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Ukraine-EU

11. August 2011

Der Prozess gegen die Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko könnte sich auf die Beziehungen zwischen Kiew und Brüssel negativ auswirken. Deutsche Experten erwarten Probleme beim geplanten Assoziierungsabkommen.

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Julia Timoschenko vor Gericht (Foto: dpa)
Julia Timoschenko vor GerichtBild: picture alliance/dpa

Ob die Untersuchungshaft gegen die ehemalige ukrainische Premierministerin Julia Timoschenko verhältnismäßig sei, daran bestünden große Zweifel, erklärt Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt. Und dass gegen zahlreiche Mitglieder der Vorgängerregierung wegen Amtsmissbrauchs ermittelt werde, wecke den Verdacht politisch motivierter Justiz. Wenn das zutreffe, sei es "eine erhebliche Hürde für die Annäherung der Ukraine an die Europäische Union".

Portrait von Nico Lange (Foto: Nico Lange)
Nico LangeBild: Niko Lange

"Das ist für die diplomatische Sprache des Auswärtigen Amtes schon sehr deutlich", meint der Leiter des Kiewer Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung, Nico Lange. Man könne es nur so verstehen, dass es mit dem Assoziierungsabkommen Probleme geben werde, wenn die Ukraine sich weiter so verhalte wie bei der Verhaftung Timoschenkos. Das Verfahren gegen die ehemalige Regierungschefin würde einem europäischen Verständnis von Rechtsstaatlichkeit nicht entsprechen, meint Lange. Die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen mit der EU und ein Freihandelsabkommen sollten ursprünglich noch dieses Jahr abgeschlossen werden.

Auch der Osteuropa-Experte Gerhard Simon hält den Prozess gegen Timoschenko nicht für rechtsstaatlich und rät dazu, ihn abzubrechen. Hinzukomme, dass der Prozess politisch sei, denn es seien politische Beschuldigungen, die gegen Timoschenko erhoben würden. "Ihr wird nicht vorgeworfen, dass sie sich bereichert hat. Ihr werden politische Fehler vorgeworfen, sie habe ihre Kompetenzen überschritten", so der Experte. Der Streit müsste nicht vor Gericht, sondern auf dem Feld der Politik ausgetragen werden.

Schatten fällt auch auf Russland

Simon merkt an, dass mit den Vorwürfen gegen Timoschenko, sie habe mit ungünstigen Gasverträgen ukrainisches Staatsgeld verschleudert, auch ein Schatten auf Russland falle. "Russland und insbesondere Premier Putin werden durch diesen Prozess sozusagen der Beihilfe zu einem Betrug beschuldigt", so Simon. Das sei für die russische Seite natürlich unangenehm.

Auch Lange von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew weist darauf hin, dass während dieses Verfahrens gegen Timoschenko im Zusammenhang mit den Gasverträgen von 2009 oft vergessen werde, dass die zweite Unterschrift unter diesen Verträgen die von Wladimir Putin sei. "Ich glaube nicht, dass es auf der russischen Seite irgendein Interesse gibt, diese Verträge in Frage zu stellen", so Lange.

"Isolation wäre unvernünftige Reaktion"

Portrait von Gerhard Simon (Foto: Gerhard Simon)
Gerhard SimonBild: Gerhard Simon

Sowohl Lange als auch Simon rechnen wegen des Timoschenko-Prozesses mit Problemen im Verhältnis zwischen der Ukraine und der EU, unter anderem beim geplanten EU-Assoziierungsabkommen. "Damit kann man der EU nicht näher kommen und man wird nicht zu einem geliebten und bevorzugten Partner. Man macht sich damit eher unbeliebt und stellt sich ins Abseits", betonte Lange. Er wies ferner darauf hin: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Europäische Parlament dieses Abkommen ratifiziert, wenn es eklatante Verletzungen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gibt."

Simon ist aber überzeugt, dass am Ende die Frage, Assoziierungsabkommen Ja oder Nein, nicht davon abhängen wird, ob Frau Timoschenko in Freiheit ist oder nicht. "Ich glaube nicht, dass dieses Problem auf lange Sicht das bestimmende Faktum im Verhältnis zwischen der EU und der Ukraine sein wird." Es wäre sogar unklug, im Falle einer Verurteilung Timoschenkos kein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine zu unterzeichnen. "Ich bezweifele, dass Isolation oder ein Boykott der Ukraine, solange Frau Timoschenko nicht in Freiheit ist, eine vernünftige und rationale politische Reaktion wäre", unterstrich Simon. Schon die Isolationspolitik der EU gegenüber Belarus habe in dem Land keine Fortschritte in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gebracht.

Autor: Markian Ostaptschuk
Interviews: Volodymyr Medyany
Redaktion: Andrea Lueg