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Das Geld der Anderen

Andreas Noll22. Juni 2013

Gut ein Drittel ihrer Wirtschaftsleistung haben die Europäer in den vergangenen Jahren zur Rettung maroder Banken aufgewendet. Nun sollen einheitliche Vorschriften zur Abwicklung den Steuerzahler schonen.

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Eine Euro-Münze steht auf einer EU-Fahne. (Foto: Oliver Berg dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Ob Portugal, Irland oder Spanien: Nur mit Hilfe der Milliarden der Steuerzahler ist es in der Eurokrise gelungen, angeschlagene Banken zu retten oder zumindest vorübergehend zu stabilisieren. In Zukunft, da sind sich die EU-Politiker im Grundsatz einig, sollen das Geld der Bürger geschont und die Vorschriften für Kreditinstitute in allen EU-Staaten vereinheitlicht werden.

Bankenunion heißt das Projekt, mit dem drei Zuständigkeiten von der nationalen auf die europäische Ebene übertragen werden: Aufsicht, Abwicklung (beziehungsweise Restrukturierung) und Einlagensicherung von Banken. Doch bei dem derzeitigen Versuch, einheitliche Regeln zur Abwicklung von Banken zu definieren, gehen gleich mehrere Risse durch Europa. Eine Einigung zwischen den 27 EU-Ländern ist am Samstag (22.06.2013) nach langen Verhandlungen erst einmal geplatzt.

Logos von zwei spanischen Banken (Foto: Blazquez Dominguez/Getty Images)
Haben Angst vor einem Vertrauensverlust der Kunden: spanische BankenBild: Getty Images

Bankenunion soll die EU krisenfester machen

"Ich bin zuversichtlich, dass man das schaffen kann", verkündet Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble trotzdem. Ein Verhandlungsmarathon von fast 20 Stunden lag da hinter ihm. Dass den Ministern bei ihrem nächsten Anlauf am kommenden Mittwoch (26.06.2013) ein Durchbruch gelingt, ist wahrscheinlich, aber nicht sicher. "Wir haben 90 Prozent der Arbeit geschafft", glaubt der französische Finanzminister Pierre Moscovici. Doch das Regelwerk ist kompliziert und die Fragen sensibel. Die EU-Mitgliedsstaaten verlieren einen wichtigen Teil ihrer staatlichen Macht, was den erbitterten Streit auch für Beobachter nachvollziehbar macht.

Einig sind sich die Regierungen darüber, wie in Zukunft der Steuerzahler geschont werden kann. Nach dem Vorbild der Zypern-Rettung werden auch in anderen Ländern zunächst Aktionäre und Gläubiger der Banken in die Pflicht genommen. Darüber hinaus sollen alle EU-Staaten für die Abwicklung oder Schrumpfung einer Bank nationale Krisenfonds aufbauen, die von den Banken in den kommenden Jahren befüllt werden. Doch wer wie viel und bis wann einzahlen muss, ist umstritten.

Wer als erstes "bluten" muss, ist entschieden

Geeinigt haben sich die Minister auf die Reihenfolge einer Bankenrettung, die sogenannte Haushaltshierarchie: Als erstes werden die Aktionäre zur Kasse gebeten, dann die Besitzer der Bank-Anleihen und am Ende Sparer mit einem Vermögen von mehr als 100.000 Euro. Doch die Schwierigkeiten liegen in den Details. Zur Debatte steht in den Verhandlungen ein Beitrag von bis zu acht Prozent der Aktionäre, der Anleihen und der Kundeneinlagen, der für die Sanierung der Bank eingesetzt werden kann. Für die einen ist eine solche Zielmarke zu hoch, für andere zu niedrig.

"Für Deutschland ist entscheidend, dass künftig Gläubiger und Eigner die Hauptlast tragen und nicht die Steuerzahler", nennt Schäuble seine Bedingungen und erhält dafür unter anderem Unterstützung von Österreich, Finnland und den Niederlanden. Im Süden Europas mit seinem angeschlagenen Bankensektor ist dagegen die Bereitschaft größer, im Notfall doch noch auf den Steuerzahler zurückzugreifen und Kundeneinlagen zu schonen. Der Grund: Staaten wie Spanien, Griechenland oder Portugal fürchten die Reaktion ihrer Bankkunden, die aus Angst vor dem Verlust ihrer Ersparnisse die Konten plündern könnten - und damit die Finanzkrise wieder verschärfen würden. Die Minister haben auch darüber diskutiert, ob Mitgliedsstaaten am Ende selbst festlegen dürfen, ob und wie Sparer oder Besitzer von Bankanleihen zur Kasse gebeten werden.

Der französische Finanzminister Pierre Moscovici (rechts) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unterhalten sich. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)
Bislang kein deutsch-französischer Kompromiss in Sicht: die Finanzminister Schäuble und Moscovici (r.)Bild: picture-alliance/dpa

Für Euro-Staaten gelten strengere Regeln

Was eine Einigung bislang erschwert, ist auch die fehlende deutsch-französische Verständigung. Weil er Vorbehalte gegen eine starke Belastung der Gläubiger hat, möchte auch der französische Finanzminister Pierre Moscovici im Ausnahmefall weiterhin Steuergelder für die Bankenrettung zulassen. Die deutsche Seite pocht dagegen auf strenge Vorschriften und will sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen. "Es macht den Eindruck, dass es Deutschland beim Thema Bankenunion nicht besonders eilig habe", kommentiert Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Behrenberg-Bank. "Das ist etwas, was geht, während die Finanzmärkte relativ ruhig sind, aber erheblich beschleunigt werden müsste, falls es noch mal zu einem akuten Krisenanfall in der Eurozone käme."

Die Fronten bei den Verhandlungen verlaufen indes nicht nur zwischen Deutschland und Frankreich sowie zwischen Nord- und Südmitgliedern der Eurozone, sondern auch zwischen Euro- und Nicht-Euro-Staaten. Zwar war das Projekt einer Bankenunion vor allem als Reaktion auf die Turbulenzen in der Eurozone entwickelt worden, doch die einheitlichen Regeln für den Finanz- und Bankenmarkt sollen für alle EU-Staaten gelten. Weil Eurozone und die Rest-EU über unterschiedliche Institutionen verfügen, ist die Umsetzung kompliziert. Während die Staaten der Eurozone in Zukunft unter besonderen Umständen (und mit strengen Auflagen) Finanzspritzen für ihre Banken aus dem gemeinschaftlichen ESM-Rettungsfonds abrufen können, ist dieser Weg den Nicht-Euro-Staaten versperrt. Es ist daher absehbar, dass Staaten ohne Euro deutlich mehr nationale Freiheiten bei der Bankenrettung erhalten als Mitglieder der Eurozone.

Porträt Volkswirt Holger Schmieding (Foto: DW)
"Deutschland hat es nicht eilig" - Volkswirt Holger Schmieding

Doch egal, wie am Ende eine Lösung aussieht - nach einer Einigung der Regierungen gehen die mühsamen Verhandlungen weiter. Ein möglicher Kompromiss muss in jedem Fall noch vom Europäischen Parlament bestätigt werden.