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Politik

EU-Grenzen bleiben offen - aber mehr Kontrollen für Reisende

Barbara Wesel
22. Januar 2021

Die EU warnt vor der Verbreitung neuer Mutationen des Coronavirus und plant weitere Einschränkungen für Reisende. Dagegen sollen die Binnengrenzen für Güter und Pendler offen bleiben.

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Belgien Brüssel | Pressekonferenz Ursula von der Leyen und Charles Michel
Bild: Thierry Monasse/AA/picture alliance

Es war das neunte Treffen der EU-Regierungschefs per Videokonferenz zur Koordination ihrer Corona-Politik. Die Situation sei ernst, vor allem wegen der neuen Mutationen aus Großbritannien oder Südafrika, die bereits in Teilen der EU nachgewiesen wurden, hieß es nach Ende der Debatte. Dabei appellieren die EU-Spitzen an alle Mitgliedsländer, ihre restriktiven Maßnahmen zu koordinieren und Kontrollen zu koordinieren.

Reisebeschränkungen in Vorbereitung

„Wir sind besorgt über die auftrauchenden Mutationen", erklärte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, deshalb müssten die Länder unbedingt mehr testen und mehr Genanalysen betreiben, um die Art der kursierenden Viren festzustellen. Bei fast allen Mitgliedsländern liege die Quote derzeit unter einem Prozent, was viel zu wenig sei, so von der Leyen. Mindestens fünf Prozent aller positiven Tests müssten untersucht werden, um Sicherheit über die kursierenden Formen des Virus zu gewinnen. 

Auf diesem Hintergrund will die Behörde in Brüssel am Montag einen Plan vorlegen, nach dem nicht-wesentliche Reisen "entmutigt" werden sollen. Der Blick richtet sich hier zunächst auf die Reisewelle während der Winterferien im Februar, die Einschränkungen können aber auch länger andauern. Dabei wird nicht von einem direkten Verbot gesprochen, es soll jedoch strengere Kontrollen, einheitliche verpflichtende Tests und Quarantänegebote geben, um jede grenzüberschreitende Bewegung so weit wie möglich zu unterbinden.

Frankreich verschärft Einreisebedingungen

Frankreich ist bereits vorgeprescht und will ab Sonntag für alle Reisenden aus der EU einen negativen Corona-Test 72 Stunden vor Abreise zur Pflicht machen. Der Güterverkehr und beruflich unabdingbare Reisen sollen außen vor bleiben. Zu erwarten ist, dass in der kommenden Woche die meisten anderen EU-Länder hier nachziehen werden, soweit sie bisher verpflichtende Tests noch nicht vorschreiben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor dem Treffen in Berlin erklärt, dass extensive Grenzkontrollen ein Mittel der letzten Wahl seien, wenn man sie auch nicht ganz ausschließen könne. Der belgische Premierminister Alexander Croo hatte zuvor gefordert, Reisen vorübergehend ganz zu untersagen. Dagegen steht der Wille der EU-Kommission wie auch einer Mehrheit der Mitgliedsländer, die Binnengrenzen in der EU weiter offen zu halten, um nicht erneut chaotische Szenen wie im vergangenen Frühjahr zu verursachen. Güter und Pendler in wesentlichen Berufen sollen also weiter die Grenze überqueren können.

Man brauche "gezielte Maßnahmen", sagte von der Leyen und schlug vor, den bisherigen Warnstufen noch eine tief-dunkelrote hinzuzufügen, um Regionen mit besonders starkem Infektionsgeschehen und mit Virusmutationen zu kennzeichen. Die Entscheidung über weitere Restriktionen liegt dabei weiter bei den EU-Mitgliedsländern, wenn auch die Bereitschaft zur Abstimmung erkennbar gewachsen zu sein scheint. Die Kommission will jetzt einen Vorschlag für eine "Geeinte Front zur Bekämpfung von COVID-19" vorlegen.

Impfstoff Pfizer-BioNTech COVID-19
Der Corona-Impfstoff von Pfizer-BioNTech ist nicht überall ausreichend verfügbarBild: Christof STACHE/AFP

Frustration über geringere Lieferungen von Impfstoff

"In ein paar Monaten werden wir mehr Dosen von Impfstoff haben, als wir brauchen", versuchte Ursula von der Leyen die Mitgliedsländer zu trösten. Bei denen aber war der Frust über die derzeit verzögerten Lieferungen groß. Italien will die Herstellerfima Pfizer sogar verklagen und Länder wie Rumänien, Polen oder Tschechien beschweren sich heftig, weil sie derzeit teilweise nur die Hälfte der vereinbarten Menge an Pfizer-Impfstoff erhalten würden. "Die Mitgliedsländer wollen schnellere Lieferungen", räumte die Kommissionchefin ein, sie sei mit den Herstellern deswegen im Kontakt. Die Behörde in Brüssel hatte im Sommer den Ankauf von Impfstoffen an sich gezogen. 

Sie verhandle auch mit der Arzneimittelbehörde, so Ursula von der Leyen, und stellte die "baldige" Zulassung weiterer Impfstoffe in Aussicht. In den nächsten Wochen wird die Freigabe des Präparats von AstraZeneca erwartet, der leichter zu lagern ist und deshalb die Impfungen in der EU beschleunigen könnte, wenn genug davon geliefert werden kann. Pfizer versprach unterdessen, den Lieferrückstand im Februar wieder aufzuholen. Die Probleme werden mit einer Produktionserweiterung in der Fabrik im belgischen Puurs erklärt, wo der Impfstoff für den EU-Gebrauch überwiegend hergestellt wird.

Was allerdings das europäische Ziel angeht, 70 Prozent der Bevölkerung bis Ende August zu impfen, so blieben die EU-Spitzen etwas unkonkret: "Wir streben das an", sagte Charles Michel für den Rat der Regierungen. Er forderte die Mitgliedsländer gleichzeitig auf, ihre Impfkampagnen zu beschleunigen. In einigen Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden haben sie spät und zögerlich begonnen, sind mit Bürokratie verbunden oder kämpfen mit Akzeptanzproblemen. Diese Schierigkeiten  könnten nicht auf europäischer sondern nur auf nationaler Ebene gelöst werden.

Vorläufig kein Impfpass mit Reisefreiheit

Aufgeschoben wurde in der EU die Idee eines einheitlichen digitalen Impfpasses, der den Bürgern wieder Bewegungsfreiheit geben könnte, wie ihn der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis - unterstützt von der spanischen Regierung - ins Spiel gebracht hatte. Beide Länder versuchen, ihre nächste Tourismussaison zu retten.

Aber der Vorschlag stieß auf wenig Gegenliebe: Man wisse noch nicht, ob geimpfte Personen das Virus nicht mehr weitergeben würden, sagte Ursula von der Leyen. Auch sei unbekannt, wie lange die Wirkung der Impfungen überhaupt anhalten würde. Den bekannten gelben Impfpass nach WHO-Muster solle es weiter geben. Aber aus dem Reisefreiheits-Dokument dürfte vor dem Sommer kaum etwas werden. Die EU-Regierungschefs vertagten diese Debatte auf später.