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Politik

EU und Merkel gegen Freigabe von Patenten

8. Mai 2021

Seit Tagen wird über eine befristete Freigabe von Patenten für Corona-Impfstoffe diskutiert, um so die Produktion zu beschleunigen. Die Europäische Union und die Bundeskanzlerin gehen auf Distanz.

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Deutschland | Demonstration zur Freigabe der Impfstoff Patente
Impfstoff-Patente freigeben - das fordern auch diese linken Aktivisten bei einer Kundgebung in HannoverBild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

Die Europäische Union sieht im US-Vorstoß zur Freigabe von Patenten für Corona-Impfstoffe keine "Wunderlösung" für ärmere Länder, um die weltweite Impfstoffknappheit zu beseitigen. Vielmehr wirbt die EU vor allem für die rasche Aufhebung von Exportbeschränkungen, die die Ausfuhr solcher Präparate verhindern. Dies erklärte EU-Ratschef Charles Michel beim EU-Gipfel in der portugiesischen Stadt Porto. Gemeint sind mit diesem Hinweis auch die USA, die ihren heimischen Impfstoff vorrangig behalten und im Inland verwenden.

Zugleich riefen die EU-Staats- und Regierungschefs die Vereinigten Staaten auf, ihren Vorschlag genauer zu fassen. "Wir sind bereit, uns mit diesem Thema zu beschäftigen, sobald ein konkreter Vorschlag auf den Tisch kommt", betonte Michel. "Wir sind uns alle einig, dass wir alles Mögliche tun müssen, um die Produktion von Impfstoffen überall auf der Welt zu erhöhen." Michel verwies dabei darauf, dass die EU im Gegensatz zu anderen Impfstoff-Produzenten zum Export bereit sei. Die EU ermutige "alle Partner", ihrerseits Ausfuhren zu ermöglichen.

Merkel setzt auf Patentschutz

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich nach dem Gipfel klar gegen eine Aufweichung des Patentschutzes aus. "Ich habe hier noch einmal deutlich gemacht, dass ich nicht glaube, dass die Freigabe von Patenten die Lösung ist, um mehr Menschen Impfstoff zur Verfügung zu stellen", sagte sie in Berlin. "Ich glaube, dass wir die Kreativität und die Innovationskraft der Unternehmen brauchen." Dazu gehöre der Patentschutz.

"Für mich ist sozusagen die Infragestellung des Patentschutzes hier nicht der Weg, der uns zu mehr Impfstoff und besserem Impfstoff führt", sagte die CDU-Politikerin. Sie fügte hinzu, es gehe um die Frage, wie man möglichst schnell zu möglichst viel Impfstoff für Menschen auf der ganzen Welt komme. Dazu würden zumindest von den deutschen Unternehmen rasch Lizenzen für die Produktion im Ausland vergeben.

Biden löste die Debatte aus

Seit Tagen tobt eine politische Debatte um die Lockerung der Rechte am geistigen Eigentum, die ärmere Länder seit langem fordern und die US-Präsident Joe Biden diese Woche überraschend unterstützte. Auch Papst Franziskus sprach sich für die Aussetzung von Impfstoffpatenten aus. Anders als in vielen Industriestaaten wie den USA oder Deutschland sind in ärmeren Ländern erst sehr wenige Menschen gegen COVID-19 geimpft. Bei einer Freigabe der Patente könnten auch andere Hersteller ohne Lizenzgebühren produzieren. Dagegen stemmen sich die Pharmafirmen, die die Rechte besitzen.

Der Mainzer Hersteller BioNTech wandte sich mit ähnlichen Argumenten gegen die Patentfreigabe, bot aber Preisvorteile für arme Länder. Länder mit niedrigem oder unterem mittlerem Einkommen würden "zu einem nicht gewinnorientierten Preis" versorgt, sicherte eine Sprecherin zu. Patente seien "nicht der begrenzende Faktor für die Produktion oder Versorgung mit unserem Impfstoff". Die Herstellung sei komplex. Wenn Anforderungen nicht erfüllt seien, könnten Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit leiden. BioNTech vertreibt zusammen mit dem US-Konzern Pfizer einen der wichtigsten Impfstoffe.

Macron will Anreize zur Innovation

Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte: "Priorität haben nicht die Patente." Es gehe um die Frage, ob Herstellerländer auch bereit seien zu exportierten. Hier müsse es mehr Solidarität geben. Darüber hinaus gehe es um die Weitergabe von Technologie für die Produktion, damit mehr Fabriken die komplexen Herstellungsprozesse für die Impfstoffe beherrschten.

Portugal Porto | EU-Gipfel | Emmanuel Macron, Präsident Frankreich
Der französische Präsident Emmanuel Macron beim EU-Gipfel in PortoBild: Jose Coelho/REUTERS

Die Patent-Frage müsse diskutiert werden, sagte Macron. Dies müsse "aber in einer begrenzten Weise" erfolgen, wie das bei der Freigabe der Patente für bestimmte Mittel gegen Aids der Fall gewesen sei, um sie auch ärmeren Ländern zur Verfügung zu stellen. Wenn geistige Eigentumsrechte aber regelrecht "zerrissen" würden, werde dies in Zukunft keine Anreize zu Innovation mehr geben. Derweil kündigte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen die Unterstützung der EU zum Aufbau von Impfstofffabriken unter anderem in Afrika an.

Die EU ist nach eigenen Angaben derzeit die einzige demokratische Region, die in großem Maßstab Corona-Impfstoff exportiert. Mehr als 200 Millionen Dosen seien aus der EU ausgeführt worden - in etwa dieselbe Liefermenge wie innerhalb der Union. Die USA behalten dort produzierten Impfstoff hingegen vorrangig selbst. Biden hatte Ende April bekräftigt, dass zunächst jeder Amerikaner Zugang haben solle.

kle/mak (dpa, afp)