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Europa geeint im Kampf gegen den Terror

Samira Shackle, London / glh30. Juli 2016

Nach den Terroranschlägen der vergangenen Wochen treffen sich Sicherheitsexperten in London. Ihre Lösung im Kampf gegen den "IS" ist ziemlich einfach: Weitermachen wie bisher. Aus London berichtet Samira Shackle.

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Selbstmordanschlag Ansbach Bayern Absperrung (Foto: picture-alliance/dpa/K.J.Hildenbrand)
Bild: picture-alliance/dpa/K.J.Hildenbrand

Die letzten Wochen haben es gezeigt: In Europa ist das Risiko für einen vom sogenannten Islamischen Staat inspirierten oder sogar direkt geplanten Terroranschlag hoch. Innerhalb von 14 Tagen wurden mehrere Terroranschläge im Namen des "IS" verübt. Am 14. Juli fuhr ein Lastwagen in Südfrankreich in eine Menge und tötete 84 Menschen. Am 18. Juli attackierte ein Mann mit einer Axt bewaffnet Passagiere in einem Würzburger Regionalzug. Am 24. Juli sprengte sich ein Mann in Ansbach in die Luft und am 26. Juli töteten zwei bewaffnete Terroristen in der Normandie einen Priester in einer Kirche. Alle Attentäter beriefen sich auf den "IS".

"Im Moment steht man in Deutschland einfach nur unter Schock", sagt Daniel Heinke. Er arbeitet im Innenministerium des norddeutschen Stadtstaates Bremen. Zudem ist Heinke Honorarprofessor für interdisziplinäre Terrorismusforschung an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung in Bremen.

"In den letzten fünf Jahren wurden mehrere Straftaten durch die Sicherheitsbehörden vereitelt", sagt Heinke. Nach den Anschlägen in Deutschland wird nun von vielen Seiten gefragt: Wie konnte es dazu kommen? Was muss sich innerhalb der deutschen Sicherheitsbehörden ändern? Die Antwort des Experten auf diese Frage ist kurz und einfach: Nichts. "Wir als Sicherheitsbeauftragte haben die schwierige Aufgabe, der Bevölkerung zu erklären, dass wir nicht die Notwendigkeit sehen, etwas anders zu machen. Wir müssen so weiter arbeiten wie bisher."

Heinke nimmt zurzeit hier in London an einer Konferenz teil, bei der über den "IS" in Europa diskutiert wird. Ausgerichtet wird diese Konferenz am Internationalen Zentrum zur Erforschung von Radikalisierung (ICSR) am King´s College in London. Die Experten aus ganz Europa diskutieren, warum Einzelpersonen Gewalttaten verüben und suchen nach Lösungen, um derartige Straftaten in Zukunft zu verhindern. Konkret geht es um die Frage, wie der "IS" Einzelpersonen anwirbt und steuert und wie Europas Sicherheitsbehörden in Zukunft besser zusammenarbeiten.

Daniel Heinke (Foto: DW/S. Shackle)
Terrorexperte Daniel Heinke in LondonBild: DW/S. Shackle

Auf dem Gebiet der Zusammenarbeit ist Daniel Heinke Experte. Seit vier Jahren ist er verantwortlich für die Koordinierung ressortübergreifender Angelegenheiten der Terrorismusabwehr in Bremen. Er kennt die Herausforderungen, die nun an Politik und Polizei gestellt werden, also sehr gut.

Kleine Attacken könnten von großem Plan ablenken

"Wir stellen derzeit einen Anstieg von vom 'IS' inspiriertem Terrorismus in den Staaten des Westens fest", sagt Daniel Heinke. Diese Attacken seien Teil einer Gesamtstrategie des "IS", um den Druck auf die westlichen Sicherheitsbehörden zu erhöhen. "Wenn jede Woche derartige kleine Anschläge geschehen, geraten die Sicherheitsbehörden extrem unter Druck. Das kann dazu führen, dass diese einen größeren Anschlag übersehen. Ich glaube hier geht es um eine mehrgleisige Herangehensweise: Kleinere Zwischenfälle und gleichzeitig die Planung eines Hauptattentates", so Heinke.

