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EU-Kommission kritisiert Balkanstaaten und Türkei

7. November 2007

Brüssel hat in seinem Fortschrittsbericht für die EU-Aspiranten des ehemaligen Jugoslawien, Albanien und die Türkei das langsame Reformtempo in allen Staaten kritisiert. Nur für Kroatien gab es Lob.

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Olli Rehn sieht europäische Perspektive für die gesamte RegionBild: picture-alliance/dpa

Der so genannte Fortschrittsbericht der EU-Kommission für Aspiranten auf eine Mitgliedschaft ist in diesem Herbst sehr kritisch für die Balkanstaaten und die Türkei ausgefallen. Hauptkritikpunkte sind schleppende Reformen sowie anhaltende Korruption in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien und in Albanien. Von der Türkei fordert die EU vor allem eine Stärkung der Meinungs- und Religionsfreiheit. Lediglich für Kroatien gab es etwas Lob. Die EU honorierte außerdem Belgrad am Mittwoch (8.11.) mit der Paraphierung des so genannten Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA). In Kraft treten soll dieses Abkommens allerdings erst, wenn Belgrad gesuchte Kriegsverbrecher festnimmt und umfassend mit dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal (ICTY) in Den Haag zusammenarbeitet.

Kroatien

Hinsichtlich des EU-Beitrittskandidaten Kroatien stellte die EU-Kommission fest, die Verhandlungen mit Zagreb kämen gut voran. Es wurde allerdings angemerkt, dass Kroatien die Justizreform verstärken müsse. Dies gelte ebenfalls für einige Wirtschaftsbereiche wie dem Schiffbau und der Stahlindustrie. Kroatien habe 2007 seine Kapazitäten zur Übernahme seiner Pflichten für die EU-Mitgliedschaft kontinuierlich verbessert. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn sagte: "Kroatien ist in immer höheren Maße ein positiver Maßstab für die übrigen Länder des Westbalkan." Es könne seinen Fortschritt der gesamten Region zeigen. "Damit beweist Kroatien, dass die europäische Perspektive für die gesamte Region wirklich, realisierbar und machbar ist", sagte Rehn.

Mazedonien

Der andere EU-Beitrittskandidat vom Westbalkan, Mazedonien, muss dagegen einige Kritik einstecken. Erweiterungskommissar Rehn begrüßte zwar Fortschritte bei der Bekämpfung der Korruption. Allerdings würden politische Spannungen die Reformen verzögern. Daher forderte Rehn die Politiker in Mazedonien zu einem konstruktiven politischen Dialog auf. Im Fortschrittsbericht heißt es, die häufigen Spannungen und Probleme zwischen den politischen Akteuren hätten ein effizientes Funktionieren der politischen Institutionen untergraben und zu einem Reformstau in Mazedonien geführt. Des Weiteren habe sich der Mangel an Kommunikation zwischen den politischen Schlüsselfiguren im Land und das Verhalten der Opposition negativ auf die Arbeit der politischen Institutionen ausgewirkt. "Der Boykott des Parlaments seitens einer der größten Oppositionsparteien ebenso wie die geringe Zusammenarbeit zwischen dem Präsidenten und dem Premier haben ein effizientes Funktionieren der politischen Institutionen behindert", heißt es in dem Bericht.

Erwähnt wird auch der Streit mit Griechenland um den Staatsnamen. Auf Geheiß von Griechenland heißt Mazedonien offiziell "Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien", um eine Verwechslung mit der gleichnamigen griechischen Provinz zu vermeiden. Athen und Skopje führen diesen Namensstreit bereits seit 1993. Dabei versuchen die UN zu vermitteln – bisher ohne Erfolg. Daher rief Erweiterungskommissar Rehn beide Parteien auf, diese Streitfrage rasch beizulegen: "Dies ist eine bilaterale Frage. Wir ermutigen beide Seiten, eine konstruktive Lösung für diese Frage zu suchen u. z. gemeinsam mit den Vereinten Nationen."

