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EU-Gipfel sucht einen Weg aus der Verfassungskrise

Christoph Hasselbach, Brüssel15. Juni 2006

Die europäischen Staats- und Regierungschefs sind zu einem zweitägigen Gipfel in Brüssel zusammengekommen. Wichtiges Thema dabei: die Lösung der schweren Krise um die EU-Verfassung.

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Merkel und Schüssel beim GipfekussBild: AP

Ein Jahr, nachdem Franzosen und Niederländer eine europäische Verfassung abgelehnt haben, ist das Thema präsenter denn je. Frankreichs Staatspräsident Jaques Chirac gab kürzlich offen zu: "Wir befinden uns gerade in einer schwierigen Lage. Wir kommen natürlich wieder da raus. Wir brauchen eine Zeit des Nachdenkens."

Aber wie lange soll das Nachdenken dauern, und was soll am Ende davon stehen? Ein neuer Verfassungsentwurf? Der amtierende EU-Ratspräsident, der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, winkt ab: "Es soll mir einer erst einmal ein besseres Modell vorschlagen oder bessere Ideen auf den Tisch legen, dann lasse ich mich natürlich gerne überzeugen. Aber bis zur Stunde kenne ich keine besseres Modell."

"Wir haben ein Budget für sieben Jahre"

Zu Beginn des Treffens am Donnerstag (15.6.2006) versuchte Schüssel als Ratsvorsitzender, dem abgelaufenen EU-Jahr einen Sinn zu geben: "Damals war das große Jammern: Keine Verfassung, kein Budget, keine Dienstleistungsrichtlinie. Jetzt, ein Jahr später, haben wir zwei Millionen mehr Arbeitsplätze, wir haben ein Budget für die nächsten sieben Jahre, wir haben eine Dienstleistungsrichtlinie. Und wir sind mit konkreten Projekten gut unterwegs."

Neue Referenden unwahrscheinlich

Ein neuer Entwurf wäre auch deshalb schwierig, weil eine ganze Reihe von Staaten die Verfassung bereits ratifiziert haben. Ihnen kann kaum der gesamte Prozess noch einmal zugemutet werden. Außerdem scheint zum Beispiel in Frankreich Umfragen zufolge der Widerstand gegen eine Verfassung eher noch gewachsen zu sein. Ob mit neuem oder altem Text, neue Referenden wären im Moment politisch hoch riskant.

Schüssel und andere hoffen inzwischen in der Verfassungsfrage nicht auf die kommende finnische Präsidentschaft, sondern schon auf die deutsche in der ersten Hälfte 2007: "Man sollte versuchen, unter deutschem Vorsitz einen neuen Anlauf zu nehmen. Und spätestens unter französischem Vorsitz - zweite Hälfte 2008 - sollte die endgültige Entscheidung da sein.", sagte Schüssel in Brüssel.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits gesagt, dass sie diese Herausforderung annehmen will. Sie hat aber nicht gesagt wie. Und viele sagen, die Aufgabe sei auf absehbare Zeit nicht zu lösen.

Bedenken bestehen weiter

Von Merkel und der deutschen Präsidentschaft kann man keine Wunder erwarten. Es hat sich in ganz Europa eine gewisse Müdigkeit und Richtungslosigkeit breit gemacht. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso versuchte kurz vor dem Gipfel, die Debatte auf die möglichen Gründe dafür zu lenken. Denn hinter dem Widerstand gegen die Verfassung steht oft Widerstand gegen die Erweiterung.

Nach der Mega-Erweiterung 2004 von zehn neuen Staaten stoßen bald Rumänien und Bulgarien dazu, mehrere Balkan-Staaten und die Türkei hoffen ebenfalls auf einen Beitritt: "Bei der Erweiterung möchte ich klare Aussagen erreichen, dass wir einmal gegebene Zusagen einhalten. Gleichzeitig sollten wir eine Debatte über die Aufnahmefähigkeit der Union führen. Es gibt Sorgen in der Öffentlichkeit. Es ist gut, dass sie angesprochen werden", so Barroso.