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14. September 2011

Palästina möchte vor der UN-Vollversammlung die Mitgliedschaft beantragen - und damit seine Unabhängigkeit international anerkennen lassen. Der Antrag sorgt für diplomatisches Kopfzerbrechen in der EU und Deutschland.

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Hand mit palästinänsischer Flagge (Foto: DW)
Palästinas UN-Antrag sorgt für diplomatische Aufregung

Ihren eigenen UN-Sitz haben die Palästinenser schon längst. Aus Olivenholz geschnitzt, mit Seide überzogen und in schönstem Hellblau der Vereinten Nationen angestrichen. Darauf steht: "Palästinas Recht – Eine Vollmitgliedschaft in der UN." Eine palästinensische Nichtregierungsorganisation hat ihn anfertigen lassen – und startete damit im September eine Wanderschaft durch verschiedene Hauptstädte.

Aber ob der Stuhl auch tatsächlich seinen Platz in den Vereinten Nationen erhalten wird, bleibt unklar. Am Montag (19.09.2011) beginnt die 66. UN-Vollversammlung in New York. In den darauffolgenden Tagen wird Palästinenserpräsident Mahmud Abbas voraussichtlich die Aufnahme Palästinas als 194. Staat in die Vereinten Nationen beantragen: ein Land, das offiziell gar nicht als Staat anerkannt ist - das bereitet den UN-Mitgliedern so einige diplomatische Kopfschmerzen und spaltet die Versammlung in zwei Lager.

USA möchte Veto einlegen

Auf der einen Seite stehen die Befürworter: Vor allem in Lateinamerika, Afrika und der arabischen Welt wird der palästinensische Antrag unterstützt. 126 Staaten stünden hinter Palästina, sagte Präsident Abbas am Mittwoch. Einige Mitgliedsstaaten der EU unterstützen ebenfalls das palästinensische Bestreben. Dazu gehören Belgien, Griechenland, Irland, Spanien und Portugal. Auch Frankreich möchte dem Aufnahmeantrag zustimmen, sollte es bis dahin nicht zu weiteren Friedensverhandlungen zwischen Israel und Palästina kommen.

Auf der anderen Seite stehen die USA. Washington hat sich zwar prinzipiell für eine Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen, soll heißen: ein unabhängiger Palästinenserstaat, der neben Israel existiert. Doch dieser solle durch Verhandlungen, nicht einen Alleingang in der Vollversammlung erreicht werden, hieß es in Washington. Die US-Regierung bereits klargestellt, dass sie im UN-Sicherheitsrat ein Veto einlegen werde. Auch Großbritannien, die Niederlande, Italien und Tschechien lehnen die Mitgliedschaft zu dem jetzigen Zeitpunkt ab.

Außenminister Westerwelle (Foto: dpa)
Außenminister Westerwelle gibt sich bedecktBild: picture-alliance/dpa

Deutschland gegen UN-Alleingang

Deutschland gehört ebenfalls zu dem Anti-Alleingang-Lager und hat die Palästinenserbehörde bereits vor dem UN-Gang gewarnt. Bei seiner Nahost-Reise Mitte September erklärte Außenminister Guido Westerwelle, dass Schritte zu vermeiden seien, die einen Weg zur Zwei-Staaten-Lösung erschwerten. Die entscheidende Frage sei, was dem Friedensprozess diene – und was ihn letztlich behindere. Bei alledem wolle Deutschland seine besondere Beziehung zu Israel mit bedenken. Das kommt einem diplomatischen Nein zum Alleingang gleich, den die israelische Regierung strikt ablehnt.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn mahnte Deutschland, Palästina nicht mit leeren Taschen aus New York abreisen zu lassen. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa Anfang September sagte er: "Wir müssen unseren deutschen Freunden sagen - und wir tun das mit Bescheidenheit, weil wir ihre Verantwortung kennen - dass die Verteidigung der Interessen Israels nicht identisch mit der Verteidigung der Interessen einer spezifischen israelischen Regierung ist." Die EU müsse Israel zeigen, dass seine sture Position international nicht mehr hinnehmbar sei, sagte er dem Deutschlandfunk am Mittwoch. Vor allem mit der Unterstützung Deutschlands könne die EU viel Einfluss auf die israelische Regierung üben. Denn mittelfristig schade diese Position der Sicherheit und dem Wohl des israelischen Staates.

EU ringt um gemeinsame Position

Am liebsten wäre Deutschland sicherlich eine einheitliche EU-Position. Doch diese wird es erstmal nicht geben. Denn die EU kann sich nicht entscheiden. Eine gemeinsame Position zu finden ist schwierig, unterstützen doch die einen Mitgliedsstaaten die Palästinenser, während die anderen die Abstimmung ablehnen. Anfang September erklärte Polens Außenminister Radoslaw Sikeroski bei einem Treffen der EU-Außenminister, die EU werde erst Stellung beziehen, wenn ein Antrag der Palästinenserbehörde vorliege: "Bis dahin sind wir übereingekommen, nicht zu spekulieren."

Gruppenfoto der EU-Außenminister (Foto: dpa)
Trotz Familienfoto: Die EU ist gespaltetBild: picture-alliance/dpa

Am wahrscheinlichsten sei eine Zwischenposition, heiße es aus Insiderkreisen, meldete die Nachrichtenagentur dpa. "Über die Eigenstaatlichkeit entscheiden die einzelnen Staaten selber", sagte EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton beim EU-Außenministertreffen. Demnach können einzelne Staaten frei entscheiden, ob sie dem Antrag zustimmen – oder auch nicht. Die EU könnte sich geschlossen hinter eine Zwischen- oder auch Minimallösung stellen: der aufgewertete Beobachterstatus als "Nicht-Mitgliedsstaat", meldete die dpa weiter. Einen ähnlichen Status hält etwa der Vatikan inne.

Europäische Bevölkerung steht hinter dem Antrag

Auch wenn ihre Regierungen und die EU um eine Position ringen: Der Großteil der Bevölkerung der drei großen EU-Staaten unterstützt laut einer Studie des britischen Umfrageinstituts YouGov den palästinensischen Staat: Die am Montag veröffentlichte Umfrage zeigt, dass 76 Prozent aller Deutschen die Unabhängigkeit unterstützen. In Großbritannien sind es 59 Prozent und in Frankreich 69 Prozent.

Mahmoud Abbas zumindest bezeichnete im Vorfeld der Abstimmung seine Bemühungen für die Anerkennung seines Staates als "unumkehrbar". Aber ob dem UN-Stuhl tatsächlich ein permanenter Platz in und von der Vollversammlung eingeräumt wird, bleibt weiter offen.

Autorin: Naomi Conrad (afp, dapd, ips)
Redaktion: Marko Langer