Der Terrorismusexperte betont, dass die Täter der letzten Tage alle mehr oder weniger intensiv mit dem "IS" in Kontakt standen - obwohl sie alle auch als "einsame Wölfe" bezeichnet wurden. Doch durch die Verbindung zur Terrorgruppe sind sie keine "einsamen Wölfe" im klassischen Sinne. Deswegen sei eine umfassende Ermittlung entscheidend, auch wenn der Täter bereits tot sei, sagt Heinke.

Ausländische "IS"-Kämpfer erhöhen das Terrorrisiko

Deutschland, Frankreich, Belgien und das Vereinigte Königreich gehören zu den Ländern, aus denen die meisten ausländischen Kämpfer des sogenannten Islamischen Staates kommen. Deswegen ist in diesen Ländern auch das Risiko für einen Terroranschlag weitaus höher, als in anderen europäischen Nationen. Aufgrund dieses erhöhten Risikos sei eine engere Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden und der Geheimdienste dringend notwendig, sagt Daniel Heinke. Aber das ist einfacher gesagt, als getan.

Polizist in Nizza (Foto: Reuters/E. Gaillard)
Nach dem Anschlag in Nizza: Erhöhte SicherheitsmaßnahmenBild: Reuters/E. Gaillard

2014 führte die europäische Polizeibehörde Europol ein Projekt ein, das Informationen über tausende verdächtigte Personen speicherte. Darunter vor allem solche, die grenzübergreifend reisen und vermutlich Terroranschläge planen. Unter diesen Personen sind auch zahlreiche ausländische Kämpfer des "IS". Das Projekt hat sich als sehr nützlich erwiesen. Doch innerhalb der EU zögern zahlreiche nationale Behörden, Aufgabenbereiche an die europaweite Behörde abzugeben. Zudem findet die Zusammenarbeit eher auf der Ebene der Polizeibehörden statt und weniger auf der der Geheimdienste. Angesichts der Tatsache, dass fast alle Täter der vergangenen Wochen polizeibekannt waren, könnte dieses Programm von großen Nutzen sein.

"Was den Inlandsgeheimdienst betrifft, müssen wir die Zusammenarbeit auf jeden Fall erhöhen", sagt Heinke. "Die Geheimdienste sind sie sehr verschlossen, was natürlich auch daran liegt, dass sie zum Teil über hochsensible Daten verfügen." Bisher gäbe es vorwiegend bilateraler Kooperationen zwischen Geheimdiensten, sagt Daniel Heinke. "Was wir nun tun müssen, ist Informationsknotenpunkte zu schaffen für alle, die kooperieren."

Brexit: Negative Auswirkungen auf die Sicherheit?

Die Londoner Sicherheits-Konferenz fand in dem noch EU-Mitglied Großbritannien statt. Doch angesichts des Votums der Bevölkerung ist die Frage nach den möglichen Auswirkungen eines EU-Austritts auf die polizeiliche und geheimdienstliche Zusammenarbeit unausweichlich.

"Ich glaube ich spreche für alle Sicherheits-Beamten in diesem Bereich: Wir hoffen, dass das keine großen Folgen für unsere Arbeit haben wird", sagt Heinke. Er wünscht sich, dass alle betroffenen Länder, sowohl Großbritannien als auch die verbleibenden EU-Staaten, eng zusammenarbeiten, um ein Konzept zu erstellen, dass garantiert, dass die engen Verbindungen zwischen den Sicherheitsbehörden fortbestehen. "Es wäre ein Desaster, würden wir diese Kontakte verlieren", sagt Heinke.

Doch die eigentliche Lösung für all die Probleme, die Heinke und seine Kollegen in London besprachen, liege außerhalb Europas, so der Sicherheitsexperte: "Der Konflikt in Syrien funktioniert wie ein Brutkasten. Der Krieg liefert den Menschen einen mentalen Fokus. Sie können sich so auf den vom "IS" propagierten Krieg zwischen den ihrer Meinung nach Ungläubigen und den Gläubigen konzentrieren." Kein Konzept, dass den Terrorismus in Europa bekämpfen will, funktioniere, so Heinke, ohne Syrien mitzudenken.