Bosnien-Herzegowina

Verantwortlich für den Reformstau in Bosnien-Herzegowina sind dem Bericht der EU-Kommission zufolge teilweise komplizierte institutionelle Gegebenheiten, die Missachtung des Dayton-Friedensabkommens und nationalistische Rhetorik vieler Politiker. In punkto Demokratie und Rechtsstaatlichkeit werden begrenzte personelle Kapazitäten festgestellt. Zudem wurden die Politiker in den beiden Entitäten – der kroatisch-muslimischen Föderation und der Serbischen Republik – gerügt, weil sie keinen ausreichenden Willen zeigen, politische Führung und Verantwortung zu übernehmen.

Montenegro

In dem Jahresbericht erwartet die EU-Kommission vom jüngsten europäischen Land, dass es bedeutende Ergebnisse bei der Verbesserung der Verwaltungskapazitäten und im Kampf gegen Korruption erzielt. Eine bedeutende Gefahr stelle bei letzterem der Bereich Bauwesen, Privatisierung, Konzessionsvergabe und öffentlichen Beschaffung dar. Montenegro habe zwar seit seiner Unabhängigkeitserklärung im Juni 2006 gute Fortschritte bei der Schaffung eines institutionellen und gesetzlichen Rahmens erzielt. Dennoch meint die Kommission, dass die Rolle des Parlaments gestärkt werden könne. Im Bericht werden Reformanstrengungen der Regierung gelobt im Bereich der Verteidigung, der äußeren sowie inneren Angelegenheiten. "Allerdings muss die Effizienz der Regierung insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung von Gesetzen stärker werden", heißt es im Bericht.

Serbien

Auch wenn Serbien das SAA mit der EU nun paraphiert hat, mangelte es am Dienstag (6.11.) nicht an klaren Forderungen. Die politischen Parteien in Serbien seien tief zerstritten, was die Umsetzung der notwendigen Reformen verzögere. Zusätzliche Anstrengungen müssten unternommen werden im Bereich Demokratisierung und Rechtstaatlichkeit. Zur Paraphierung des SAA sei es gekommen, weil die Chefanklägerin des ICTY, Carla del Ponte in den vergangenen Wochen eine Verbesserung der Kooperation Serbiens mit dem Tribunal festgestellt habe. "Der Chefanklägerin zufolge besteht bei der serbischen Regierung der politische Wille, die übrigen Flüchtigen zu verhaften und ans Tribunal auszuliefern", sagte Rehn. Damit habe Serbien die Voraussetzung für eine Paraphierung des SAA erfüllt. Für die Unterzeichung des Abkommens fordere die EU-Kommission aber weiterhin die vollständige Zusammenarbeit Serbiens mit dem ICTY, so der Erweiterungskommissar.

Kosovo

Über die abtrünnige serbische Provinz Kosovo wurde ein eigener Fortschrittsbericht erstellt. Rehn betonte, der künftige Status des Kosovo hinge vom Ausgang des Prozesses ab, den die internationale Kosovo-Troika verfolge. Am Ende sollte es zu einer einvernehmlichen Lösung kommen. Rehn erwartet jedoch bei den Verhandlungen mehr Kreativität von Belgrad und Pristina. "Die Zukunft des Kosovo und seine Beziehung zur EU hängt vom künftigen Statu des Kosovo ab", sagte Rehn.

Albanien

Die EU-Kommission kritisiert auch das Reformtempo in Albanien. In dem Land herrsche ein "hochgradig konfrontatives Klima", heißt es im Kommissionsbericht. Ebenso wie in Montenegro und Mazedonien sei auch in Albanien die Regierung gefordert, im Sinne des Zieles von "good governance" eine bessere und effektivere Politik zu betreiben.

Türkei

Erweiterungskommissar Rehn rief die Türkei zur Besonnenheit im Kampf gegen die terroristische kurdische Arbeiterpartei PKK auf. Er warnte Ankara vor einem militärischen Einmarsch in den Nordirak. In dem Bericht der EU-Kommission wird vor allem die mangelnde Religionsfreiheit für Christen kritisiert. Auch die Meinungsfreiheit sei unzureichend gewährleistet. Es habe begrenzten Fortschritt bei den politischen Reformen im Jahr 2007 gegeben. Positiv wertet die EU-Kommission die friedliche und demokratische Lösung der politischen Krise um das Amt des Staatspräsidenten, die Politik und Militär im Sommer 2007 herbeigeführt haben.

Alen Legovic, Brüssel, DW-Südosteuropa, 7.11.2007