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Politik

Eurogruppe: Was von Reformen übrigblieb

21. Juni 2019

Die Stärkung der Eurozone ist ein Lieblingskind des französischen Präsidenten. Doch die Begeisterung über neue Reformen hält sich nicht nur bei der Bundesregierung in Grenzen. Christoph Hasselbach berichtet aus Brüssel.

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Europa Finanzen l Steuer auf Finanztransaktionen l Europäische Zentralbank Euro-Skulptur
Bild: Getty Images/AFP/D. Roland

Es sollte der große Wurf werden: Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron wollte einen viele Milliarden schweren Haushalt und einen extra Finanzminister nur für die Eurozone. Seine Pläne sollten die gesamte EU deutlich nach vorne bringen und die Gemeinschaftswährung gegen neue Krisen absichern. Aber nicht nur die Bundesregierung in Berlin ließ ihn, wenn auch freundlich, abblitzen, auch in vielen anderen Ländern hält sich die Begeisterung in Grenzen. Einig ist man sich aber, dass die Gemeinschaftswährung gestärkt werden muss.

Inzwischen schält sich unter den Eurogruppenländern ein Minimalkonsens heraus, der mit Macrons ursprünglichen Ideen kaum noch etwas zu tun hat. Das Budget soll nun nicht unabhängig, sondern Teil des gesamten EU-Haushalts sein, seine Finanzierung und sein Umfang stehen noch nicht fest. Er wird aber in jedem Fall viel kleiner sein als von Macron gefordert. Und von einem Euro-Finanzminister redet man überhaupt nicht mehr. Auch soll das Budget nur noch die Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Länder erhöhen und helfen, wirtschaftliche Ungleichheiten ein Stück weit zu beseitigen, nicht aber für Krisen zur Verfügung stehen. Wirtschaftlich starke Länder wie die Niederlande und Finnland befürchten, dass Staaten, die schlecht wirtschaften, den Fonds auf Kosten anderer missbrauchen könnten. Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez stärkt Macron dagegen den Rücken.

EU Gipfel in Brüssel
Macron drängt auf mehr Reformen, Merkel bremstBild: Reuters/S. Lecocq

Eurogruppenchef Mario Centeno sagte in Brüssel, der "Ehrgeiz" und die "Führung" Macrons seien wichtig, "genau diese Stimmung brauchen wir". Centeno versuchte, die kontroverse Debatte positiv darzustellen: Ja, noch sei das Eurozonenbudget ein "Embryo", aber "entscheidend für die Eurozonenländer ist, dass wir ein Euro-Budget haben" und dass es "wirkungsvoll für mehr Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Angleichung sorgt". Der Eurogruppenchef kann sich aufgrund seiner Position nicht auf eine bestimmte Seite festlegen, sondern muss versuchen, die verschiedenen Positionen zusammenzuführen. 

Der Druck hat nachgelassen - vorerst

Große Pläne gab es auch einmal für den Euro-Rettungsschirm ESM, den die Eurozonen-Länder während der schweren Finanzkrise aus der Taufe gehoben hatten. Auch der frühere deutsche Finanzminister und heutige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hatte vor Jahren davon gesprochen, den ESM zu einem Europäischen Währungsfonds auszubauen. Von dieser Idee ist ebenfalls keine Rede mehr. Gleichwohl soll der ESM in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen, zum Beispiel, wenn Banken in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Denn die Regierungen halten an dem Ziel fest, dass in Zukunft kein Geld der Steuerzahler mehr zur Bankenrettung verwendet werden soll. 

Ein Grund für das eher lahme Engagement der Euro-Länder für weitere Reformen liegt darin, dass es der europäischen Wirtschaft heute gut geht und die Arbeitslosigkeit vergleichsweise gering ist. Der Druck zu handeln hat damit deutlich nachgelassen.

Rom Pressekonferenz Ministerpräsident Giuseppe Conte
Giuseppe Conte will ein Strafverfahren gegen Italien abwendenBild: Imago Images/Insidefoto

Abschreckendes Beispiel Italien

Außerdem herrscht nach der spektakulären Rettung von Schuldenstaaten in den wirtschaftlich starken Ländern der Eindruck vor, sie könnten leicht ausgenutzt werden, wenn weiter reformiert würde. Ein jüngstes Beispiel für dieses Gefühl zeigt Italien: Obwohl das Land hochverschuldet ist und von der Kommission gerade abgemahnt wurde, sein Haushaltsdefizit zu senken, macht die Regierung in Rom wenig Anstalten, darauf zu hören. Ministerpräsident Giuseppe Conte sagte erst wieder beim Gipfel, er hoffe, ein Strafverfahren abwenden zu können, für das die übrigen Staaten bereits grundsätzlich grünes Licht gegeben haben. Conte hinterfragte vor wenigen Tagen offen die Stabilitätskriterien, die die Kommission dabei anlegt, und drohte: "Entweder die Europäische Union reformiert sich selbst oder sie ist zu einem langsamen, aber unumkehrbaren Niedergang bestimmt."

Genau solche Worte sind aber Wasser auf die Mühlen derer, die vor einer Ausweitung europäischer Hilfen warnen. In den Gipfelbeschlüssen der Staats-und Regierungschefs heißt es nun vage: "Wir fordern die Eurogruppe und die Kommission auf, alle ausstehenden Fragen weiter zu klären." Eine Frist wird nicht genannt. 

 

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik