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Mehr sehen mit Brüssel

Manfred Götzke9. Oktober 2007

Silvio Berlusconi ist auch gut ein Jahr nach dem Regierungswechsel Italiens Fernsehkönig. Das von ihm erlassene Mediengesetz verhindert jede Konkurrenz. Weil es noch immer nicht geändert wurde, will die EU klagen.

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Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusoni
Ungemach aus Brüssel: Berlusconi muss sich auf weniger Medienmacht einstellenBild: AP

Wer vor eineinhalb Jahren das italienische Fernsehen einschaltete, hatte es sehr schwer ihm zu entgehen: Silvio Berlusconi. Damals, als Ministerpräsident, war er mehr oder weniger Herr über 90 Prozent der Fernsehlandschaft. Die drei relevanten Privatsender gehörten Berlusconis Medienkonzern Mediaset. Die staatlichen Fernsehkanäle der RAI waren durch geschickte Personalpolitik nach fünf Regierungsjahren auch weitgehend auf Berlusconi-Kurs. Letzteres ist seit dem Regierungswechsel im Mai 2006 zwar nicht mehr so - aber dennoch, wer in Italien heute Privatfernsehen schaut, der schaut Berlusconi-Fernsehen. Und so lange das aktuelle Mediengesetz in Kraft bleibt, wird das wohl auch so bleiben.

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes
Will mehr Wettbewerb auf Italiens Fernsehmarkt: EU-Kommissarin Neelie KroesBild: AP

Das finden nicht nur europäische Medien- und Politikwissenschaftler oder die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa bedenklich, sondern auch die EU-Kommission, genauer die EU-Wettbewerbskommissarin. Neelie Kroes kritisiert die italienische Regierung schon seit Jahren für ihr Mediengesetz, das in der Regierungszeit von Silvio Berlusconi unter dem Namen "Legge Gasparri" erlassen wurde. Ein Gesetz, das die Aufteilung der nationalen Senderfrequenzen auf die drei RAI- und die drei Sender der Berlusconi-Gruppe Mediaset beschränkt. Fernsehmacher, die ebenfalls landesweit ausstrahlen wollen, haben dazu faktisch keine Chance mehr.

Ultimatum abgelaufen

Seit drei Jahren erinnert die EU-Kommission die italienische Regierung nun daran, dieses wettbewerbsfeindliche Mediengesetz zu reformieren, doch außer warmen Worten kam aus Rom bisher keine Reaktion - weder von Berlusconi noch von seinem Nachfolger Romano Prodi. Schließlich hatte die Kommission genug. Im Juli schickte sie eine letzte förmliche Aufforderung und ein Ultimatum nach Rom: Bis zum ersten Oktober gab die Kommission der italienischen Regierung Zeit, mit einem neuen Gesetz Wettbewerb im italienischen Fernsehen zu ermöglichen. Da noch immer nichts geschehen ist, erwägt die Kommission nun, vor dem Europäischen Gerichtshof zu Klagen und droht der italienischen Regierung Strafzahlungen an. "Wir erwägen nun die weiteren Schritte", so eine Sprecherin von Neelie Kroes. Genauere Angaben zur möglichen Höhe der Strafzahlungen machte sie noch nicht.

Keine Zeit für Medienkram

Warum der europäische Musterknabe und Ex-Kommissionspräsident Romano Prodi in Sachen Mediengesetz noch nicht aktiv wurde, ist indes nicht ganz klar. Schließlich schadet die Medienmacht Berlusconis auch der aktuellen Mitte-Links-Regierung - und würde Berlusconi wieder gewählt, hätte er erneut Einfluss auf den überwiegenden Teil des Fernsehmarkts. Der Münchner Politologe und Italien-Experte Roman Maruhn vom Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) nennt Zeitnot als Grund. "Die Prodi-Regierung wollte einige Dinge, die von Berlusconi verantwortet wurden, wieder gerade rücken. Anderes hat da erstmal Vorrang." Außerdem mussten diverse Wahlversprechen der zahlreichen Koalitionspartner in Prodis Regierungsbündnis eingelöst werden. Gerade eben wurde in Italien ein neues Finanzgesetz verabschiedet, nun steht eine Reform des Wahlrechts an - wie das Mediengesetz war auch das Wahlrecht kurz vor dem Regierungswechsel im Sinne Berlusconis geändert worden, so Maruhn.

Italiens Regierungschef Romano Prodi
Keine Zeit oder keinen Mut? Noch hat sich Romano Prodi nicht ans Mediengesetz gewagt.Bild: AP

Prinzipiell sind die meisten Parteien in der Regierungskoalition für eine Reform, so auch Roberto Morrone, Medienexperte der Linksdemokraten. "Wir arbeiten an einer Gesetzesnovelle, die eine Liberalisierung des Fernsehmarktes vorsieht. Dieser Reform zufolge muss Mediaset einen seiner Kanäle schließen und die RAI wird einen ihrer drei Kanäle privatisieren". Doch dies brauche Zeit, sagte der Politiker in einem Hörfunk-Interview.

Berlusconis Piratensender

Diesen dritten Mediaset-Kanal, "Rete 4", hätte Berlusconi allerdings gar nicht erst auf Sendung bringen dürfen. Jahrelang strahlte Sender rechtswidrig aus, bis Berlusconi dies 2004 durch sein "Legge Gasparri" legalisieren ließ. "Ein solches Gesetz, das einen Status quo legalisiert, ist natürlich ohnehin hoch fragwürdig", sagt Italienexperte Maruhn. Wären die bestehenden Gesetze in den 90er Jahren konsequent angewandt worden, stünde Italien heute keine Klage der EU-Kommission ins Haus - und es gäbe wohl mittlerweile auch eine dritte Fernsehkette:

Seit Ende der 90er Jahre versucht der Unternehmer Francesco di Stefano mit Europa Sette eine dritte landesweite Sendergruppe zu etablieren und ist bisher an der wirtschaftlichen und politischen Macht Berlusconis gescheitert. Zwar wurde ihm 1999 die Lizenz für ein nationales Voll-Programm zugeteilt - doch die damalige Regierung überließ ihm nicht die Frequenz, die vom Berlusconi-Sender schon seit Jahren ohne rechtliche Grundlage benutzt wurde. Durch Berlusconis Medienreform wurde dieser Zustand zementiert. Von Di Stefanos Projekt für eine pluralistischere Fernsehlandschaft bleibt vorerst nur ein Internetblog mit dem Titel "Europa Sette - der Sender, der nicht existiert".

Dualismus statt Pluralismus

Der Unternehmer hofft, dass sich durch den Druck aus Brüssel etwas ändert. "Die EU tut gut daran, die italienische Regierung zu bestrafen. Prodi will das bestehende Mediengesetz doch nur deshalb nicht verändern, weil er sich nicht noch zusätzlich mit Berlusconi anlegen will." Mit seiner Marktaufteilung zwischen RAI und Mediaset steht Italien heute jedenfalls in Europa als Außenseiter da, sagt Italienexperte Maruhn. "Dass es kein pluralistisches Mediensystem, sondern im für Italien wichtigsten Medium Fernsehen dieses Duopol gibt - da hat Italien ein riesiges Problem. Und das muss es selbst oder eben mit Druck der EU lösen."