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EU-Kommission will eigene Steuern erheben

30. Juni 2011

Die EU-Kommission will mit einer Finanztransaktionssteuer und einer europäischen Mehrwertsteuer mehr eigene Einnahmen erzielen. Bei den Regierungen mehrerer EU-Mitgliedsstaaten stoßen solche Pläne bislang auf Ablehnung.

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Euroscheine und -Münzen (Archivfoto: dpa)
Die EU-Kommission legt einen Finanzierungsplan für die Jahre 2014 bis 2020 vorBild: picture alliance/dpa

Die EU-Kommission will künftig in der Europäischen Union eigene Steuern erheben. Kommissionspräsident José Manuel Barroso schlug am späten Mittwochabend (29.06.2011) in Brüssel die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und einer Mehrwertsteuer zugunsten des EU-Haushalts vor.

Kommissionspräsident José Manuel Barroso (Foto: dapd)
Kommissionspräsident Barroso: ehrgeiziger und verantwortungsvoller BudgetplanBild: dapd

Mit den neuen Steuern will die Kommission, die bisher den Großteil des EU-Haushalts direkt von den Mitgliedstaaten überwiesen bekommt, über mehr Eigenmittel verfügen. Ziel sei nicht die Ausweitung des EU-Haushalts, sondern eine "solidere Grundlage", sagte Barroso. Die Überweisungen aus den nationalen Haushalten könnten dann verringert werden. Auch Mehrwertsteueranteile aus den Mitgliedstaaten, die bisher an Brüssel gezahlt werden, würden wegfallen.

Gesamtbudget in Höhe von knapp einer Billion Euro

Insgesamt fordert Brüssel eine fünfprozentige Aufstockung des Gemeinschaftsbudgets für die Jahre 2014 bis 2020. Für die nächste Periode seien 972 Milliarden Euro notwendig, heißt es in Barrosos Entwurf. Der laufende Finanzrahmen von 2007 bis 2013 hat ein Volumen von 925 Milliarden Euro. Die Beiträge der Mitgliedsstaaten sollen aber nicht steigen. Denn bis 2020 könnten nach Einschätzung der Kommission die neuen Steuereinnahmen 40 Prozent der gesamten EU-Ausgaben decken. Auch der Anteil von einem Prozent am Bruttoinlandsprodukt in der EU bliebe nach den Plänen der Kommission weitgehend stabil.

Die Hilfe für ärmere Regionen und die Agrarpolitik sollen mit jeweils etwa einem Drittel der Gesamtausgaben wie bisher die größten Budgetposten bleiben. Für die gemeinsame Agrarpolitik sind 371 Milliarden Euro vorgesehen.

Grundlegende Reform

Ein Traktor mit Anhängern transportiert Strohballen auf einem Feld (Foto: AP)
Ein Drittel des EU-Budgets soll wieder in die Landwirtschaft fließenBild: AP

Barroso bezeichnete seine Finanzplanung als "ehrgeizig und zugleich verantwortungsvoll". Sollte sie umgesetzt werden, würde dies eine grundlegende Reform der Finanzierung der EU bedeuten. Bislang stammt das Geld im EU-Haushalt zu rund drei Vierteln aus direkten Zahlungen der Mitgliedsländer, der Rest sind sogenannte Eigenmittel. Diese werden etwa über Zölle auf Handelsgeschäfte eingenommen oder über Bußgelder von Unternehmen, die gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen haben. Eigene Steuern kann die EU-Kommission zurzeit nicht erheben.

Widerstand absehbar

Obwohl die direkten Zahlungen der EU-Länder nach Barrosos Vorschlag künftig einen deutlich geringeren Anteil am EU-Haushalt ausmachen sollen, dürften die Reformen auf Widerstand stoßen. Insbesondere die Finanztransaktionssteuer, die 30 Milliarden Euro pro Jahr erbringen soll, wird von Großbritannien abgelehnt. London fürchtet, dass diese Abgabe auf Banken- und Börsengeschäfte, die nach ihrem Erfinder auch "Tobinsteuer" genannt wird, zur Abwanderung von Banken führt, sollte sie nur in Europa eingeführt werden. Die britische Regierung bezeichnete Barrosos Vorschläge denn auch umgehend als "vollständig unrealistisch".

Deutschland, Frankreich, Österreich und Luxemburg fordern zwar schon länger eine Finanztransaktionssteuer. Das Geld soll allerdings in die nationalen Haushalte fließen. Die Einführung einer eigenen EU-Steuer lehnte Deutschland bislang stets ab. Entsprechende frühere Pläne von EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski wurden von der Bundesregierung scharf kritisiert. Deutschland zahlt ein Fünftel des gesamten EU-Haushalts und ist damit größter Nettozahler der Union.

Verwaltungskosten auf Prüfstand

Das Berlaymont-Gebäude, Sitz der EU-Kommission in Brüssel (Archivfoto: Bernd Riegert / DW)
Das Berlaymont-Gebäude, Sitz der EU-Kommission in BrüsselBild: DW

Einfrieren will die EU ihre eigenen Verwaltungskosten, deren Anteil derzeit bei knapp sechs Prozent am gesamten Haushalt liegt. Die Arbeitszeit der Beamten soll von 37,5 auf 40 Stunden und das Renteneintrittsalter von 63 auf 65 Jahre angehoben werden. Zudem ist ein Personalabbau um fünf Prozent bis zum Jahr 2018 vorgesehen. An einer Zusatzsteuer für EU-Beamte in Höhe von 5,5 Prozent will die Kommission festhalten.

Mit den Sparmaßnahmen für die EU-Beamten reagiert die Kommission auf starken Druck der Regierungen von Mitgliedsstaaten, die mit Blick auf eigene Sparanstrengungen auch in Brüssel Einschnitte fordern. Kommission und Ministerrat müssen aber mit erheblichem Widerstand der Beamten-Gewerkschaften rechnen, die bereits vor Veröffentlichung der Kommissionsvorschläge mit Streik drohten.

Der Vorschlag der Kommission wird in den nächsten Monaten von den Mitgliedsstaaten beraten, die ihm alle zustimmen müssen. Barroso räumte ein, ihm stünden "harte Debatten" bevor. Und die werden sich hinziehen. Spätestens Ende kommenden Jahres müsse Einverständnis herrschen, sagte Barroso. Die Einigung auf die letzte mittelfristige Finanzplanung ging als "Nacht der langen Messer" in die EU-Geschichte ein.

Autor: Martin Schrader (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Christian Walz