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EU-Treffen: Blair will Streit um Geld ausblenden

Bernd Riegert, zurzeit Hampton Court27. Oktober 2005

Ein prächtiger Palast in einem reizvollen Park, die Sonne glitzert in der Themse: Filmreife Kulisse für den britischen Premierminister Tony Blair. Er will Europa aus der Krise führen. Wie, bleibt offen.

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In Hampton Court haben Gespräche ohne Ergebnis TraditionBild: dpa Bilderdienste


Der amtierende EU-Ratspräsident Blair empfing die Staats- und Regierungschefs auf der Schwelle des Palastes. Alle gaben sich gut gelaunt und gewillt, sich auf einen neuen Kurs für Europa zu einigen. Die Diskussion über die künftige Wirtschafts-, Sozial- und Handelspolitik sollte nach dem Willen des Gastgebers nicht vom unterschwelligen Streit über den EU-Haushaltrahmen von 2007 bis 2013 getrübt werden. Es gehe erst einmal darum, Ziele festzulegen.

Über Geld soll erst auf dem nächsten Gipfel im Dezember in Brüssel entschieden werden. "Ich bin bereit diesen Haushaltsstreit beizulegen, aber es muss auf einer rationalen Grundlage geschehen. Die Bürger müssen im Haushalt ihre Prioritäten wieder erkennen", wünschte sich der Premierminister in seinem so genannten "Hirtenbrief" an die eingeladenen Staats- und Regierungschefs. Der letzte Gipfel im Juni war genau an diesem Streit gescheitert.

Streit ums Geld

Tony Blair bestand beim letzten Treffen auf seinem Beitrags-Rabatt, Frankreich beharrte auf hohen Subventionen für die Landwirtschaft. Blair will in Hampton Court diesen Streit ausblenden. "Es ist wichtig, dass Großbritannien und Frankreich zusammenarbeiten, wenn das möglich ist, aber es ist klar, dass wir Meinungsverschiedenheiten haben", sagte er. "Europa kann sich nur weiterentwickeln, wenn wir einen gemeinsamen Nenner finden. Und das versuchen wir.“ Der französische Staatspräsident Jacques Chirac gab sich vor seiner Abreise nach England kompromissbereit. Er will vorschlagen, den Forschungsetat der EU zu verdoppeln, ohne den Gesamthaushalt zu erhöhen.

Absichtserklärungen

Zusammen mit EU-Kommissionspräsident José Barroso schlägt Tony Blair vor, einen 3,5 Milliarden Euro umfassenden Fonds einzurichten, der die Folgen der Globalisierung bei Massenentlassungen abfedern soll. Diesen Fonds hatte auch Chirac gefordert. Die deutsche Delegation, die Niederländer und die Schweden haben dagegen Bedenken: Niemand wisse, woher die zusätzlichen Milliarden für diesen Sozialfonds kommen sollen.

Gerhard Schröder, der als geschäftsführender Bundeskanzler unbedingt noch an diesem Abschiedsgipfel teilnehmen wollte, lehnt die eher marktliberalen Ansichten Blairs und Barroso über die Rolle der EU in einer globalisierten Welt ab. Er wolle nicht dem britischen Modell folgen, hatte Sozialdemokrat Schröder vor dem Gipfel kundgetan. Auf die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn die künftige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an dem strategischen Nachdenkgipfel teilgenommen hätte, wich Tony Blair aus. "Es ist richtig, dass Gerhard kommt, aber wichtig ist, dass das strategische Ziel gemäß des Kommissionvorschlages festgelegt wird. Das wäre ein großer Fortschritt.“

Nichts Verbindliches

Am Ende des Tages will Tony Blair die Überlegungen seiner Kollegen zur Zukunft der EU in einer Pressekonferenz zusammenfassen. Schriftliche, verbindliche Beschlüsse wird es nicht geben. Das Schicksal der EU-Verfassung, die von Franzosen und Niederländern in Volksabstimmungen abgelehnt wurde, steht nach britischen Plänen nicht auf der Tagesordnung. Über allem, so ein EU-Diplomat, solle der Geist Europas schweben und hoffentlich nicht die drei Geister, die angeblich in Hampton Court spuken: Der englische König Heinrich VIII und zwei seiner sechs Gemahlinnen sollen des Nachts im Palast umgehen, berichten die Fremdenführer. Aber dann sind die EU-Granden bereits wieder auf dem Rückflug in ihre Hauptstädte.