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Fussball-EM 2012: Ukraine unter Druck

30. September 2011

Stadien erst im Rohbau, fehlende Straßen und wenig Hotelbetten. Die Ukraine, einer der Gastgeber der Fussball-EM 2012, steht unter Druck.

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Das Fussballstadion von Lwiw (Lemberg). Foto: DW
Noch viel zu tun: Stadion in LwiwBild: DW

Am 15. November spielt die österreichische Fußball-Nationalmannschaft gegen die Auswahl der Ukraine. Austragungsort: das neue EM-Stadion in Lwiw, ehemals Lemberg. Doch dort, wo dann der Ball rollen soll, wird nach wie vor kräftig gebaggert und gebaut. Diplomatisch äußerte sich jüngst UEFA-Boss Michel Platini bei einer Stippvisite in der Ukraine: In Lwiw seien große Fortschritte erkennbar, aber es gebe noch Probleme. Unabhängige Experten hegen nach wie vor ernsthafte Zweifel, ob die Ukraine tatsächlich den Euro-Zeitplan einhalten kann. Doch es gibt noch weitere Baustellen.

EM-Logo der Ukraine (Bild: UEFA)
EM-Logo der UkraineBild: UEFA

Als "in allen Bereichen notleidend" bezeichnet Mathias Brandt die Service-Kultur im nach Russland zweitgrößten Flächenland Europas. Brandt weiß, wovon er spricht. Der Marketing-Experte von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ lebt seit zwei Jahren in der Ukraine und unterstützt das Land bei Image-Kampagnen im Vorfeld der Euro 2012.

Um zum Beispiel etwas für die Bierkultur in der Ukraine zu tun, hat die GIZ Michelle Diesel von der Landesberufsschule Obertrum bei Salzburg engagiert. Die Gastronomie-Expertin und ehemalige Miss Austria steht im Dindl neben einer Zapfanlage und gibt Barkeeper Rostyslaw Savchak Tipps - ohne dabei belehrend sein zu wollen, sagt sie. "Mit den Rohstoffen kennt man sich hier gut aus", erzählt die Gastronomie-Expertin. Nachholbedarf sieht Michelle Diesel aber zum Beispiel in puncto Wartung und Pflege der Kühlanlagen.

Rohbau Lwiw-Arena

Baustelle Lwiw-Arena, kurz vor dem Besuch Platinis im September 2011 (Fotograf: Christoph Kersting)
Baustelle Lwiw-Arena, kurz vor dem Besuch von UEFA-Präsident Michel Platini im September 2011Bild: Christoph Kersting

Da haben die Verantwortlichen für den Bau des Lemberger Stadions ganz andere Sorgen. Denn auch acht Monate vor Anpfiff der EM im Juni 2012 wirkt die Lwiw-Arena wie ein Rohbau, Außenanlagen sind kaum zu erkennen, geschweige denn eine asphaltierte Zufahrtsstraße. Trotzdem ist sich Volodymyr Onyshchuk sicher, dass der offizielle Zeitplan eingehalten wird. "Ende Oktober ist die offizielle Eröffnung. An diesen Termin sind wir gebunden, da gibt es keine Alternative."

Onyshchuk muss optimistisch sein: Er ist der staatliche Projektmanager für den Stadionbau und steht unter Zeitdruck. GIZ-Mann Mathias Brandt schätzt die Lage anders ein: Ja, die Euro 2012 werde im Großen und Ganzen funktionieren. Doch vor allem mit Blick auf das Stadion in Lemberg ist er skeptisch: "Es wird für die ersten Testläufe okay sein, aber wenn die Österreicher am 15. November kommen, sollten sie vielleicht Gummistiefel einpacken."

Fehlende Hotelbetten

Die Dächer von Lwiw. Foto: Mareike Aden
Die Dächer von LwiwBild: Aden

Neben gut ausgebauten Straßen fehlt es dem Land vor allem an Unterbringungsmöglichkeiten für ausländische Fußball-Fans. Laut GIZ kommen in der Ukraine auf 1000 Einwohner nicht einmal zwei Hotelbetten. Zum Vergleich: in Polen sind es immerhin 24, in Urlaubsländern wie Italien 35 und mehr.

Bierzapfen und Ballzauber – die Euro 2012 ist laut Mathias Brandt vor allem für die Ukraine eine riesige Chance, die marode Infrastruktur des Landes auf Vordermann zu bringen. Dann werde es auch gelingen, "dass das Land mit seinen immherin fast 50 Millionen Einwohnern stärker auf der Landkarte auftaucht mit seinen vielen positiven Aspekten: der Schönheit des Landes, den Bodenschätzen und dem industriellen Kapital." In einem weiteren Schritt erhoffe sich die Ukraine mittelfristig ein stärkeres Engagement ausländischer Investoren und engere Handelsbeziehungen mit der EU, so Brandt.

Auch Barkeeper Rostyslaw erhofft sich viel Positives von der EM für seine Heimatstadt Lemberg. Natürlich unterstützt er auch das ukrainische Team, vor allem aber Karpaty Lwiw: Das sei der beste Club der Welt, schwärmt der 23-Jährige. Der Lemberger Traditionsverein spielt im eigenen Stadion. Das ist zwar alt, aber immerhin keine Baustelle.

Autor: Christoph Kersting
Redaktion: Andreas Becker