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PolitikEuropa

Wenig Konkretes beim EU-Corona-Gipfel

30. Oktober 2020

Erfahrungsaustausch in Brüssel in Krisenzeiten: Die Staats- und Regierungschefs erklärten sich gegenseitig, wie sie die galoppierende Pandemie eingrenzen wollen. Jetzt müssen Impf-Pläne entwickelt werden.

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Europäischer Rat - EU-Gipfel per Videoschalte zur Coronakrise
Video-Wand im Ratsgebäude in Brüssel. Präsident Michel (oben) drückt die Knöpfe beim EU-GipfelBild: EbS EU AV Service

Die Videokonferenz am Donnerstagabend war kein normales Gipfelgespräch der 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. Es gab keine schriftlichen Vorlagen. Beschlüsse wurden keine gefasst. Die Chefinnen und Chefs wollten sich über die jeweiligen Rezepte zur Eindämmung der Corona-Pandemie austauschen. Wer hat welche Maßnahmen in seinem Land erlassen und warum? "Vor allem wollen wir wissen, was ist die Wirkung", sagte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz in Wien. Manche Staaten seien im Infektionsgeschehen noch Wochen hinter den schwerer getroffenen hinterher. Da könne man noch was lernen, meinte Kurz. 

Eine Koordinierung der Maßnahmen vom simplen Masken tragen über Kontakte einschränken, Feiern verbieten, Gastronomie schließen bis hin zu Ausgangssperren ist nicht vorgesehen. Einen europäischen Lockdown werde es nicht geben, sagten dazu EU-Beamte. Jedes Land bleibe alleine verantwortlich und mache das, was es für richtig halte.

Belgien Brüssel | EU Gipfel | Ursula von der Leyen
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen fordert mehr Koordination von den EU-Staaten (Archivbild)Bild: Dursun Aydemir/AA/picture-alliance

Grenzen offen halten - im Prinzip

Die Staats- und Regierungschefs waren sich aber einig, dass es keine Schließung der Binnengrenzen in der EU geben soll, wie das großflächig in der ersten Welle im Frühjahr der Fall war. Der Personen- und Warenverkehr soll ungehindert möglich sein. "Zu Beginn der Pandemie gab es - aus dem Bauch heraus entschieden - die Tendenz, sich abzuschotten", sagte der Vorsitzende des Europäischen Rates, Charles Michel. "Das ist jetzt anders. Wir haben gelernt. Bemerkenswert war heute, dass sich alle dafür ausgesprochen haben, den Binnenmarkt und die Lieferketten unter allen Umständen am Laufen zu halten." Allerdings haben Dänemark, Finnland und Tschechien bereits wieder ihre Grenzen für bestimmte Personengruppen geschlossen. Reisen sollten, so die EU-Kommission, freiwillig auf das wirklich absolut notwendige Maß zurückgefahren werden. 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte wiederholt an die Mitgliedsstaaten appelliert, sich bei den COVID-19-Maßnahmen besser abzusprechen. Gerade erst hatte sie angemerkt, dass nicht alle Mitgliedsstaaten die notwendigen Daten über Infektionen, positive Tests, Krankenhausbetten und so weiter an die zentrale Seuchenbehörde der EU (ECDC) in Stockholm weitermelden. Von der Leyen gab ein einfaches Bespiel für notwendige Koordination: Elf Mitgliedsstaaten hätten elektronische Passagier- und Einreiseformulare eingeführt, um Infektionsketten nachvollziehen zu können. "Aber diese Formulare sind alle nicht miteinander kompatibel. Und wenn es um grenzüberschreitendes Reisen geht, ist das nicht sinnvoll", so von der Leyen. Die EU-Kommission will deshalb sieben Monate nach Beginn der Pandemie dafür sorgen, dass ein gemeinsames europäisches Formular entwickelt wird, dessen Daten von allen Mitgliedsstaaten genutzt werden können. Notwendig sei auch die gegenseitige Anerkennung von Corona-Tests, sagte EU-Ratsvorsitzender Charles Michel.

Impf-Pläne nötig

Die EU-Kommissionspräsidentin forderte die versammelten Staats- und Regierungschefs auf, für ihre Länder Strategien zur Impfung der Bevölkerung zu entwickeln. Ursula von der Leyen teilte dazu eine Blaupause aus, die, wie sie sagte, "auf viel Interesse" stieß. Die Staaten müssten festlegen, wer wo zuerst geimpft werden solle. Die Kommission beschafft im Auftrag der Mitgliedsstaaten 1,2 Milliarden Impfdosen im kommenden Jahr, sobald ein zugelassener Impfstoff vorliegt. "Wir haben mit drei Firmen bereits Verträge abgeschlossen. Drei weitere Firmen sind vielversprechend. Mit einer siebten wird verhandelt", berichtete von der Leyen. Mit massenhaften Impfungen rechnet sie nicht vor April 2021. 

Von den von jetzt ab regelmäßigen Videokonferenzen der Staats- und Regierungschefs verspricht sich die ausgebildete Ärztin von der Leyen einen gewissen erzieherischen Effekt. "Es ist wichtig mit diesen regelmäßigen Treffen auf dieser Ebene einen kontinuierlichen Informationsfluss zu gewährleisten", sagte sie in der Pressekonferenz nach der Videoschalte in Brüssel. Es sei aber klar, dass die EU-Kommission immer nur Empfehlungen im Gesundheitsbereich aussprechen könne. Der fällt ausschließlich in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten. 

Unterstützung für Frankreich

Zu Beginn der Videorunde verabschiedeten die EU-Staaten eine Solidaritätserklärung für Frankreich, das am Donnerstag erneut von einem islamistischen Terrorakt erschüttert worden war. In Nizza hatte ein 21 Jahre alter Mann aus Tunesien drei Menschen ermordet. "Wir stehen vereint und fest in unserer Solidarität mit Frankreich, dem französischen Volk und der französischen Regierung, in unserem gemeinsamen und fortgesetzten Kampf gegen Terror und gewaltbereiten Extremismus", heißt es in dem kurzen Text. Die EU forderte gleichzeitig andere "Führer in der ganzen Welt" auf, für Verständigung und Dialog zwischen Religionsgemeinschaften und nicht für Spaltung zu sorgen. Der französische Präsident Emmanuel Macron, der den Tatort, eine Basilika im Zentrum von Nizza, am Nachmittag besucht hatte, bedankte sich für die Solidarität der übrigen EU-Mitglieder. "Wir sind eine Familie...versammelt, um die Werte unserer Union zu verteidigen. Ihnen allen möchte ich sagen: Danke für ihren Beistand!", schrieb Macron im Kurznachrichtendienst "Twitter". 

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union