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Verbunden in Misstrauen

Cornelia Rabitz 26. Oktober 2007

In der EU gibt man sich zuversichtlich: Eine Weiterentwicklung könne nur mit und nicht gegen Russland gelingen. Das klingt vor dem EU-Russland-Gipfel wie eine Beschwörung. Immer häufiger gibt es Skepsis und Kritik.

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Putin mit dem portugiesischen Staatschef Anibal Cavaco Silva in LissabonBild: AP

Hinter verschlossenen Türen heiß es auf Seiten der EU schon vor dem EU-Russland-Gipfel am Freitag (26.10.2007) im portugiesischen Mafra, die Beziehungen zu Russland dürften sich nicht nur auf Wirtschaft und Energie beziehen, sondern müssten auch gemeinsame Werte enthalten: Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, Menschenrechte. Hier aber seien in Russland Rückschläge zu verzeichnen.

"Bestimmte Wirkungen"

Russische Experten und Politiker weisen diese Kritik energisch zurück. Sie sprechen von einem Konfrontationskurs, von antirussischen Stimmungen in der EU, von tendenziöser Berichterstattung. "Die Eliten halten häufig die Betonung von Werten für ein politisches Instrument, um Einfluss zu erwerben und zu behalten und bestimmte Wirkungen zu erzielen", sagt Falk Bomsdorf, Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Moskau.

Estland Tallinn Neuer Platz für sowjetisches Kriegerdenkmal
Wunder Punkt: Kriegerdenkmal in TallinnBild: AP

Für Verdruss sorgen aus russischer Sicht jene EU-Staaten, die vier Jahrzehnte lang zum früheren sowjetischen Imperium gehört haben und Moskau nun ärgern. Da ist zum einen der Streit um das Fleisch: Polen hat mit einem Veto gegen ein Partnerschaftsabkommen der EU mit Russland gestimmt - als Reaktion auf ein 2005 erlassenes russisches Einfuhrverbot für Fleisch aus Polen. Zum zweiten ist es die Auseinandersetzung um das sowjetische Kriegerdenkmal in Tallinn - die estnische Regierung hatte ein russisches Denkmal von seinem ursprünglichen Standort entfernt, Russland hatte diesen Schritt scharf kritisiert und von einer Entehrung der Soldaten gesprochen. Und drittens bleibt die Situation der russischsprachigen Minderheiten in den baltischen Staaten, von denen bis heute viele staatenlos sind.

Skepsis und Frustrationen

"Es gibt Frustrationen auf russischer Seite und es gibt eine ganze Reihe von bilateralen Schwierigkeiten, die wir zum Teil nicht ganz einfach nachvollziehen können", sagt Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt. Hoch emotionale Themen spiegelten sich dann in einer allgemeinen Skepsis gegenüber der EU wider. "Natürlich wird in Russland auch wahrgenommen, in was für einem Zustand die EU im Augenblick ist", meint Erler. Das heißt: Russland fühlt sich auf dem Weg des Widererstarkens - die EU hingegen hat große eigene Probleme.

Deutschland Der Staatsminister im Auswärtigen Amt Gernot Erler
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen AmtBild: picture-alliance/ dpa

Auch der von den USA beabsichtigte Aufbau eines Raketenabwehrsystems in Polen und in Tschechien hat Moskau zutiefst verärgert. Man glaubt, dass sich die betroffenen europäischen Staaten für vordergründige machtpolitische Ambitionen Washingtons instrumentalisieren lassen. Die Europäische Union sehe tatenlos zu. Die EU habe zudem eine völlig falsche Einstellung gegenüber wachsenden nationalistischen Strömungen in der Ukraine und Georgien, beklagt unter anderen der kremlnahe Politologe Wjatscheslaw Nikonow. Schuld daran sei nicht zuletzt das Abstimmungssystem in der EU.

"Erkenne keine Fehler"

Die EU wolle als Solidargemeinschaft stets Entscheidungen gemeinsam treffen. "Besonders Polen und Estland sind nicht interessiert an einer Weiterentwicklung der Beziehungen mit der Russischen Föderation. Deshalb ist es schwierig, über Perspektiven zu sprechen", meint Mikonow. "Wir sind für die breite Zusammenarbeit mit der EU, wenn auch die EU bereit dazu ist. Ich erkenne keine schwerwiegenden Fehler die Russland gegenüber der EU gemacht haben soll."

Die Politiker im Kreml reagieren verstimmt und ziehen ihre eigenen Schlüsse, wie Jens Siegert, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Moskau, beobachtet hat: Polen sei eben nicht so wichtig, so lange man sich mit den bedeutenden Handelsmächten Deutschland und Frankreich einigen könne. "Teile und herrsche ist das Prinzip. Das kann man kritisieren, aber das nutzt Russland eben einfach aus."

Die andere Liste

Ganz so trübe möchte Staatsminister Erler die Lage nicht beurteilen. "Russlands Verhalten wird dramatisiert. Schaut man auf das, was wirklich passiert, dann gibt es doch sehr viel Konstruktives." Man könne schließlich auch eine Liste machen mit Punkten, wo es zwischen der EU, den USA und Russland eine gemeinsame Politik gibt: den Kampf gegen den Terrorismus etwa oder die die Nahostpolitik.