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EU-Gutachten rügt Ungarn, Polen und Tschechien

31. Oktober 2019

Wegen mangelnder Solidarität in der Flüchtlingskrise haben Ungarn, Polen und Tschechien nach Ansicht einer Gutachterin des Europäischen Gerichtshofs gegen EU-Recht verstoßen. Das befand die Generalanwältin.

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Luxemburg Schild Europäischer Gerichtshof EuGH
Bild: Imago Images/P. Scheiber

Die drei Länder hätten sich nicht weigern dürfen, einen Beschluss zur Umverteilung syrischer und anderer Asylbewerber aus Griechenland und Italien umzusetzen, erklärte die Generalanwältin Eleanor Sharpston in Luxemburg. Die britische Juristin erklärte vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), die von Ungarn, Polen und Tschechien genannten Vorbehalte seien unbegründet.

Den Ländern sei es ohne weiteres möglich gewesen, Sicherheit und Wohlergehen ihrer Bürger zu schützen. Die Umsiedlung eines Asylbewerbers hätte jederzeit mit berechtigten Gründen abgelehnt werden können, führt die Generalanwältin in den EuGH-Anträgen aus. Diese sind Teil eines Vertragsverletzungsverfahren, das gegen die drei osteuropäischen Mitgliedstaaten in der Sache läuft.

"Das Wesen von Solidarität"

Eleanor Sharpston
Wird das Gericht Ihren Ausführungen folgen? Generalanwältin Eleanor SharpstonBild: picture-alliance/Photoshot

Weiter betont Sharpston, beide Seiten - Griechenland und Italien sowie die aufnehmenden Länder - seien in der Notsituation von 2015 dafür verantwortlich gewesen, den Beschluss angemessen umzusetzen. So hätte der "unerträgliche Druck" auf die Länder an den EU-Außengrenzen gemildert werden können. "Das ist das Wesen von Solidarität." Für den Fall, dass es erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung gegeben hätte, hätten die Beschlüsse zeitweise ausgesetzt werden können - allerdings nicht einseitig.

Die EU-Staaten hatten 2015 in zwei Mehrheitsentscheidungen beschlossen, bis zu 160.000 Asylbewerber in der Europäischen Union umzuverteilen. Ungarn, Polen und Tschechien weigerten sich allerdings beharrlich, den Beschluss umzusetzen - obwohl der EuGH die Rechtmäßigkeit der Entscheidung in einem späteren Urteil bestätigte. Die EU-Kommission, die in der Staatengemeinschaft unter anderem die Einhaltung von EU-Recht überwacht, klagte daraufhin gegen die drei Länder.

Hilfe für Rom und Athen

Der EU-Beschluss von 2015 sollte Italien und Griechenland entlasten. Zugleich entzweite er die EU-Staaten jedoch nachhaltig. Bis heute stehen sie sich in der Migrationspolitik teils unversöhnlich gegenüber. Die geplante große EU-Asylreform kommt seit Jahren kaum voran.

Zäune gegen Migranten

In ihrem Gutachten stellt Sharpston zudem grundsätzliche Überlegungen an: Die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in einem Land bedeute auch, dass der Staat die eigenen Rechtspflichten erfüllen müsse. Eine Missachtung dieser Pflichten, weil sie im konkreten Fall unwillkommen oder unpopulär seien, sei ein "gefährlicher erster Schritt hin zum Zusammenbruch einer der Rechtsstaatlichkeit verpflichteten geordneten und strukturierten Gesellschaft".

Polen und Ungarn haben nach Erhebungen der EU-Kommission keinen einzigen Asylbewerber im Rahmen der Beschlüsse von 2015 aufgenommen, Tschechien zwölf. Allerdings führte Polen im vergangenen Jahr die Liste jener EU-Staaten an, die den meisten Ausländern aus Drittstaaten den Aufenthalt in ihrem Land erlaubten. Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge erteilte Warschau 635.000 Aufenthaltstitel an Nicht-EU-Bürger - zum Großteil an Ukrainer.

Polen mauert weiter

Die polnische Regierung beharrt indes auch nach Veröffentlichung des Gutachtens auf ihrer Position. Diese sei durch den EU-Vertrag gedeckt, sagte ein Regierungssprecher laut Nachrichtenagentur PAP. Demnach hätten die EU-Staaten die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und öffentlichen Ordnung. "Unsere Handlungen wurden bestimmt von den Interessen der polnischen Bürger und dem Schutz vor unkontrollierter Migration." Auch dank der harten Haltung Polens und der übrigen Visegrad-Staaten habe die EU ihren Umgang mit der Flüchtlingsfrage geändert und von der Umverteilung Abstand genommen.

Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis äußerte sich nur vorsichtig. "In jedem Fall müssen wir das Urteil des Gerichts abwarten, das einzig und allein verbindlich ist", sagte der Gründer der populistischen Partei ANO der Agentur CTK zufolge. Tschechien "studiere und analysiere" derzeit das Gutachten der Generalanwältin.

Die Einschätzung der Gutachterin ist nicht bindend, häufig folgen die Richter ihr aber. Ein Urteil dürfte in den kommenden Monaten fallen. Dann könnte der EuGH Zwangsgelder gegen die drei Länder verhängen.

kle/sti (dpa, kna)