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Europäisch-amerikanische Frühstücksrunde

Anne Waldeck1. September 2006

Amerika ist der wichtigste Partner der Europäer, werden Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks auf nicht müde zu beteuern. Doch funktioniert diese innige Freundschaft auch im Kleinen?

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Washington DC, morgendliche Frühstücksrunde eines Hotels. Anwesend: Ein bezauberndes älteres amerikanisches Ehepaar auf Urlaub, eine französische Familie mit zwei halbwüchsigen Söhnen, eine Mutter mit erwachsener Tochter aus Vermont und ich, meines Zeichens deutsche Praktikantin in Washington.

Die Atmosphäre ist familiär, ein großer runder Tisch für alle Parteien, der Brotkorb macht die Runde. Und doch lastet Schweigen über den Versammelten. Worüber soll man reden, mit Fremden vor dem ersten Kaffee? Und sind wir einfach nur Fremde, oder kommen - oh Schreck - Europäer und Amerikaner auf keinen grünen Zweig, nicht einmal am Frühstückstisch?

Vermont vs. Frankreich

Es beginnt harmlos: Rechts entbrennt zwischen den Franzosen innerfamiliär auf französisch eine Diskussion darüber, ob es die Höflichkeit verlange, englisch zu sprechen. Es schien sich die Meinung heraus zu kristallisieren, dass der Gebrauch der englischen Sprache angebracht sei. Dann aber fällt das Totschlagsargument von Seiten der Mutter: Ob denn vorstellbar sei, das sich die anwesenden Amerikaner wiederum verpflichtet fühlen würden, in Frankreich französisch zu sprechen? Man blieb also bei Französisch.

Dies provozierte nun Mutter und Tochter aus Vermont. Das zeige es mal wieder! Franzosen, so eine Bande! Man wüsste ja gar nicht, warum sich das Gespräch drehe! Unhöflich, wirklich! Vielleicht - der Himmel möge ihnen in diesem Fall auf den Kopf fallen - vergingen sie sich gerade verbal an der Ehre der Vereinigten Staaten! Wäre ihnen zuzutrauen. Die Franzosen reagierten erstaunt, hatten sie doch gerade über die Unterbringung ihres Sohnes gesprochen, der ab kommenden Semester in Washington studieren soll.

Schweigen sichert den Frieden

Mein Blick fällt auf meine Hand, welche linkswärtig auf dem Tisch neben meinem Teller ruht, wie bei Muttern gelernt. Unauffällig verlagere ich sie - ganz amerikanische Manier - auf meinen Schoss. Ertappt werde ich dabei von dem älteren Ehepaar, das sich bis dato vornehm zurück gehalten hat. Ob ich denn Amerikanerin sei? Nein? Deutsche? Reizend, meine Bekanntschaft zu machen. Deutschland habe ja nun eine Frau an der Spitze der Regierung.

Erstaunlich, das ausgerechnet eine Frau einer konservativen Partei vorstehen. Ob das denn normal sei, in Europa? Ich schlage die anwesenden Amerikaner mit ihren eigenen Waffen, indem ich erwidere, Deutschland sei ein freies Land. Das Ehepaar lächelt. Ja, sagen sie, aber wie lange noch? Wo sich doch die deutsche Kanzlerin so gut mit Präsident Bush verstehe? Heftige Empörung aus dem Lager Mutter/Tochter. Alle Europäer betrachten angelegentlich ihre Fingernägel.

Die Runde löst sich auf. Auf dem Weg nach draußen bleibe ich kurz bei der Frau an der Rezeption hängen. Sie erzählt, deutsche Überraschungseier seien neuerdings in den USA verboten. Kinder könnten die kleinen Teile der darin enthaltenen Spielzeuge verschlucken. Sei das nicht unglaublich? Ich sage nichts und wünsche einen schönen Tag. Ich habe aus dem Frühstück gelernt. Schweigen sichert den Frieden zwischen den Nationen.