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Neustart: EU und USA sprechen über Handel

Bernd Riegert Brüssel
28. September 2021

Donald Trump brach Handelskriege mit Europa vom Zaun. Jetzt wollen die USA und die EU den Streit überwinden und strategisch zusammenarbeiten. Am Mittwoch startet ein neuer "Handels- und Technologierat".

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Symbolbild EU-USA
Bild: picture-alliance/Ulrich Baumgarten

Der Handels- und Technologierat (TTC), den die EU-Kommission und die Regierung der USA nach ihrem Gipfeltreffen im Juni in Brüssel gegründet haben, trifft sich zum ersten Mal auf der Ebene der Chefs und Chefinnen am kommenden Mittwoch. Die beiden größten demokratisch regierten Wirtschaftsräume der Welt wollen in diesem Rat zusammenarbeiten, um gemeinsam Standards zu setzen, Innovationen, Investitionen und den Handel zu stärken. Im letzten Jahr betrug das Handelsvolumen 556 Milliarden Euro oder 42 Prozent des Welthandels.

Das Treffen des Handels- und Technologierates stand für einige Tage auf der Kippe, weil EU-Mitglied Frankreich und die USA sich um ein U-Boot Rüstungsprojekt mit Australien stritten. US-Präsident Biden und Frankreichs Präsident Macron konnten die diplomatischen Irritationen und starke Zweifel an amerikanischer Zuverlässigkeit jedoch ausräumen, zumindest soweit, dass die Handelsgespräche starten können.

Margrethe Vestager und Valdis Dombrovski
Kommissare Vestager (re.) und Dombrovskis: EU will gemeinsame Regeln mit den USA, um Standards weltweit zu setzenBild: Dursun Aydemir/PooL/Hans Lucas/picture alliance

Trump überwinden

Für die beiden EU-Kommissare Margrethe Vestager (Ressort Digitales Europa) und Valdis Dombrovskis (Ressort Wirtschaft) sind die Gespräche einfach zu wichtig, um sie am Zwist zwischen Paris und Washington scheitern zu lassen. "Wir haben gemeinsame demokratische Werte und wollen sie auf beiden Seiten des Atlantiks in konkrete Maßnahmen umsetzen," erklärte Margrethe Vestager schon im Juni. Verglichen mit den destruktiven Jahren unter Präsident Trump sei das ein großer Fortschritt. Trump hatte die jahrelangen formalen Verhandlungen der EU und der USA über ein umfassendes Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP) ohne Ergebnis 2017 abgebrochen.

Kein Freihandelsabkommen

Die EU-Diplomaten, die die neue Gesprächsrunde vorbereitet haben, bestehen darauf, dass es nicht um eine Fortsetzung der TTIP-Verhandlungen mit anderen Mitteln geht. Das Ziel sei nicht ein formales Abkommen. Trotzdem sollen die noch aus Trump-Zeiten bestehenden Handelskonflikte um Stahl, Aluminium, Zölle und Strafzölle angesprochen werden. Gelöst wird das Problem aber nicht, glaubt Handelsexperte Peter Chase von der Denkfabrik German Marshall Fund in Brüssel. Die US-Regierung könne das außerhalb des neuen Rates lösen. "Das wahre Problem ist, dass beide Seiten keine Vision haben, wohin die Reise gehen soll. Deshalb wird man auf etwas abzielen, das kleiner ist als TTIP." Ziel der ersten Runde, die aus zehn Arbeitsgruppen zu Themen wie Künstliche Intelligenz, digitale Produktionsketten und Rohstoffversorgung  besteht, soll ein konkreter Fahrplan sein, welche Ergebnisse und Standards wann erreicht werden sollen.

USA Gina M. Raimondo
US-Handelsministerin Raimondo: Investitionen und Übernahmen aus China gemeinsam prüfenBild: Alex Edelman/CNP/MediaPunch/picture alliance

Demokratien sollen strategisch zusammenarbeiten

US-Außenminister Anthony Blinken setzte dem Handels- und Technologierat ambitionierte Ziele. Er sei auch dazu gedacht, die westlichen Demokratien und ihre Wirtschaftsräume gegenüber den Autokratien zu stärken und abzugrenzen. Blinken rief die Demokratien in einer Grundsatzrede im Juli dazu auf, Führungspositionen bei digitalen Innovationen zu verteidigen, Standards für die Anwendung und Regulierung zum Beispiel von künstlicher Intelligenz zu setzen und ein offenes und sicheres Internet zu garantieren. China und Russland würden im Gegensatz dazu neue Technologien zu Hacker-Angriffen und Massenüberwachung nutzen.

Knappe Ware Halbleiter

Ein wichtiger Teil der Verhandlungen wird sich um die Produktion von Halbleitern drehen. Die werden heute zu 80 bis 90 Prozent aus Asien importiert und sind im Moment aus verschiedenen Gründen so knapp, dass die Fertigstellung von Autos in Europa zurückgefahren werden musste. Die USA und die EU sollten eine gemeinsame Strategie für die Entwicklung und Herstellung von Computerchips entwickeln, meinte EU-Industriekommissar Thierry Breton auf eine Frage der DW: "Wir werden auf den Tisch legen, was wir wollen. Sie werden auf den Tisch legen, was sie wollen. Dann werden wir sehen, was sinnvoll ist, besonders für Europa natürlich." Allerdings sind die USA und die EU auch Konkurrenten auf dem Weltmarkt. Beide wollen ein "Chip-Gesetz" vorlegen, dass den jeweiligen Wirtschaftsräumen Zugang zu den lebenswichtigen Halbleitern sichern soll.

Global Ideas Hafen Rotterdam
Handel über den Atlantik blüht: Maschinen, Chemikalien, Dienstleistungen, Reisen, Lizenzen für jährlich 556 Milliarden EuroBild: Getty Images/D. Mouhtaropoulos

Sicherheit im Fokus

Die EU und die USA wollen sich auf gemeinsame Regeln für strategisch bedeutsame Investitionen aus China auf den jeweiligen Märkten einigen. Übernahmen sollen auf sicherheitspolitische Aspekte geprüft werden. Gemeinsame Prüfungen von Produkten, die als Waffen verwendet werden könnten (dual use) und Exportkontrollen für sensible Hochtechnologie sollen diskutiert werden. Außerdem geht es in den Arbeitsgruppen um die Kontrolle und Besteuerung der großen Internetkonzerne, nachhaltige Energieversorgung und Klima-relevante Technologien. "Wenn die USA und Europa den neuen Rat tatsächlich dazu nutzen, um die Verknüpfung zwischen der nationalen Sicherheit und wirtschaftlicher Stärke zu schaffen, dann kann da etwas Wichtiges entstehen. Es wird allerdings Zeit brauchen", meint dazu Peter Chase von der Denkfabrik "German Marshall Fund" in Brüssel. Es werde nicht gleich am ersten Tag große Ankündigungen geben können.

USA Pittsburgh Uber Autonomes Fahren
Pittsburgh weit vorn: Selbstfahrende Autos wurden von Uber bereits 2016 hier getestetBild: picture-alliance/AP Images/G. J. Puskar

Als Tagungsort haben die Gastgeberinnen, die amerikanische Wirtschaftsministerin Gina Raimondo und die Handelsbeauftragte Katherine Tai, Pittsburgh ausgewählt. Die Stadt im US-Bundesstaat Pennsylvania war einst Heimat der Schwerindustrie und hat sich zu einem Zentrum für neue Technologien und Digitalwirtschaft gewandelt.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union