schwedische Währung wahrscheinlich noch nie so groß wie jetzt."

Die Helfer fühlen sich unwohl in ihrer Haut

Der Brüsseler Gipfel blieb weitgehend unbehelligt von Demonstranten der "Occupy"-Bewegung. Nur ein kleines Häuflein hatte sich vor den weiträumigen Absperrungen um das Ratsgebäude eingefunden. Doch die Staats- und Regierungschefs sind sich des Widerstands gegen die Sparmaßnahmen vor allem in den schwächsten Ländern wie Griechenland, Portugal und Spanien durchaus bewusst. Sarkozy gab zu verstehen, wie schwierig er die Rolle des Zuchtmeisters findet. "Frau Merkel und ich finden uns hier in der Verantwortung, Entscheidungen für Länder zu fällen, für die wir nicht gewählt wurden. Und jeder muss verstehen, dass das auch demokratische Probleme mit sich bringt. Es gibt viel Leiden und soziale Probleme in diesen Ländern." In Griechenland hatten die Proteste und Streiks in den vergangenen Tagen einen neuen Höhepunkt erreicht.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Ursula Kissel