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Schnaps ist Schnaps

Bernd Riegert24. Oktober 2006

Die EU-Kommission will zusammen mit der finnischen Ratspräsidentschaft dem Alkoholmissbrauch zu Leibe rücken. Doch ein Maßnahmenkatalog des Gesundheitskommissars erntete sogleich heftige Kritik.

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Zwei Jugendliche beim Alkoholkonsum
Jugendliche beim AlkoholkonsumBild: Bilderbox
Gesundheitskommissar Markos Kyprianou
Gesundheitskommissar Markos KyprianouBild: AP

Beim Alkohol hört der Spaß auf. Die SPD-Europaabgeordnete Dagmar Ruth-Behrendt nennt die Anti-Alkohol-Initiative von Gesundheitskommissar Markos Kyprianou einen "hochprozentigen Heißluftballon", der flach und nichtssagend sei. Der CDU-Europaabgeordnete Karl-Heinz Florenz sieht die Gefahr von unverhältnismäßiger Bevormundung der Bier- und Weintrinker. Die bayrische Europaministerin Emilia Müller (CSU) warnt gar davor, gebräuchliche Getränke zu ächten und eine neue Bürokratie zu schaffen.

Die EU-Kommission sah sich bereits in den vergangenen Monaten, als sie ihre Vorschläge vorbereitete, massivem Widerstand gegenüber. Nach Protesten der Getränkeindustrie und Werbeunternehmen hat Markos Kyprianou das angedachte Werbeverbot für alkoholische Getränke wieder fallen gelassen. Warnhinweise auf Flaschen, ähnlich den Hinweisen auf jeder Zigarettenpackung, sollen nur noch geprüft werden. "Nicht das Produkt ist das Problem, sondern der Missbrauch des Produkts", stellte Kyprianou klar. "Es geht also nicht um Alkohol an sich in unserer Strategie, sondern das übermäßige Trinken."

23 Millionen Alkoholabhängige

Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schäden, die durch Alkohol jedes Jahr in der EU entstehen, sind vergleichbar mit denen, die das Rauchen verursacht, glaubt die Kommission. Bis zu 195.000 Europäer sterben nach Schätzung der EU-Kommission jedes Jahr an alkoholbedingten Schäden. Europa nimmt weltweit gesehen den Spitzenplatz bei den Alkoholkonsumenten ein, elf Liter reiner Alkohol pro Kopf im Jahr, das entspricht 1400 Gläsern Bier. Rund 23 Millionen Alkoholabhängige gibt es in der EU.

Das Alter, in dem Kinder mit dem Trinken von Bier oder Wein beginnen, sinkt immer weiter. Viele 12 bis 14-Jährige greifen bereits zum Glas, warnt die EU-Kommission. Deshalb fordert EU-Gesundheitskommissar Kyprianou, das Mindestalter für die Abgabe von Alkohol auf einheitlich 18 Jahre anzuheben. In vielen Mitgliedsstaaten liege es noch bei 16 Jahren und es werde nicht ausreichend kontrolliert, beklagt der EU-Kommissar: "Jugendliche haben immer noch Zugang zu Alkohol entgegen der nationalen Gesetze. Die Einhaltung bestehender Gesetze ist wichtiger als neue Gesetzesänderungen."

"Bier ist gut für die Menschen"

Die EU-Staaten sollen ihre Politik besser koordinieren und Aufklärung fördern, fordert die EU-Kommission. Eine strengere Lizenzierung des Alkoholverkaufs oder ein staatliches Monopol, wie etwa in Schweden, lehnen die meisten Mitgliedsstaaten ab. Sie verweisen darauf, dass die Kommission überhaupt nicht für konkrete Maßnahmen zuständig ist, denn Gesundheitspolitik ist allein Sache der einzelnen Mitgliedsstaaten. Darum kann Kyprianou auch nur eine Diskussion anstoßen und eine Selbstverpflichtung der Industrie einfordern - Gesetze machen kann er nicht.

Rodolphe de Looz Coswarmen vom Europäischen Brauerverbund lehnt Werbeverbote und Zwangsmaßnahmen ab, das Gesprächsangebot der Kommission will er jedoch annehmen. "Europa hat eine Jahrhunderte alte Brautradition. Ich glaube, die meisten Menschen trinken in vernünftigen Maßen. Bier mit Mäßigung ist gut für sie", behauptet der Lobbyist. "Das Problem sind die anderen, die zuviel trinken. Die gibt es natürlich, das wissen wir. Dafür müssen wir gemeinsam eine Lösung finden."

Niedrige Alkoholsteuern


Um den Alkoholkonsum vor allem auch bei Jugendlichen zu senken, empfiehlt die Kommission, die Preise zu erhöhen. Die Staaten sollten mehr Steuern auf Alkohol kassieren. In einigen südlichen Staaten ist Wein zum Beispiel völlig steuerfrei, in anderen ist die Biersteuer - in Deutschland etwa 1,2 Cent pro Bier - zu niedrig, bemängelt die Kommission. Dieser Vorschlag könnte den Finanzministern vielleicht gefallen, die heute schon 25 Milliarden Euro jährlich an Alkoholsteuern einnehmen. Bis 2012 will die Kommission ihre Vorschläge umsetzen, also noch viel Zeit für einen kühles Blondes oder einen gemütlichen Schoppen.

Dass Warnhinweise auf Flaschen oder eine Erhöhung der Altersgrenze für Alkoholkonsum Brauer und Winzer nicht arbeitslos machen, zeigt indessen ein Blick über den großen Teich. In den USA gibt es Warnhinweise auf Weinflaschen seit Jahren und das legale Alter zum Trinken liegt in den meisten Bundesstaaten bei 21 Jahren.